Peloton

Home-Fitness-Trend geht die Puste aus

Für Peloton hat der Corona-Boom ein jähes Ende gefunden. Das Geschäftsmodell hat dennoch nicht ausgedient.

Home-Fitness-Trend geht die Puste aus

Der Hype um den Home-Fitness-Spezialisten Peloton hat sich zwar abgekühlt. Der Markt für interaktive Fitnessplattformen kommt aber noch immer mit hohen Erwartungen daher. J.-P.-Morgan-Analyst Samik Chatterjee rechnet etwa damit, dass dieser von 11 Mrd. Dollar im vergangenen Jahr bis 2026 auf 70 Mrd. Dollar wachsen könnte. Kein Wunder, dass es auch Schwergewichte wie Apple in den Bereich zieht. Der teuerste börsennotierte Konzern der Welt hat seine eigene Plattform Fitness+ gerade erst für iPhone-Nutzer geöffnet. Bislang war der Besitz einer Apple Watch Grundvoraussetzung für die Nutzung. Damit erweitert das Unternehmen den potenziellen Abonnentenkreis um hunderte Millionen Menschen.

Für Platzhirsch Peloton, der zu Beginn der Corona-Pandemie einen kometenhaften Aufstieg – sowohl in den Geschäftszahlen als auch an der Börse – erlebte, ist es die nächste schlechte Nachricht nach einem schwierigen Jahr. Dabei war vor kurzem noch Partystimmung bei dem Börsenneuling. Das Start-up hatte im Geschäftsjahr 2019 (per 30.6.) gerade mal 360000 zahlende Abonnenten für seine digitale Fitnessplattform. Der Umsatz, der zum Großteil aus dem Verkauf von Home-Fitness-Fahrrädern stammte, lag bei 915 Mill. Dollar. Ein Jahr später, wenige Monate nach Ausbruch der Pandemie, hatte sich der Konzernumsatz auf 1,83 Mrd. Dollar verdoppelt. Das Mitte 2021 abgeschlossene Ge­schäfts­jahr war dann mit gut 4 Mrd. Dollar Umsatz das bis dato beste der jungen Konzerngeschichte.

Zu schnell gewachsen

Doch zu diesem Zeitpunkt hing Peloton bereits in den Seilen. Die rasant gestiegene Nachfrage hatte das Unternehmen an vielen Stellen überfordert. Die Wartezeiten auf die Fitnessräder hatten sich von Wochen auf Monate verlängert. Noch schwerer wogen die steigenden Reparaturzeiten. Peloton-Räder werden abgeholt, repariert und dann zurück an die Kunden geliefert. Als diese immer länger auf ihr Gerät warten mussten, schwand erst die Geduld und dann wuchs der Frust. Hinzu kamen Qualitätsprobleme. Gebrochene Klickpedale sorgten für den ersten großen Rückruf. Im Frühjahr 2021 kam es dann zum traurigen Tiefpunkt, als in den USA ein sechsjähriges Kind durch ein Laufband des Unternehmens zu Tode kam. Statt einen sofortigen Rückruf anzuordnen, sprach der Gründer und damalige CEO John Foley zunächst von einem „tragischen Unfall“. Er empfahl Eltern, ihre Kinder vom Peloton-Laufband fernzuhalten. Der Rückruf folgte Wochen später – auf Druck der Öffentlichkeit. Der Imageschaden war gewaltig. Der Aktienkurs von Peloton, der sich binnen zwölf Monaten auf knapp 160 Dollar verachtfacht hatte, halbierte sich binnen weniger Wochen. Aktuell liegt der Kurs nur noch bei rund 8,50 Dollar. Weniger als halb so hoch wie vor der Pandemie und nicht einmal ein Drittel des Ausgabepreises von 29 Dollar.

Hat der Home-Fitness-Trend mit Peloton also abgewirtschaftet? Sicher nicht. Das Beispiel zeigt aber, was passiert, wenn sich Fehleinschätzung an Fehleinschätzung reiht und dann noch strategische Unbedarftheit hinzukommt. Die Strategie, ausschließlich auf eigene Hardware und einen eigenen Service zu setzen, half zwar, die hohen Preise von mehreren tausend Dollar pro Fitnessgerät zu rechtfertigen. Das Wachstum an Personal und Bilanzsumme lief jedoch schnell aus dem Ruder. Dabei war das Geschäftsmodell auch aus der Not geboren. Foley hatte mit seiner Idee bei unzähligen Geldgebern erfolglos vorgesprochen, ehe er sich entschloss, eine erste Version seines Fitnessrads über ein Kickstarterprojekt direkt bei interessierten Kunden zu platzieren – zu 1500 Dollar pro Stück. Als das Erfolg hatte, war das Geschäftsmodell gesetzt: teures Bike und günstige Subskription.

