Notiert inLondon

Londons heißester Treff

Clubs für erfolgreiche Geschäftsfrauen sind in der City offenbar nicht mehr gefragt. Die Londoner Filiale von Chief schließt zum Monatsende die Pforten. Aber Wandergruppen liegen voll im Trend.

Londons heißester Treff

Notiert in London

Londons heißester Treff

Von Andreas Hippin

Über den Niedergang der Gentlemen’s Clubs in London ist viel geschrieben worden. Nur wer öffentliche Aufträge einheimsen will, tut noch gut daran, sich umzuhören, wo Spitzenbeamte und Politiker ihre Freizeit im Ohrensessel verbringen. Ansonsten werden Geschäfte anderenorts angebahnt, seit der Pandemie auch oft über das Internet. In der City spielt es keine Rolle mehr, ob und wo man Mitglied ist. Führungskräfte der Finanzbranche haben in der Regel keine Zeit für mittägliche Ausflüge ins 19. Jahrhundert.

Überkommenes Geschäftsmodell

Der Grund für den Bedeutungsverlust liegt nicht darin, dass es sich in der Regel um Männervereine handelt. Das Geschäftsmodell entspricht einfach nicht mehr den Anforderungen der heutigen Zeit. Auch den einst als Alternative dazu propagierten Clubs für Geschäftsfrauen bricht die Nachfrage weg. Vor zwei Jahren eröffnete der von Carolyn Childers und Lindsay Kaplan gegründete New Yorker Frauenclub Chief in London seine erste Niederlassung im Ausland. Das Unternehmen wurde nach einem Investment der Google-Mutter Alphabet mit 1,1 Mrd. Dollar bewertet. Ende des Monats schließt das Clubhaus in Bloomsbury die Pforten. Die Chance, einmal die prominente Menschenrechtsanwältin Amal Clooney und andere bekannte Frauen zu treffen, zog offenbar nicht genug Interessentinnen an.

Goodbye Chief

Es sei keine einfache Entscheidung gewesen, heißt es in einem Schreiben der Gründerinnen an die Mitglieder. Man wolle sich nun ausschließlich auf das Geschäft in den Vereinigten Staaten konzentrieren, wo 95% der Kundschaft leben. The Wing, ebenfalls ein Frauenclub aus den USA, hatte schon früher das Handtuch geworfen. Nach der Eröffnung einer Niederlassung in Fitzrovia im Jahr 2019 kam die Pandemie. Im August 2020 wurde das Clubhaus in London geschlossen. The Wing war 2016 als flexibles Bürokonzept für Frauen von Audrey Gelman und Lauren Kassan in Manhattan an den Start gebracht worden. Der Coworking-Anbieter Wework investierte in das Unternehmen. Gelman trat 2020 nach Rassismusvorwürfen von Belegschaftsmitgliedern als CEO ab. Nach dem Zusammenbruch von Wework übernahm IWG die Mehrheit. 2022 zog der britische Serviced-Office-Anbieter den Stecker.

Im Wanderfieber

Die Pandemie hat dafür gesorgt, dass das Thema Gesundheit für viele wichtiger geworden ist. Gabrielle Abordo sorgte in den sozialen Medien mit ihrer #VictoriaLineChallenge für Furore. Sie lief die ganze Strecke der Londoner U-Bahnlinie und filmte dabei. Für Katrina Mirpuri vom „Evening Standard“ sind Wandergruppen Londons „heißester Treff“. Gruppen wie The Girls That Walk erfreuen sich großer Beliebtheit. The Lonely Girls Walk Club organisiert regelmäßige Spaziergänge im Norden der britischen Metropole. Er gehört zum Lonely Girls Club, der Frauen über die Einsamkeit des Alltags hinweghelfen will. Mit mehr als 70.000 Mitgliedern ist er eine der größten Communities für Frauen in Großbritannien – auch ohne luxuriöses Clubhaus und horrende Mitgliedsgebühren.

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