SAP

Die Welt nach Hasso

SAP steckt 50 Jahre nach der Gründung in einer Umbruchphase. Der Abschied des prägenden Mitgründers Hasso Plattner rückt näher.

Die Welt nach Hasso

Für den Softwarekonzern SAP sind die Tage rund um den 50. Jahrestag der Gründung sicher unruhiger geworden, als es sich der Softwarekonzern für ein solches Jubiläum gewünscht haben dürfte. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 ist bereits mehr als die Hälfte des Vorstands ausgewechselt worden. Mit Finanzvorstand Luka Mucic hat gerade erst der nächste Spitzenmanager seinen Rückzug angekündigt. Da liegt von außen betrachtet der Verdacht nahe, dass in Walldorf gerade einiges schiefläuft. Schließlich hatte Mucic erst vor zwei Jahren bis 2026 verlängert und dabei auch auf die Unsicherheiten rund um die Pandemie verwiesen.

Doch wenn die unsicheren Zukunftsaussichten ob der Pandemie ein Grund für den CFO waren, zu verlängern, dann spräche in der aktuellen Lage noch weniger dafür, frühzeitig von Bord zu gehen. Der weitere Verlauf des Kriegs in der Ukraine und dessen politische wie wirtschaftliche Auswirkungen bleiben unkalkulierbar. Die Inflation ist zudem so hoch wie zuletzt etwa zur Geburtsstunde des Softwarekonzerns in den frühen 1970er Jahren – und droht weiter anzuziehen. Das dürfte auch an SAP nicht einfach abperlen. Hinzu kommt die beschleunigte Migration der Kunden in die Cloud. Hier nimmt der Finanzvorstand, der neben Finanzen, Administrativem und Nachhaltigkeit auch den Bereich Business Process Intelligence verantwortet, eine entscheidende Rolle ein. Der Abschied wirft also durchaus Fragen auf.

Trösten kann SAP der Blick in die Konzernhistorie. Der scheinbar geradlinige Aufstieg des von fünf ehemaligen IBM-Mitarbeitern gegründeten Unternehmens binnen eines halben Jahrhunderts von der kleinen Softwarebutze zu Europas größtem Softwarekonzern kam nicht ohne das Überwinden schwieriger Situationen aus. Die im Wesentlichen vom damaligen Technologiechef Hasso Plattner entwickelte Unternehmenssoftware-Suite R/3, die das Client-Server-Prinzip einführte und die grafische Benutzeroberfläche bei SAP etablierte, war für die Walldorfer in den frühen 1990er Jahren überlebenswichtig, um nicht den Anschluss zu verlieren.

Auch das knappe Jahrzehnt unter der Führung von Bill McDermott – eines der erfolgreichsten für SAP – hatte keine guten Startvoraussetzungen. Gemeinsam mit Jim Hagemann Snabe wurde McDermott 2010 an die Konzernspitze gespült, nachdem CEO Léo Apotheker es sich schon nach wenigen Monaten mit vielen Mitarbeitern und Kunden verscherzt hatte. Auch war das Softwareangebot zu diesem Zeitpunkt in die Jahre gekommen und eine Mittelstandsinitiative von SAP hatte weniger Traktion, als sich Investoren und Management erhofft hatten.

Die Zahl der Baustellen war erheblich: Ein Softwareangebot für die immer beliebter werdenden mobilen Endgeräte gab es praktisch nicht. Die Cloud, in der Salesforce rasant Kunden gewann, war zwar als Trend erkannt, aber noch nicht adressiert worden. McDermott kehrte der alten SAP-Strategie, möglichst alles selbst zu entwickeln, den Rücken. In schneller Abfolge schloss der US-Manager mehrere milliardenschwere Deals ab. Mit Sybase wurde die Smartphone-Lücke adressiert, mit Success Factors, Ariba und Concur der blinde Fleck in der Cloud gefüllt.

Parallel hatte McDermott das Glück, dass schon kurz nach seinem Start mit SAP Hana eine Hochleistungs-Architektur zur Datenanalyse in Echtzeit fertiggestellt wurde, die später als Basis für S/4Hana, den lang ersehnten Nachfolger für R/3, diente. Auch bei der neuen Plattform war Aufsichtsratschef und Chief Software Advisor Plattner treibende Kraft. Der damalige Technologievorstand Vishal Sikka bezeichnete Hana in seinem Blog als „Hasso’s New Architecture“. Mittlerweile ist die Suite S4/Hana in der Cloud der wesentliche Wachstumstreiber für den Dax-Konzern unter CEO Christian Klein. Allerdings dürfte es wohl der letzte große Architekturwechsel sein, den der 78-jährige Mitgründer für SAP vorangetrieben hat. Nach 50 Jahren muss sich SAP nun wohl notgedrungen von dem Mann emanzipieren, der Europas größten Softwarekonzern über ein halbes Jahrhundert geprägt hat. Die personelle Unruhe ist auch vor diesem Hintergrund zu sehen. Plattner wird eine zukunftssicher aufgestellte SAP verlassen wollen. Dass die Welt nach Hasso keine schlechte sein muss, konnte er in seiner kalifornischen Nachbarschaft beobachten. Viele prophezeiten Apple schwere Zeiten ohne den prägenden Gründer Steve Jobs. Heute steht der Konzern besser da denn je. Warum sollte dies SAP nicht auch gelingen?

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