LeitartikelTeures Reisen

Luxus Reisen

Angesichts von Reallohnverlusten könnte Reisen bald zum Luxus werden, den sich immer weniger Menschen leisten können.

Luxus Reisen

Luxus Reisen

Von Lisa Schmelzer

Gastronomie, Einzelhandel, Konzertveranstalter – die monatelange hohe Inflation hat allen zugesetzt. Die gedämpfte Konsumlaune hat vielen das Geschäft verdorben, gerade in der Gastronomie hat mancher längst aufgegeben. Ganz anders dagegen die Stimmung in der Reisebranche: Die Touristiker eilen von Umsatzplus zu Umsatzplus, gerade die Deutschen scheinen fürs Reisen Geld zu verprassen, als gäbe es kein Morgen. Auch für das laufende Jahr wird ein Erlöszuwachs erwartet.

Willkommen in Balkonien

Allerdings zeigt der Blick auf die Zahlen 2023 ein differenzierteres Bild. Die Umsätze sind zwar kräftig gestiegen, aber die Zahl der Reisenden ist gesunken – 15% weniger Menschen als vor der Pandemie verreisten im vergangenen Jahr mit Veranstaltern. Ergo sind die Pro-Kopf-Ausgaben für eine Urlaubsreise gestiegen – und zwar kräftig. Reisemanager sprechen von Preissteigerungen von teilweise 20 bis 30%, was deutlich über der Inflation liegt. Das hat mit einem knappen Angebot gerade bei den Flugkapazitäten zu tun, aber auch mit gestiegenen Kosten in den Urlaubsdestinationen – auch Hotels müssen mehr für Strom und Personal ausgeben, zumal in Zeiten von Arbeitskräftemangel. Das alles wird auf den Reisepreis draufgeschlagen und manch einer hübscht noch zusätzlich ein bisschen die Marge auf. Die Urlauber machen das derzeit noch mit.

Die geschrumpfte Zahl der Reisenden zeigt aber auch, dass immer weniger Menschen sich angesichts massiver Reallohnverluste leisten können, Geld fürs Reisen auszugeben. Zunächst wird der jährliche Zweit- und Dritturlaub gestrichen und es wird auf günstigere Zielgebiete ausgewichen – nicht umsonst werden Urlaubsziele im östlichen Mittelmeer wie die Türkei immer beliebter. Dann steigt die Familie aus Kostengründen vom Flugzeug ins Auto um und am Ende bleibt man ganz zu Hause. Manch einer ist längst in Balkonien angekommen, weil angesichts hoher Mieten und gestiegener Lebenshaltungskosten kein Reisebudget mehr übrig bleibt. Auf der anderen Seite gibt es Urlauber, die keine Kosten scheuen (müssen), um es sich in der arbeitsfreien Zeit des Jahres gut gehen zu lassen – vor allem nach der Pandemie hat beispielsweise die Lufthansa in ihrer Business- und First Class immer mehr Privatreisende registriert.

Neue Kunden gesucht

Für den Massentourismus tauglich ist diese Entwicklung allerdings nicht. Denn das Brot-und-Butter-Geschäft vieler Reiseveranstalter lebt nach wie vor vom Transport der halben Republik Richtung Süden. Konzerne wie Tui haben in den vergangenen Jahren zwar das Luxussegment ausgebaut, die Erosion am anderen Ende der Preisspanne gleicht das aber meist nicht aus. Das gelingt spezialisierten Veranstaltern besser, die schon immer auf hochpreisige Reisen gesetzt haben. Bei allen steht nun auf der Agenda, neue Kunden zu gewinnen.

Das dürfte indes nicht leichtfallen, denn bei der Preisentwicklung ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Der Deutsche Reiseverband erwartet 2024 zwar nur einen "moderaten" Anstieg. Allerdings sind die Urlaubspreise nicht allein von der Reiseindustrie abhängig. Es wird beispielsweise erwartet, dass die geplante Erhöhung der deutschen Luftverkehrsteuer Flugreisen verteuert. Auch die Lieferschwierigkeiten bei den Flugzeugherstellern haben womöglich Auswirkungen auf die Urlaubsausgaben. So hat Ryanair wissen lassen, dass wegen der Verspätungen bei Flugzeugauslieferungen das verknappte Angebot zu höheren Preisen führen könnte.

Schuldenberge bremsen Revival der Kreuzfahrten

Tui

Mittelfristig werden zudem strengere Umweltauflagen die Preise für Reisen in die Höhe treiben. Denn wenn Flugzeuge mehr und mehr teures nachhaltiges Flugbenzin in ihre Tanks füllen müssen, treibt das die Kosten der Airlines – was diese auf die Tickets aufschlagen müssen. Wenn Hotels in neue umweltfreundlichere Heizanlagen investieren müssen, wird der Aufwand an die Gäste weitergegeben. Wenn die Kreuzfahrtindustrie klimafreundlichere Antriebe für ihre Schiffe finanziert, werden die Tarife für die beliebten Schiffsreisen steigen. So wird Reisen mehr und mehr zum Luxus, den sich immer weniger Menschen leisten können. Ob die Reisebranche vor diesem Hintergrund eine Wachstumsindustrie bleiben kann, ist fraglich.

Angesichts von Reallohnverlusten könnte Reisen bald zum Luxus werden, den sich immer weniger Menschen leisten können.

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