Schanghai

Peking schwelgt im Butterbier

US-Themenparks auf chinesischem Boden sind eine kommerzielle Goldgrube, aber auch ein politisches Minenfeld. Schließlich ist das nicht unbedingt nach dem Geschmack von Chinas Staats- und Parteiführung.

Peking schwelgt im Butterbier

Wie kann man sich die „schönsten Glücksgefühle seit ewig“ einer 30-jährigen Chinesin mit mittleren Einkommensverhältnissen und durchaus patriotischer Gesinnung vorstellen? Nun, ihren atemlosen Erzählungen zufolge hüpfend in Harry-Potter-Kostümierung mit dem obligaten Zauberstab in der einen Hand und einem riesigen Glas schaumigen „Butterbiers“ in der anderen, freudetrunken mit Gleichgesinnten durch den brandneuen Themenpark Universal Studios Beijing. Sie zählte zu denjenigen, die bei den jüngsten Probeläufen des Themenparks mit dabei waren. Das Universal Beijing Resort öffnet zum chinesischen Mondfest auch für das Massenpublikum, und der Andrang ist enorm. Nach dem rasend erfolgreichen Shanghai Disney Resort ist es der zweite große US-Themenpark auf dem chinesischen Festland. Bei 400 Hektar Gesamtfläche und 3,5 Mrd. Dollar Investitionsaufwand alles andere als eine Randveranstaltung.

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Während das Shanghai Disneyland von der Popularität von Micky-Maus und zig anderen Disney-Figuren lebt, kapriziert sich der Pekinger Rivale auf einen Kessel Buntes aus der Filmwelt der Universal Studios und anderen Hollywood-Adressen unter dem Dach des US-Medienriesen Comcast/NBC. Zu den mannigfaltigen Attraktionen des neuen Parks gehört die Harry-Potter-Zauberwelt mitsamt Hogwarts, Hogsmeade Village, der Eulenpost und dem Butterbier als jugendfreiem Malzbier-Sahnekaramell-Gesöff. Weitere Highlights sind Dinosaurierwelten der Jurassic-Park-Filmreihe und die „Minions“ genannten kleinen gelben Kerlchen mit blauer Latzhose und taucherbrillenähnlichen Sehgestellen. Zu­dem kann Universal Beijing auch noch mit Motiven aus den Filmserien Shrek und Kung-Fu-Panda sowie den „Transformers“ genannten Roboter-Ungetümen glänzen.

Halten wir also fest: Chinesen lieben Themenparks mit westlichen Motiven, und westliche Themenparkbetreiber lieben das amüsierfreudige, zahlungskräftige und besonders zahlreiche chinesische Publikum. Schon haben wir ein Geschäftsmodell. China erlaubt freilich keine Alleingänge – die US-Unterhaltungskonzerne­ müssen gemeinsame Sache mit chinesischen Staatsfirmen machen, so dass Investitionskosten und Gewinne geteilt werden. Bei Universal Beijing etwa hält der überaus mächtige Staatskonzern Beijing Tourism Group im Verbund mit anderen staatlichen Investoren eine knappe Mehrheit am Themenpark und dem angegliederten Hotelresort-Komplex.

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US-Themenparks auf chinesischem Boden sind eine kommerzielle Goldgrube, aber auch ein politisches Minenfeld. Es geht schließlich um „Soft Power“ und die Art und Weise, wie die US-Unterhaltungsbranche mit Kitsch, Kreativität und Vermarktungspower dafür sorgt, dass amerikanische Kulturinhalte und Zivilisationswerte überall auf der Welt Verbreitung finden und insbesondere von der Jugend begeistert aufgesogen werden. Das ist nicht unbedingt nach dem Geschmack von Chinas Staats- und Parteiführung.

Bei der Eröffnung von Shanghai Disney ließ der Staatspräsident eine Grußbotschaft verlesen, in der es hieß: „Mit klassischem Disney-Stil und der Beimischung von chinesischen Charakteristika leistet China einen Beitrag zur gegenseitigen kulturellen Verständigung.“ Das war im Juni 2016. Kurz danach folgte der erste Spatenstich für Universal Beijing. Damals konnte man noch nicht ahnen, dass ein gewisser Donald Trump das bilaterale Beziehungsklima völlig ruinieren würde.

Im Dauerstreit mit Washington hat Chinas Regierung mittlerweile wenig Spaß an der Förderung amerikanischen Kulturguts, aber weiter Interesse an US-Investitionsprojekten, die Geld ins Land bringen und Arbeitsplätze schaffen. Um das alles unter einen Hut zu bringen, darf ein Drittel der Attraktionen bei Universal Beijing nichts mit US-Kinowelten zu tun haben, sondern muss „chinesisches Kulturerbe“ reflektieren. Ein trotziger Versuch, die westliche Reizüberflutung teilweise zu kompensieren. Allerdings scheinen die Glücksgefühle der Besucher eindeutig den anderen zwei Dritteln des Amüsierareals zu gelten.