LEITARTIKEL

Lieferschwierigkeiten

Nach einem schwachen Jahr 2016 und einem mauen Start 2017 kommt der deutsche IPO-Motor im Sommer offenbar auf Touren. Mit dem Schnellrestaurant-Betreiber Vapiano, dem Essens-Lieferdienst Delivery Hero sowie dem Bestandsimmobilien-Entwickler Noratis...

Lieferschwierigkeiten

Nach einem schwachen Jahr 2016 und einem mauen Start 2017 kommt der deutsche IPO-Motor im Sommer offenbar auf Touren. Mit dem Schnellrestaurant-Betreiber Vapiano, dem Essens-Lieferdienst Delivery Hero sowie dem Bestandsimmobilien-Entwickler Noratis streben bis Ende Juni noch drei Firmen an die Börse, die gemeinsam einen Emissionserlös von bis zu 1,25 Mrd. Euro bei einer Marktkapitalisierung von mehr als 5 Mrd. Euro anpeilen. Außerdem zieht es den Nutzfahrzeugzulieferer Jost-Werke sowie den Industrieentsorger Befesa noch im Sommer aufs Frankfurter Börsenparkett. Beide zusammen würden noch einmal gut 2 Mrd. Euro Marktwert und mehrere hundert Millionen Euro Emissionserlös zur bislang enttäuschenden Bilanz im hiesigen IPO-Geschäft 2017 hinzufügen.Per Montag haben es deutsche Emittenten mit ihren diesjährigen Going Publics laut Finanzinformationsdienst Dealogic auf 745 Mill. Dollar Emissionserlös gebracht. In den fünf Jahren 2013 bis 2017 liegt der laufende Turnus damit genau in der Mitte – hinter 2013 und 2015, aber vor 2014 und 2016. Allerdings zählt Dealogic in die Statistik auch den Chip-Hersteller X-Fab (Emissionserlös: 455 Mill. Dollar). Das Unternehmen aus Erfurt ist in Paris an die Börse gegangen. Rechnet man nur die Debüts hierzulande, war 2017 der schwächste Auftakt seit 2012, als in der ersten Jahreshälfte nur umgerechnet 8 Mill. Dollar eingesammelt wurden.Nun stehen drei Kandidaten in den Startlöchern, die versprechen, die Bilanz des hiesigen Aktienprimärmarktes kräftig aufzupolieren. Delivery Hero ist mit einem avisierten Emissionserlös von bis zu 996 Mill. Euro bei einem maximalen Börsenwert von 4,4 Mrd. Euro der mit Abstand größte. Mit dem hochdefizitären Betreiber von “Pizza.de”, “Lieferheld” und “Foodora” hofft die Start-up-Schmiede Rocket Internet endlich liefern zu können, nachdem die angedachten Börsengänge des Online-Möbelhändlers Westwing und des Kochbox-Lieferdienstes Hellofresh 2016 in die Zukunft verschoben werden mussten. Nun soll Delivery Hero also Hellofresh den Weg bereiten. Deren zweiter Anlauf ist für Herbst eingeplant. Delivery Hero kommt ergebnisseitig schlank daher. Einem Umsatz von 297 Mill. Euro standen 2016 fast 200 Mill. Euro Verlust gegenüber. Von einer bescheidenen Bewertung kann daher nicht die Rede sein. Das wirft unmittelbar die Frage nach dem Wertsteigerungspotenzial auf. Der börsennotierte US-Wettbewerber Grubhub hat es 2016 mit knapp einer halben Milliarde Dollar auf weit mehr Umsatz gebracht und dabei gut 10 % Nettorendite eingefahren. An der Börse ist der US-Konzern indes nur 3,7 Mrd. Dollar wert – weniger als die Berliner sich am unteren Ende der Spanne erhoffen. Allerdings lag deren Bewertung zum Einstieg des südafrikanischen Investors Naspers im Mai bereits bei gut 3,5 Mrd. Euro, so dass kaum Spielraum nach unten bestand.Auch nach Delivery Hero, Vapiano und Co stehen einige Kandidaten in den Startlöchern. Neben Hellofresh streben mit der österreichischen Bank Bawag, dem Glücksspieltechnologiekonzern Novomatic, dem Vermögensverwalter Deutsche Asset Management und der Siemens-Medizintechniktochter Healthineers vier weitere milliardenschwere Kandidaten an die Börse, die es gemeinsam auf weit über 50 Mrd. Euro Marktwert sowie einen Emissionserlös im wohl hohen einstelligen Milliardenbereich bringen dürften. Healthineers könnte sogar an Innogy heranreichen – immerhin der größte IPO in Deutschland seit dem Jahr 2000.Grundvoraussetzung ist allerdings zunächst, dass Rocket Internet ihre Lieferprobleme in den Griff bekommt. Delivery Hero, die operativ vom Hauptaktionär weitgehend in Ruhe gelassen wird, ist in vielerlei Hinsicht ein Lackmustest. Der Preis ist ambitioniert in einer Zeit, in der die Angst vor einer neuen Technologieblase wächst. Einer Studie von Bank of America Merrill Lynch zufolge sieht jeder fünfte Investor weltweit die Aktien von Internetfirmen derzeit wieder in Bubble-Territorium. Acht von zehn Investoren bezeichnen sie wenigstens als teuer. Delivery Hero ist zumindest gemessen am direkten Wettbewerb fair gepreist. Der ebenfalls defizitäre Rivale Takeaway.com (Lieferando.de) ist an der Amsterdamer Börse in Relation zum Umsatz ähnlich teuer. Seit dem IPO im September weist die Gesellschaft aber auch 50 % Wertzuwachs auf. Einen Discount zum Debüt sieht der Berliner Lieferdienst nicht vor. Ist dies den Anlegern egal, dürfte dies der Startschuss für ein deutlich aktiveres zweites Halbjahr sein.——–Von Sebastian Schmid2017 ist das schwächste IPO-Jahr in Deutschland seit 2012. Für eine Steigerung im zweiten Halbjahr muss vor allem Delivery Hero liefern.——-