China

Angst vor Evergrande

Wenn der weltweit am höchsten verschuldete Immobilienkonzern auf „Bartergeschäfte“ zurückgreifen muss, um Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können, wird man an den Märkten hellhörig.

Angst vor Evergrande

Wenn der weltweit am höchsten verschuldete Immobilienkonzern auf „Bartergeschäfte“ zurückgreifen muss, um Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können, wird man an den Märkten hellhörig.

Die für ihre Liquiditätsprobleme berüchtigte China Evergrande Group sieht sich mittlerweile gezwungen, noch fertigzustellende Immobilienprojekte auf Gläubiger aus der Bauindustrie zu übertragen, weil sie laufende Rechnungen nicht begleichen kann. Dass sich Chinas zweitgrößter Immobilienentwickler in ernsten Schwierigkeiten befindet, ist seit Monaten kein Geheimnis mehr und durch eine monumentale Talfahrt der Aktien- wie auch der Bondkurse wohl dokumentiert. Die Ratingagenturen hasten der zunehmend verschlechterten Finanzlage mit immer neuen Bonitätsabstufungen hinterher. Jetzt sind sie in einem Notenbereich gelandet, der einen unmittelbar drohenden „Default“, also Anleiheausfall, anzeigt.

Tatsächlich ist Evergrande bislang ein Musterknabe, der sich im Bondmarkt nichts zuschulden kommen ließ, während andere chinesische Immobilienentwickler wie Fortune Land in diesem Jahr bereits größere Dollaranleihen platzen ließen. Bei Evergrande allerdings schwingt ein höherer Angstfaktor mit, weil man dem Sektorriesen ein „systemisches Risiko“ zuschreibt, eine Evergrande-Pleite also schwere Verwerfungen im heimischen Finanz- und Bankensystem auslösen könnte.

In den vergangenen Monaten kam Evergrande in Sachen Bond-Default dadurch über die Runden, dass chinesische Banken, wenn auch widerwillig, weiter Kredit gaben, damit sie Anleihen anstandslos bedienen kann. Sollte dies künftig nicht mehr der Fall sein, könnte tatsächlich die Default-Bombe platzen. Doch kann man sich einigermaßen sicher sein, dass der Staat die staatskontrollierten Banken da­hingehend zu ermuntern weiß, Evergrande nicht fallenzulassen. Peking will in konjunkturell sowieso etwas angespannten Zeiten keinen Knall am Immobilienmarkt oder eine Panikwelle im Bankensektor riskieren.

Eine möglichst geräuschlose Bereinigung der Evergrande-Problematik tut not, zumal die Liquiditätsklemme bei Chinas Immobilienentwicklern auch eine öffentlich-rechtliche Di­mension hat. Die Bauträger haben nämlich riesige Forderungsbestände gegenüber Lokalregierungen, die diese als notorisch säumige Zahler schlichtweg nicht begleichen. Hätte Fortune Land ihre gewaltigen Ausstände gegenüber der öffentlichen Hand eintreiben können, wäre es kaum zum Default gekommen. Bei Evergrande dürfte es ähnlich aussehen.

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