Unterm StrichNvidia

Die Blase wird platzen

Der Höhenflug des Chipherstellers Nvidia ist endlich, der Aktienhype eine Blase. In einer Wettbewerbsordnung ist es nur eine Frage der Zeit, bis Innovatoren die Glorreichen Sieben unter den Tech-Werten entzaubern.

Die Blase wird platzen

Nvidia-Hype und Hybris

Von Claus Döring

Der Höhenflug des Chip- herstellers Nvidia ist endlich, der Aktienhype eine Blase. In einer Wettbewerbsordnung ist es nur eine Frage der Zeit, bis Innovatoren die Glorreichen Sieben unter den Tech-Werten entzaubern.

Ein Kurssprung um 220% in nur einem Jahr, die Investoren im Kaufrausch. Der Name des die Märkte begeisternden Unternehmens beginnt mit dem Buchstaben N und endet mit dem Buchstaben a. Doch die Firma heißt nicht Nvidia, sondern Nokia, und der Hype um den damals zum weltgrößten Hersteller von Mobiltelefonen aufgestiegenen Konzern liegt 25 Jahre zurück. Damals begann der TMT-Hype und befüllte eine Aktienblase, die nach der Jahrtausendwende platzte. Auch seinerzeit sprach man von bahnbrechenden Technologiesprüngen, ganz neuen Märkten und gewaltigen volkswirtschaftlichen Effizienzgewinnen. Vor allem Berater und all jene, die mit der neuen Equity Story reich zu werden hofften.

Natürlich ist der Fall heute mit dem „Game Changer“ künstliche Intelligenz (KI) ganz anders und mit früheren Hypes am Aktienmarkt nicht zu vergleichen – sagen die Berater und alle jene, die mit der neuen Story reich zu werden hoffen. Vermutlich haben sie sogar Recht, jedenfalls für die nächsten drei bis fünf Jahre. So lange wird es wohl dauern, bis der KI-Hype einer nüchterneren Betrachtung gewichen ist und die gegenwärtig phänomenalen Margen von Nvidia genug Wettbewerber und Kapazitäten in diesen speziellen Markt der Hochleistungsprozessoren gelockt haben. Dann ist für den Chiphersteller der Gipfel erreicht. Nvidia mag mit Leistungssteigerungen ihrer Chips und Preissenkungen dank Skaleneffekten den Abstieg vom Gipfel hinauszögern können. Doch auch dieses Unternehmen wird sich nicht jener Gesetzmäßigkeit entziehen können, die in der Wissenschaft seit einem Vierteljahrhundert „Innovators Dilemma“ genannt wird.

Nokia beispielsweise konnte sich noch bis zum Jahr 2011 als weltgrößter Handyhersteller behaupten, indem man Telefonie-Funktionen immer weiter perfektionierte. Die Finnen erkannten aber viel zu spät, dass die Handynutzer zusätzliche Dienste auf einer mobilen IT-Plattform mehr schätzen würden als weitere Optimierungen des Vorhandenen. So kam es zum phänomenalen Siegeszug von Apple, die 2007 ihr erstes Smartphone vorgestellt hatten, obwohl die Telefoniefunktion des iPhone nach dem Urteil von Fachleuten die von Nokia gesetzten Standards zunächst nicht erreichte. Anhaltender Erfolg und die damit oft verbundene Hybris, insbesondere falsche Selbstwahrnehmung und Markteinschätzung, führen früher oder später zum Fall einst innovativster Unternehmen, jedenfalls in einer marktwirtschaftlichen Ordnung mit Wettbewerb. Marktführer lassen sich selten auf disruptiven Wandel ein, da sie die Gefahr der Selbstkannibalisierung fürchten. Oft sind es deshalb branchenfremde Unternehmer, die Innovationen anstoßen und neue Märkte schaffen. Man denke an die Autoindustrie, die erst durch Elon Musk und dessen Erfolg mit Tesla die Chancen der E-Mobilität erkannte, man denke an den Einzelhandel, der durch Jeff Bezos und Amazons Erfolg als Online-Händler revolutioniert wurde, man denke an die Telekommunikationskonzerne, die erst durch Mark Zuckerberg und Facebook/Meta das riesige Potenzial des Internets und der Datenwirtschaft vorgeführt bekamen und abgehängt wurden.

Vor diesem Hintergrund ist auch die im vergangenen Jahr gestartete Kursrally der „Magnificent Seven“ als vorübergehendes Phänomen zu sehen.  Einer der Glorreichen Sieben, nämlich Tesla, ist ja schon gestrauchelt, weitere werden folgen – wie im berühmten Film, der am 24. Februar 1961, also vor genau 63 Jahren, in die deutschen Kinos kam und in dem am Ende nur drei der sieben überleben. Ob Temu und Shein schon das Ende der Amazon-Dominanz einläuten und Tiktok jene von Meta, darf bezweifelt werden. Sie sind nur mehr vom Gleichen. Aber gut möglich, dass KI in den nächsten Jahren etablierte Märkte revolutioniert, Innovatoren zum Durchbruch verhilft und neue Weltmarktführer schafft. Die Schaufelverkäufer des jetzigen KI-Goldrauschs, wie Nvidia und andere Chiphersteller, werden nicht dazugehören.