Unternehmensanleihemarkt

Nestlé profitiert vom Konzernumbau

Der Nestlé-Konzern profitiert nach Ansicht der LBBW vom Konzernumbau. Das Unternehmen bietet interessante Neuemissionen von Anleihen.

Nestlé profitiert vom Konzernumbau

Von Gerold Deppisch*)

Der Nestlé-Konzern zählt mit einem Umsatz von 87,1 Mrd. Schweizer Franken (CHF), einem zugrundeliegenden operativen Ergebnis von 15,1 Mrd. CHF und einer opera­tiven Marge von 17,4% zu den größten Nahrungsmittelherstellern weltweit. Zum Produktportfolio ge­hören so bekannte Namen wie Nescafé, Nespresso, Nesquik, Maggi, Thomy und Kitkat. Geografisch ist das Unternehmen insbesondere in den Regionen Europa, Nord- und Südamerika sowie in Asien aktiv. Für Credit-Investoren bietet das Unternehmen eine große Auswahl an Bonds unterschiedlichster Währungen. Darunter befinden sich neben CHF-, Dollar- und Pfund- auch 18 Euro-Bonds mit einem Volumen von zusammen genommen 13,4 Mrd. Euro. Die Laufzeiten reichen dabei von unter einem Jahr bis zu einer sehr langen Laufzeit von 19 Jahren.

Sukzessives Wachstum

Seit dem Jahr 2017 hat Nestlé das Produktportfolio kontinuierlich umgebaut und an die neue Strategie angepasst. Im Fokus standen dabei die Wachstumsbereiche ge­sunde Ernährung, Kaffee und Heimtierbedarf. Durch Zu- und Verkäufe ist es dem Unternehmen gelungen, das organische Wachstum sukzessive zu steigern. Mittlerweile beläuft sich die Portfoliotransformation auf rund 20% des Umsatzes von 2017. Auch die jüngste Übernahme einer Mehrheit am US-Proteinspezialisten Orgain trägt dazu bei. Orgain stellt Shakes, Pulver und Snacks aus pflanzlichen Proteinen her, und durch die Übernahme erreicht Nestlé eine marktführende Stellung in diesem Segment in den USA. Dem Ausbau der Wachstumsbereiche steht die Trennung von nicht-strategischen Ge­schäften entgegen. So wird Nestlé die sich eher schwach entwickelnde Wassermarke Vittel vom deutschen und österreichischen Markt nehmen. Das Unternehmen richtet den Blick im Wassergeschäft mehr auf die Premiummarken.

Insgesamt schlägt sich der Konzernumbau positiv auf die Zu­wachsraten von Nestlé nieder. Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2021 lag das organische Wachstum bei hohen 7,5% und damit deutlich über den Vorjahren. Sicherlich ist dabei zu berücksichtigen, dass die Corona-Pandemie den Produktabsatz für den Zuhause-Konsum unterstützt hat. Aber auch ohne diesen Effekt war die Entwicklung positiv. Die Spreads der ausstehenden Euro-Bonds begleiteten den Konzernumbau wohlwollend. Im vergangenen Jahr waren in der Regel nur geringe Schwankungen zu beobachten. So entwickelte sich der Bond mit der Fälligkeit November 2037 in einem Spread-Korridor zwischen 25 bis 40 Basispunkten (BP) seitwärts.

Steigende Dividende

Neben der jährlich steigenden Dividende zeigt das Unternehmen durch wiederkehrende Neuauflagen von Aktienrückkaufprogrammen ein insgesamt aktionärsfreundliches Verhalten. In den vergangenen beiden Jahren wurden Aktien im Wert von 13 Mrd. CHF zurückgekauft. Hierfür wurde auch der Erlös aus dem Verkauf der Aktien von L’Oréal verwendet. Ein neues Aktienrückkaufprogramm im Wert von 20 Mrd. CHF bis zum Jahresende 2024 wurde bereits aufgelegt. Aus Credit-Sicht sehen wir die hohen Kapitalzuführungen an die Aktionäre eher mit gemischten Gefühlen. Denn gleichzeitig steigt die Nettofinanzverschuldung an. Im vorigen Jahr war eine Zunahme um 1,6 Mrd. auf 32,9 Mrd. CHF zu beobachten. Die steigende Verschuldung hat Auswirkungen auf die Credit Metrics des Unternehmens. So erwarten Ratingagenturen einen Anstieg des Verhältnisses von Nettofinanzverschuldung zum operativen Ergebnis vor Abschreibungen (Ebitda) auf über 2,0-fach in den nächsten Jahren. Nichtsdestotrotz soll dieser Wert aufgrund der soliden Cash-Generierung unter 2,5-fach bleiben. Im vergangenen Geschäftsjahr stieg er von 1,6-fach auf 1,9-fach an. Für die Ratingagenturen ist diese Entwicklung kein Grund, von der sehr guten Investmenteinschätzung abzurücken.