Die Peloton-Fitnessgeräte wurden dabei größtenteils selbst und zum Teil von Auftragsfertigern hergestellt. In dem Moment, in dem die Neukundenakquise erlahmte, be­gann sich das Inventar zu türmen, die Auslastung der Werke ging zurück und Zulieferer, deren Teile man nun nicht mehr benötigte, mussten in dreistelliger Millionenhöhe entschädigt werden. Hinzu kamen Abschreibungen auf das gewachsene Inventar. Quasi über Nacht war ein Ge­schäfts­modell, das nah am Breakeven betrieben werden konnte, zum Fass ohne Boden geworden (siehe Grafik). Mit Einsparungen kommt das Unternehmen dem Tempo, in dem die Neukunden abhandenkommen, nicht hinterher.

Dass das Geschäftsmodell an sich funktioniert, zeigt die Subskriptionsseite. Hier kommt Peloton auf eine Bruttomarge von knapp 68% beziehungsweise einen Ergebnisbeitrag von knapp 1 Mrd. Dollar im vergangenen Turnus. Ohne das Milliardengrab mit eigener Hardware könnte der US-Konzern also profitabel wirtschaften. Diese Strategie haben einige Wettbewerber von Beginn an verfolgt. Der 2014 gegründete Rivale Zwift hat seinen Erfolg wie Peloton im Wesentlichen einer virtuellen Radtrainingsplattform zu verdanken. Anders als der nach Umsatz deutlich größere Wettbewerber stellt Zwift jedoch nur die digitale Plattform und zeigt sich offen für Indoortrainingsgeräte von Drittanbietern.

Breite Zielgruppe

Auch an anderer Stelle unterscheidet sich Zwift. Während Peloton die breite fitnessorientierte Bevölkerung ansprechen will, zielte Zwift von Beginn an auf ambitionierte Radsportler und Triathleten. Das zeigt sich auch an der Auswahl der Stars, die für den jeweiligen Dienst werben. Während für Peloton primär Stars wie Alicia Keys werben, zählt Zwift knapp 2400 Profi-Athleten, die die Plattform nutzen und ihre Trainings über soziale Medien teilen. Die genaue Abonnentenzahl teilt Zwift nicht mit. Geschätzt wird, dass es knapp 1 Million zahlende Kunden gibt. Das wäre etwa ein Drittel der Zahl, die Peloton nennt.

Zwift hat sich zuletzt im September 2020 in einer Finanzierungsrunde 450 Mill. Dollar zu einer Milliardenbewertung gesichert. Eine neuere Bewertung nach Absturz der Peloton-Aktie gibt es nicht. Fest steht aber, dass auch bei Zwift nicht alles rundläuft. Im Versuch, Menschen jenseits der Radsport- und Triathlon-Community für die eigene Plattform zu gewinnen, hatte der Peloton-Konkurrent ebenfalls an einem eigenen Indoor-Fahrrad gearbeitet. Die de­saströse Nachfrageentwicklung beim direkten Wettbewerber hat die Zwift-Führung dann aber offenbar überzeugt, das Projekt wieder fallenzulassen. In der Folge musste US-Medienberichten zufolge im Frühsommer eine dreistellige Mitarbeiterzahl gehen. Für ein Unternehmen der Größe von Zwift (700 Angestellte) ist das ein tiefer Einschnitt.

Für Peloton ist der größte Wettbewerber damit wahrscheinlich weiterhin Apple. Der Konzern aus Cupertino betreibt wie Zwift seine Fitnessplattform nicht, um Geräte zu verkaufen. Anders als bei dem leistungssportorientierten Start-up richtet sich Apples Plattform aber wie Peloton an die breite Öffentlichkeit. Zwischenzeitlich hatte das Unternehmen die Kompatibilität der Apple Watch mit dem Peloton-Bike gestoppt – was einen Aufschrei der Peloton-Kunden zur Folge hatte. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Neben Apple dringen zudem Fitnessgeräte-Spezialisten wie Technogym in den Markt vor. Der seit Februar amtierende CEO Barry McCarthy, der zuvor als Finanzchef von Spotify und Netflix brillierte, wird also mehr leisten müssen, als nur die Finanzen in Ordnung zu bringen. Für den weiter ausbleibenden Erfolg übernahm zuletzt noch einmal Foley die Verantwortung und kündigte diesen Monat seinen Rückzug als Executive Chairman an.

Ein Silberstreif zeichnet sich am Horizont zumindest ab. Die Alterung westlicher Gesellschaften geht mit einem Anstieg der Gesundheitskosten einher. Immer mehr Krankenversicherungen fördern daher Sport und Bewegung ihrer Versicherungsnehmer. Vor wenigen Tagen hat Peloton etwa eine umfangreiche Partnerschaft mit United Healthcare verkündet, die vielen ihrer zehn Millionen Kunden eine Mitgliedschaft bei Peloton inkludieren will. Es dürfte nicht der letzte Deal dieser Art sein.

Von Sebastian Schmid, Frankfurt

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