KommentarHalbleiterkonzern

Nvidias Schlagseite bei KI

Der KI-Hype um Nvidia fällt zu einseitig aus. Denn um den Vorsprung vor der Konkurrenz zu wahren, werden die Kalifornier noch gewaltige Summen investieren müssen. Gerade ein milliardenschweres Aktienrückkaufprogramm wirft daher Fragen auf.

Nvidias Schlagseite bei KI

Nvidia

Schlagseite bei KI

Von Alex Wehnert

Der Halbleiterkonzern Nvidia nährt die Börseneuphorie um Künstliche Intelligenz (KI) mit seinen Quartalszahlen und seinem Ausblick – doch der Hype fällt zu einseitig aus. Zwar gelten Nvidia-Prozessoren als wichtigste technologische Grundlage von Anwendungen wie ChatGPT und den aufgemotzten Suchmaschinen von Microsoft und Alphabet, was dem Chipdesigner Erlössprünge beschert und rosige Ausblicke ermöglicht. Die einzigen KI-fähigen Produkte im Markt stellen sie entgegen dem Glauben vieler Anleger aber nicht dar.

Auch die Konkurrenz investiert seit Jahren Milliarden in den Ausbau ihrer KI-Angebots. Und wenngleich ihre Halbleiter bisher weniger leistungsfähig sind als jene von Nvidia, lassen sich bei ihnen doch große Fortschritte beobachten. Advanced Micro Devices (AMD) hat den Marktstart einer neuen Chipserie noch für 2023 angekündigt und will die Produktion kräftig hochfahren. Die AMD-Aktie kommt unterdessen längst nicht so überhitzt daher wie Nvidia.

In diesem Umfeld stimmt ein 25 Mrd. Dollar schweres Aktienrückkaufprogramm von Nvidia einige Analysten zurecht verdutzt. Zwar sind Buybacks in den USA Kernkomponente des Shareholder Return, die Pläne von Nvidia kommen aber zu einem frühen Zeitpunkt. Angesichts des Investitionsaufwands, der bei der Weiterentwicklung hochleistungsfähiger Grafikprozessoren noch fällig wird, stellt sich die Frage, ob der Konzern keine bessere Verwendung für seine liquiden Mittel findet.

Neben weiteren Ausgaben für Forschung und Entwicklung nähme sich auch eine Diversifikation in der Fertigung als vernünftig aus. Schließlich ist Nvidia stark vom taiwanesischen Auftragsfertiger TSMC abhängig. Wenngleich dieser seine Kapazitäten in den USA ausweitet und eine Fabrik in Deutschland bauen will, kann viel Zeit vergehen, bis die Produktion dort reibungslos läuft. Unterdessen reißt die Furcht vor einer chinesischen Invasion in Taiwan nicht ab.

Doch auch ohne einen solchen Angriff wird es für TSMC herausfordernd genug, den Bedarf zu decken. Auch AMD hat die eigene Abhängigkeit vom taiwanesischen Auftragsfertiger als Problem ausgemacht und denkt darüber nach, die Zuliefererstruktur zu verbreitern. Nvidia arbeitet inzwischen auch mit Samsung zusammen und zeigt sich offen für eine Partnerschaft mit Intel. CEO Jensen Huang sollte solche Kooperationsansätze konsequent verfolgen. Den besteht der massive Nachfrageüberhang im Markt fort, dürfte es für Nvidia zunehmend schwieriger werden, das angestrebte Erlöswachstum zu erreichen.