Kein höheres Ausfallrisiko

Beide Einflussfaktoren der Kreditwürdigkeit – das aktionärsfreundliche Verhalten und der Verschuldungsanstieg – haben im Verlauf des Jahres 2021 keine Zunahme des Ausfallrisikos nach sich gezogen. Der Fünfjahres-CDS pendelte vielmehr zwischen 15 und 21 BP und damit auf einem historisch niedrigen Niveau. Einen stärkeren Anstieg auf 28 BP gab es allerdings seit Beginn dieses Jahres, was mehr auf die allgemeine Marktentwicklung zurückzuführen sein dürfte und nicht auf unternehmensspezifische Gründe.

Die Spreads der ausstehenden Bonds zeigten im Verlauf des vergangenen Jahres eine zum CDS ähnliche Entwicklung. Seit Jahresbeginn tendieren die Euro-Bond-Spreads laufzeitenabhängig unterschiedlich. Die kürzeren bis mittleren Laufzeiten zeigten eine Spread-Einengung, während sich die längeren Laufzeiten zum Teil ausweiteten. Im relativen Vergleich notieren die Spreads bei den Fälligkeiten bis 2030 im Bereich der Marktkurve „AA+“ und erscheinen damit teuer bewertet. Die Spreads mit Fälligkeiten nach 2030 liegen zwischen oder auf der für Nestlé relevanten Marktkurve „AA−“ und sind damit tendenziell fair gepreist. Den höchsten Spread bietet derzeit die am längsten laufende Anleihe mit der Fälligkeit 06/2041. Der Spread liegt bei dieser Anleihe aktuell bei 73 BP.

Aufgrund der allgemeinen Marktentwicklung sind auch die Renditen bei den Euro-Bonds von Nestlé gestiegen. Nur noch der Bond mit Fälligkeit im laufenden Jahr weist eine negative Rendite auf. Ansonsten nimmt aktuell die Rendite mit zunehmender Laufzeit auf 1,7 % zu, was im Corporates-Vergleich immer noch niedrig ist. Das Unternehmen verfügt über ein grundsätzlich solides Geschäftsmodell, was die Bonds als Alternative zu einer zehnjährigen Bundesanleihe, die aktuell eine Rendite von 0,25 % aufweist, attraktiv macht.

Interessante Neuemissionen

Nestlé zeigte zwar in den vergangenen Jahren mit steigenden Dividendenzahlungen und umfangreichen Aktienrückkaufprogrammen ein aktionärsfreundliches Verhalten und wird das auch in den nächsten beiden Jahren fortführen. Allerdings werden unseres Erachtens auch Neuemissionen weiterhin platziert, insbesondere als Refinanzierung auslaufender Bonds. Am Neuemissionsmarkt war das Unternehmen zuletzt im September 2021 aktiv, als über sechs Dollar-Emissionen 5 Mrd. Dollar eingenommen wurden.

Am Euro-Emissionsmarkt war Nestlé zuletzt im Juni 2021 vertreten. Mit vier Euro-Bond-Emissionen wurden 3,15 Mrd. Euro eingesammelt. Grundsätzlich weisen die Neuemissionen von Nestlé einen im relativen Vergleich interessanten Spread-Aufschlag auf. Das dürfte unseres Erachtens auch bei zukünftigen Neuemissionen der Fall sein. Die nächste größere Euro-Bond-Fälligkeit ist im September 2022, danach im Mai 2023. Nachdem sich Nestlé dazu verpflichtet hat, die CO2-Emissionen bis 2030 zu halbieren und bis 2050 auf netto null zu senken, erscheinen auch Bondemissionen im ESG-Umfeld möglich.

*) Gerold Deppisch ist Senior Analyst für Consumer Goods bei der Landesbank Baden-Württemberg.