Mietenpolitik

Im Regulierungs­fieber

Wie immer die Bundestagswahl ausgeht – schon jetzt müssen Privatvermieter und Wohnungsunternehmen davon ausgehen, dass weitere Verschärfungen des Mietrechts ins Haus stehen.

Im Regulierungs­fieber

Über Jahrhunderte war der Brotpreis der wichtigste Preis für die Bevölkerung. Starke Verteuerungen haben Aufstände ausgelöst und zu Revolutionen beigetragen. Der Brotpreis der Moderne ist die Miete. Sie löst zwar keine Umstürze aus, gilt aber als neue soziale Frage. Die insbesondere in Ballungszentren gestiegenen Wohnkosten setzen Haushalte mit geringem Einkommen finanziell zunehmend unter Druck. Selbst Bürgern aus der Mittelschicht fällt es schwer, in gewünschter Lage eine als bezahlbar erachtete Wohnung zu finden. Im bislang erstaunlich profillosen Bundestagswahlkampf wird die Mietenpolitik in den nächsten Wochen eine größere Rolle als bisher spielen. Mieterbündnisse planen eine große Demonstration zwei Wochen vor dem Wahltermin, die Wohnungsthemen nach vorn spülen wird.

In den Wahlprogrammen nimmt bezahlbares Wohnen einen wichtigen Platz ein, wobei die Stoßrichtung naturgemäß unterschiedlich ausfällt. Die Unionsparteien lehnen Eingriffe wie den umstrittenen Mietendeckel explizit ab. Sie setzen vor allem aufs Bauen. CDU und CSU geben das Ziel aus, dass bis 2025 mehr als 1,5 Millionen neue Wohnungen entstehen. Das soll durch Abschreibungsmöglichkeiten, weniger Vorschriften und schnellere Bearbeitung von Bauanträgen gelingen. „Der beste Mieterschutz ist und bleibt ausreichender Wohnraum“, steht im Programm. Wohl wahr. Man fragt sich nur, warum in der ablaufenden Legislaturperiode nicht mehr für den Neubau getan wurde. Schließlich hat die Union mit Horst Seehofer sogar den zuständigen Bundesminister gestellt.

Grüne, SPD und erst recht die Linkspartei machen sich für weitere Verschärfungen des ohnehin stark regulierten Mietrechts stark. Die Grünen beispielsweise wollen ein „Recht auf Wohnen“ ins Grundgesetz schreiben, wofür sie allerdings eine Zweidrittelmehrheit brauchen. Länder und Kommunen sollen die Möglichkeit erhalten, Mietobergrenzen festzulegen – was dann wohl bedeutet, dass darüberliegende Beträge gesenkt werden müssen. Ob solch ein Eingriff in die Vertragsfreiheit vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hat, steht auf einem anderen Blatt. Die Mietpreisbremse wollen die Grünen entfristen und nachschärfen. Derzeit greift die Bremse in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt wie Berlin, Frankfurt, München und Hamburg. Sie schreibt vor, dass Neuvertragsmieten maximal um 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen dürfen. Reguläre Mieterhöhungen wollen die Grünen auf 2,5% im Jahr begrenzen – innerhalb des Mietspiegels. Zudem soll die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen noch mehr erschwert werden. Die Pläne der SPD gehen ungeachtet einiger Abweichungen im Detail in eine ähnliche Richtung. Sie plädiert für ein zeitlich befristetes Moratorium, das Mieterhöhungen in angespannten Wohnlagen auf die Inflationsrate begrenzt, will Schlupflöcher bei der Mietpreisbremse schließen und für den Neubau von 100000 Sozialwohnungen im Jahr sorgen.

Wie immer die Wahl ausgeht und welche Parteien die neue Bundesregierung bilden – schon jetzt müssen Privateigentümer und Wohnungskonzerne davon ausgehen, dass weitere Verschärfungen des Mietrechts ins Haus stehen. Das muss nicht unbedingt ein bundesweiter Mietendeckel sein, der deutliche Mietsenkungen einschließt. Es gibt andere Wege, den Mietenanstieg zu dämpfen. Wie eine bundesweite Mietpreisbremse. Und Anpassungen des Mietspiegels, des wichtigsten Preisbarometers fürs Wohnen. Die noch amtierende Bundesregierung hat den Betrachtungszeitraum bereits von vier auf sechs Jahre ausgeweitet. Das hat zur Folge, dass die ortsübliche Vergleichsmiete, die unter anderem die Anhebung von Bestandsmieten limitiert, tendenziell niedriger ausfällt. Die Grünen plädieren dafür, sogar 20 Jahre alte Mieten einzubeziehen. Mit der Realität am Markt hätte solch ein Mietspiegel nichts mehr zu tun.

Wenn sich die Vermietung wirtschaftlich nicht lohnt, werden mehr und mehr private Eigentümer Wege suchen, sich aus dem Bereich zurückzuziehen. Problematisch ist die Flut an Regulierungsideen auch mit Blick auf die dringend erforderliche energetische Sanierung des Wohnungsbestands. Zur einer ehrlichen Politik gehört, den Bürgern klar zu sagen, dass es den notwendigen Klimaschutz nicht zum Nulltarif gibt. Die weiter verschärften Wärmeschutzvorschriften, die aus ökologischer Sicht notwendig sind, machen das Bauen immer teurer. Das muss sich in den Mieten widerspiegeln. Klimaneutrale Wohnungen und Niedrigmieten – das passt nur zusammen, wenn ein Dritter, also der Staat, die Sanierung bezahlt.

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