Notiert in Paris

Anknüpfen an alte Traditionen

Nach Corona und hoher Inflation laden viele Institutionen in Frankreich nun wieder zu ihren Neujahrsempfängen ein – auch Minister, die auf eine Entscheidung warten, ob die Regierung umgebildet wird oder nicht.

Anknüpfen an alte Traditionen

Notiert in Paris

Vœux wie früher

Von Gesche Wüpper

Covid und Inflation scheinen endgültig vergessen. Im Maileingang stapeln sich die Einladungen für die Vœux, die in Frankreich typischen Neujahrsempfänge, zu denen Regierung, Bürgermeister, Unternehmen, Verbände und andere Institutionen im Januar einladen. In den letzten Jahren hatten sie jedoch erst wegen der Pandemie und dann wegen der starken Inflation häufig darauf verzichtet.

Im Gespräch mit seinen Amtskollegen habe er festgestellt, dass es bei allen einen Wunsch gäbe, die durch Covid gelockerten Verbindungen wieder enger zu knüpfen, sagt Georges Christiani. Der Bürgermeister von Mimet in Südfrankreich ist Vorsitzender der Bürgermeistervereinigung im Département Bouches-du-Rhône.

Wein oder Crémant statt Champagner

„Die Leute haben das Bedürfnis, sich zu treffen, sich auszutauschen, miteinander zu reden“, sagt er. Deshalb würden viele Stadtverwaltungen jetzt wieder wie früher zu den Vœux einladen, nachdem sie sie in den letzten Jahren abgesagt hatten. Trotz des Nachholbedarfs wollen die Kommunalpolitiker jedoch nicht im Überfluss schwelgen, sondern ihre Neujahrsempfänge betont schlicht gestalten.

Auf so manchem Neujahrsempfang dürfte es deshalb nun Wein oder Crémant statt Champagner geben. Auch die vor der Coronakrise gern während der Vœux kredenzten Austern dürften häufig fehlen. Denn in immer mehr Regionen macht ein Norovirus den Austernzüchtern zu schaffen. Verunreinigtes Abwasser lässt die Austern erkranken, deren Verzehr dann bei Menschen Magen-Darm-Grippe auslöst.

Verkaufsverbot für Austern

Deshalb ist der Verkauf von Austern und zuletzt auch Muscheln aus Zuchtgebieten wie dem Bassin dArcachon und der Vendée Ende Dezember verboten worden, zunächst für 28 Tage. Für die Züchter kommt das Verbot zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt, da Austern neben Foie Gras, Räucherlachs und Jakobsmuscheln zu den Spezialitäten gehören, die Weihnachten und Silvester zum traditionellen Festmahl gehören.

Entsprechend machen die französischen Austernzüchter am Ende eines Jahres rund die Hälfte ihres Jahresumsatzes von zuletzt 403 Mill. Zwar sind nur 10% der Zuchtgebiete von dem Verkaufsverbot betroffen, doch die Medienberichte darüber hätten sich auch auf die Verkäufe anderer Regionen verheerend ausgewirkt, meint Philippe Le Gal, der Vorsitzende des französischen Austern- und Muschelzuchtverbandes Comité national de la conchyliculture.

Austernzüchter wollen Regierung verklagen

Die rund 300 Austernzuchtbetriebe vom Bassin dArcachon schätzen, dass ihnen seit dem Verkaufsverbot Umsätze in Höhe von 7 Mill. Euro entgangen sind. Sie machen vor allem die schlechte Abwasserentsorgung am Bassin für die Situation verantwortlich. Wegen der außergewöhnlich starken Regenfälle seit Oktober sind sie übergelaufen.

Einige Austernzüchter wollen nun gegen Gemeinden klagen, das Abwassersystem nicht ordentlich gepflegt zu haben. Sie fordern auch Entschädigungen von der französischen Regierung. Wie diese demnächst genau zusammengesetzt ist, ist jedoch unklar.

Wartestellung

Wer die kommende Regierung anführen wird und wann sie steht, ist noch offen. Bereits seit Tagen tun alle Minister so, als ob nichts wäre, doch eigentlich befinden sie sich in Wartestellung. „Ich arbeite“, wiederholte Wirtschaftsminister Bruno Le Maire in den letzten Tagen immer wieder. Er gehört zu den Politikern, die von Beobachtern neben Bildungsminister Gabriel Attal als potenzielle Nachfolger der Regierungschefin gehandelt wurden.

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