Italienische Problembanken

Der Stresstest ist die Stunde der Wahrheit

Seit Monaten bemüht sich Italiens Regierung, einen Käufer für die angeschlagene Staatsbank Monte dei Paschi die Siena zu finden. Der Stresstest könnte die Stunde der Wahrheit für das Institut werden.

Der Stresstest ist die Stunde der Wahrheit

Von Gerhard Bläske, Mailand

Der neue Unicredit-Chef Andrea Orcel hat einer Übernahme eines italienischen Rivalen vorerst eine Absage erteilt. Sie habe „derzeit“ keine Priorität. Für Stefano Caselli ist das nicht das letzte Wort des Chefs des italienischen Bankriesen: „Das hängt von den Bedingungen ab. Eine Übernahme würde die Position der Bank als Nummer 2 in Italien stärken“, meint der Bankenprofessor von der Mailänder Bocconi-Universität. Er glaubt, die Äußerung Orcels könnte taktischer Natur sein, um bessere Bedingungen für eine Übernahme der Krisenbank Monte dei Paschi di Siena (MPS) zu erreichen, welche die Regierung in Rom zu gern an Unicredit loswerden würde.

Doch einstweilen ist die Situation blockiert. Dabei ist Eile geboten. Bis Ende des Jahres muss die viertgrößte Bank des Landes, die 2017 mit Staatshilfen von 5,4 Mrd. Euro gerettet worden war und heute zu 64% staatlich ist, privatisiert werden. Doch bis dato gibt es keinen Interessenten für das Institut, das an der Börse nur noch etwa 1 Mrd. Euro wert ist. Dabei versucht der Staat, Bankenübernahmen mit Steuergutschriften, den Deferred Tax Assets (DTA), schmackhaft zu machen: Nach Berechnungen der Deutschen Bank mit insgesamt 11,6 Mrd. Euro.

Wie geht es nun weiter? „Der Stresstest ist die Stunde der Wahrheit“, zeigt sich Caselli überzeugt: „Fällt er schlecht aus, muss die Regierung ein Paket schnüren, um die Bank verkaufsfähig zu machen.“ Bei dem Test könnte die Kapitalquote unter die von der Bankenaufsicht EBA verlangte Mindestquote rutschen. Während Monte dei Paschi den Kapitalbedarf noch vor wenigen Monaten auf 2,5 Mrd. Euro taxiert hatte, machte CEO Guido Bastianini kürzlich einen Rückzieher: Aufgrund der zuletzt guten Geschäftsentwicklung genügten auch 1 Mrd. Euro oder weniger – immer vorausgesetzt, es findet sich nicht doch ein Käufer.

Doch die Bank hat noch ganz andere Probleme. Sie steckt in Rechtsstreitigkeiten, die sie bis zu 10 Mrd. Euro kosten könnten. Sie hat zu viel Personal, zu viele Geschäftsstellen und zu viele ausfallgefährdete Kredite. Jeder Käufer muss mit lokalem Widerstand gegen Kostensenkungen rechnen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich der neue Chef der sozialdemokratischen Regierungspartei PD, Enrico Letta, bei Nachwahlen um ein Parlamentsmandat ausgerechnet am MPS-Sitz in Siena in das Abgeordnetenhaus wählen lassen will.

Pokerspiel in Siena

Wahrscheinlich müssen wieder einmal die Steuerzahler bluten – so wie 2017 bei zwei venezianischen Volksbanken. „Es ist klar, dass Monte dei Paschi den Staat Milliarden kosten wird“, sagt Caselli. Der ehemalige Finanzminister Giulio Tremonti hat erklärt, dass Restrukturierungen, Steuergutschriften, Kapitalerhöhung und mögliche Rechtsrisiken am Ende mit 20 Mrd. Euro zu Buche schlagen.

Sollte der Stresstest besser ausfallen als erwartet, könnte sich die Hängepartie um Monte dei Paschi noch länger hinziehen, vermutet Caselli ­– ohne dass die Lage der Krisenbank deshalb grundsätzlich besser wäre. Es ist ein Pokerspiel: Banken wie die Mailänder BPM oder die Bper könnten durch eine Übernahme der Monte dei Paschi eine dritte Großbank im Land bilden. Auch der französische Crédit Agricole, der gerade den Credito Valtellinese erworben hat, würden durch den Kauf der MPS in eine neue Größenordnung wachsen – wären da bloß nicht deren Risiken.

Die Unternehmensberatung AT Kearney und die Ratingagentur Scope glauben, dass sich die Konsolidierung fortsetzt. Denn die Kosten sind zu hoch, und die Investitionen in die Digitalisierung verschlingen Geld. Ignazio Visco, Gouverneur der italienischen Notenbank Banca d’Italia, rechnet damit, dass es nach dem Auslaufen staatlicher Moratorien und Kreditgarantien zu einem starken Anstieg fauler Kredite kommt. Das träfe aber weniger die kapitalstarken Institute wie Unicredit, Intesa Sanpaolo oder Mediobanca, dafür aber Banken wie die Genueser Carige oder die Banca Popolare di Bari, die nach staatlichen Rettungsaktionen ebenfalls auf Partnersuche sind. Caselli glaubt, dass es für diese Institute eine Lösung erst dann gibt, wenn der Fall Monte dei Paschi gelöst ist.

Carige hat ein großes Portfolio fauler Kredite an die staatliche Bad Bank Amco übertragen und weist ein niedriges Risikoprofil aus. Doch ohne einen Partner geht es nicht. Die Bank wird zu 80% vom Einlagensicherungsfonds Fitd der Privatbanken kontrolliert, der dringend einen Käufer sucht, nachdem die Trientiner Genossenschaftsholding CCB abgesprungen ist. Carige ist fragil. Außerdem ist das Institut in Rechtsstreitigkeiten mit Ex-Großaktionär Malacalza verstrickt. Es soll dennoch Interessenten geben, darunter Bper, BPM, Credem und Crédit Agricole.

Schlimmer steht es um die Volksbank von Bari. Die größte Bank Süditaliens ist in einem Sumpf von Korruption und Vetternwirtschaft versunken und wurde von der Staatsbank Mediocredito Centrale gerettet. In der Diskussion ist die Bildung einer Staatsbank für den Süden: „Das würde das Problem des Südens nicht lösen und den Steuerzahler viel Geld kosten“, glaubt Caselli.

Für den Professor scheint klar, dass sich das Modell der Universalbank für kleinere Institute überlebt hat. Fusionen kosten Arbeitsplätze. Besser läuft es für Spezialbanken wie Azimut, Illimity, Fineco, Mediolanum und Mediobanca, die sich fokussiert haben, etwa auf Konsumentenkredite oder das Assetmanagement. Potenzielle Retter werden also genau hinsehen, ehe sie zugreifen.

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