Vermögensanlagen

Grauer Kapitalmarkt soll Auslaufmodell werden

Im wenig regulierten Anlagemarkt soll mit dem Anlegerschutzgesetz manches besser werden. In Berlin dreht sich die Diskussion aber schon um weitere regulatorische Schritte.

Grauer Kapitalmarkt soll Auslaufmodell werden

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Mit den jüngsten Insolvenzen bei Green City und der Deutschen Lichtmiete sind Hunderte von Millionen Euro in Gefahr, die Privatanleger auch über Vehikel des grauen Kapitalmarkts investiert haben. Dabei soll am wenig regulierten Anlagemarkt mit dem Anlegerschutzstärkungsgesetz, das seit Anfang Januar vollumfänglich in Kraft ist, manches besser werden. Das Gesetz sieht Neuerungen für Vermögensanlagen vor, spezielle Anlageformen, die dem grauen Kapitalmarkt zugeschrieben werden. Es geht unter anderem um das Verbot von Blind Pools und eine verpflichtende Mittelverwendungskontrolle.

Die Regulierung sieht zudem eine verpflichtende Beratung bei Vermögensanlagen vor. Außerdem kann die Aufsicht das Prospektverfahren aussetzen, sobald die BaFin Anhaltspunkte für Anlegerschutzbedenken hat. Das Verfahren wird so lange gestoppt, bis die BaFin geprüft hat, ob sie Produktinterventionsmaßnahmen ergreifen muss. Schließlich unterliegen jetzt auch Edelmetall-Investments als Vermögensanlagen der Prospektpflicht. Für die aktuellen Insolvenzen kommen die neuen Regeln jedoch zu spät.

Aus Sicht der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) bleibt ohnehin abzuwarten, ob die eingeführten Vorschriften zu dem gewünschten Ergebnis führen. Für Stefan Loipfinger, Analyst von geschlossenen Fonds und Vermögensanlagen, enthält das neue Gesetz einschneidende Vorschriften, die auch gut umgesetzt seien. Der Gesetzgeber habe diesmal ordentlich gearbeitet. Allerdings könnten Anbieter weiterhin Ausnahmen nutzen, wie sich an einem Prospekt für eine aktuelle Windkraftanlage zeige. Darin stehe, dass die Vermögensanlage kein Treuhandvermögen im Sinne des Gesetzes sei und es demnach keine Mittelverwendungskontrolle gebe. „Es gibt also immer noch Lücken“, sagt Loipfinger.

Rückläufige Zahlen

Der Analyst beobachtet nun zudem, dass die Anbieter das Feld der Vermögensanlagen im Zuge des Anlegerschutzstärkungsgesetzes verlassen. „Die Firmen nutzen die Möglichkeiten im Wertpapierbereich“, sagt Loipfinger und weist auf nicht notierte Wertpapiere hin, bei denen es inzwischen weniger Vorschriften als bei Vermögensanlagen gebe. „Damit läuft die Neuregelung des Vermögensanlagengesetzes ins Leere.“ In den vergangenen Monaten seien kaum Vermögensanlagen aufgelegt worden, seit Jahren sind die Zahlen rückläufig. Insofern könne man schwer überprüfen, inwieweit die neuen Regelungen griffen.

Zum Teilmarkt Crowdinvesting stellt die BaFin jedoch fest, dass dieser weiterhin gleichbleibend belebt sei – aber eben nicht mehr stark steigend wie in den vergangenen Jahren.

Seit Anfang des Jahres veröffentlicht die Bundesanstalt auf ihrer Internetseite die Verkaufsprospekte und weitere Dokumente von Vermögensanlagen. Das Anlegerschutzstärkungsgesetz mache es für Anleger leichter, Informationen zu finden. „Auf diese Weise können Anleger künftig all diese Dokumente an einer zentralen Stelle abrufen, was für mehr Transparenz sorgt“, so die Aufsicht. Aus Sicht der BaFin zeigt das eingeführte Blind-Pool-Verbot be­reits erkennbaren Mehrwert für Anleger. „Insbesondere bei Crowd­investings sind die Anlageobjekte im Vermögensanlage-Informationsblatt nun zu konkretisieren. Anleger können damit deutlicher erkennen, wohin ihre Gelder fließen und woher Zins- und Rückzahlung kommen.“

Laut Analyst Loipfinger ist es jedoch kurios, dass die BaFin jetzt die Prospekte veröffentlicht, obwohl das eine Aufgabe der Anbieter ist. „Man hat den Eindruck, dass die BaFin damit die gesetzlich geforderte Aufgabe der Veröffentlichung übernimmt, die eigentlich der Emittent erfüllen muss.“ Aus Anlegersicht sei es letztlich nicht entscheidend, ob die BaFin oder der Anbieter den Prospekt veröffentlicht.

Regulierung geht weiter

Mit dem Anlegerschutzstärkungsgesetz ist ein weiterer Schritt in der Regulierung des grauen Kapitalmarktes erreicht. Mit der neuen Regierung in Berlin dürfte das nicht das Ende sein. „Wir werden die BaFin beauftragen, Regulierungslücken im grauen Kapitalmarkt zu identifizieren“, schreiben SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag. Darüber hinaus sei es das erklärte Ziel, die Erstellung von Prospekten stärker zu standardisieren. „Wir werden die Fähigkeiten der BaFin bei der Prüfung von Vermögensanlageprospekten weiter stärken“, so der Wortlaut im Vertrag.

Das für die BaFin zuständige Bundesfinanzministerium sagt dazu auf Anfrage: „Diese Themen sind wichtig, und wir wollen sie zügig und zeitnah angehen.“ Unkonkreter geht es kaum, aber in den ersten Wochen hat die neue Regierung möglicherweise andere Prioritäten.

Mit ihren Ideen zum grauen Kapitalmarkt liegt die neue Koalition weitgehend auf einer Linie mit dem Verbraucherschutz. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) fordert schon länger Maßnahmen, die zur vorbeugenden Regulierung beitragen, wie ein Verbot des aktiven Vertriebs oder zumindest die Einführung einer materiellen Prüfung von Produkten des grauen Kapitalmarktes, eine Abschaffung der Prospektausnahme für Schwarmfinanzierungen und eine Überarbeitung des Ausnahmetatbestands für Genossenschaften. Aus Sicht der Verbraucherschützer müsste außerdem geregelt werden, dass die Beweislast innerhalb von Beratungs- und Vermittlungsverträgen umgekehrt wird, verbunden mit einer Verlängerung der Verjährungsfristen bei Beratungs- und Prospektfehlern auf 20 Jahre. Eine lange Liste für ein Marktsegment, das zumindest gemessen an den klassischen Vermögensanlagen ein Auslaufmodell zu sein scheint.

Die SdK möchte beim grauen Kapitalmarkt lieber breiter ansetzen und will „eine immense Stärkung der Anlegerbildung, die zwingend angegangen werden müsste“. Mit der SdK-Forderung einer „unabhängigen Prüfung der Belastbarkeit des verfolgten Geschäftsmodells“ dürfte der BaFin wohl auch bei immer weniger Vermögensanlagen die Arbeit nicht ausgehen.

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