Wohnimmobilien

Schlaraffen­land adé

Die Adler-Turbulenzen sind nicht das einzige Thema, das der Wohnimmobilienbranche zusetzt. Auch das absehbare Ende der Niedrigstzinsen und die Diskussion über eine Marktüberhitzung verunsichern.

Schlaraffen­land adé

Die Attacken von Shortsellern gegen den Wohnungskonzern Adler Group haben weite Teile der Immobilienbranche aufgeschreckt. Die Sorge geht um, dass der Vertrauensverlust auf den ganzen Sektor übergreift. Die Rückschläge bei Aktien- und Anleihekursen sind ein Spiegel für die gestiegene Verunsicherung. Die beiden Marktführer in Deutschland, Vonovia und LEG Immobilien, greifen dem im SDax vertretenen Konkurrenten flugs unter die Arme, so als gelte es, das Feuer zu ersticken, bevor es sich ausbreitet. Eine instabile Adler Group – das kann die Branche nicht brauchen.

Viel hängt jetzt davon ab, wie substanziell die Vorwürfe des britischen Leerverkäufers Fraser Perring gegen Adler letztlich sind. Die Behauptung, die Wohnungen stünden mit viel zu hohen Beträgen in der Bilanz, stößt in der Branche auf erhebliche Zweifel. Denn Wohnungen in Deutschland sind bei internationalen Investoren nach wie vor begehrt. Der Verkauf von knapp 15500 Einheiten in Norddeutschland an LEG erfolgt zu einem Preis, der laut Adler über dem Buchwert liegt, allerdings noch durch eine Werthaltigkeitsprüfung bestätigt werden muss. Kritischer könnte die Bewertung der Immobilienprojekte sein. Hier kann es größere Fragezeichen geben, vor allem falls Projekte von links nach rechts geschoben und Bewertungen nach oben gesetzt wurden. Das eigentliche Risiko für Adler liegt aber darin, dass der Zugang zum Finanz- und Kapitalmarkt stark erschwert ist. Das kann sich zu einem ernsthaften Problem entwickeln, sollte größerer Refinanzierungsbedarf entstehen. Vor dem Hintergrund ist nachvollziehbar, warum Adler den Verkauf großer Teile des Immobilienvermögens angekündigt hat.

Die Adler-Turbulenzen sind nicht das einzige Thema, das der Branche zusetzt. Ein anderes ist die Diskussion über eine Überhitzung des Marktes. Nachdenklich stimmt beispielsweise eine Studie der Schweizer Großbank UBS, die dem Frankfurter Wohnimmobilienmarkt das höchste Blasenrisiko weltweit zuschreibt. Seit Jahren klettern die Wohnungs- und Häuserpreise in Deutschland mit höheren einstelligen Prozentsätzen. Zuletzt waren es sogar mehr als 10%. In Großstädten fallen die Preisschübe oft noch heftiger aus. Die Mieten legen zwar ebenfalls zu, aber erheblich langsamer. Die Folge ist eine Entkoppelung von Hauspreisen und Mieteinnahmen. Damit steigt die Bewertung der Immobilien, ähnlich wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis einer Aktie bei steigenden Aktienkursen. Über stärker steigende Mieten lässt sich die Schere zwischen Cash-flows und Kaufpreisen kurzfristig nicht schließen. Das scheitert schon an der Regulierung des Sektors. Zudem sind einkommensschwache Haushalte schon heute oft kaum in der Lage, ihre Miete zu stemmen. Bleibt eine Dämpfung der Häuserpreise. Kein Wunder, dass vermehrt Warnungen vor einer Überhitzung laut werden.

Auch der Rückenwind von der Zinsseite ebbt ab. Damit droht der Transmissionsriemen zu reißen, der den Immobilienfirmen über Jahre enorme Buchgewinne beschert hat. Die Niedrigstzinsen haben nicht nur den Zinsaufwand verringert, sondern auch die abgezinsten Cash-flows aus der Vermietung in die Höhe getrieben. Damit stieg der Wert der Wohnungen, was wiederum Spielraum für neue Kredite schuf, weil die Nettoverschuldung am Wert des Immobilienbestands gemessen wird. Das neue Fremdkapital konnten die Unternehmen für den Erwerb weiterer Bestände oder ganzer Immobilienfirmen nutzen. Am perfektesten hat Vonovia diesen Mechanismus genutzt. Die frühere Deutsche Annington ist, ausgehend vom Erwerb der Eisenbahnerwohnungen vor zwei Jahrzehnten, mit immer neuen Übernahmen zu Europas führendem Branchenplayer mit mehr als einer halben Million Wohnungen auf­gestiegen.

Grundsätzlich funktioniert der Zins-Bewertungs-Mechanismus natürlich auch in umgekehrter Richtung. So weit ist es nicht, doch die jüngsten Kursverluste zeigen, dass Investoren die Risiken sensibler wahrnehmen. Die steigenden Inflationsraten signalisieren, dass die Zinsen nicht ewig so niedrig wie derzeit bleiben werden. Zuletzt sind die Verbraucherpreise in Deutschland bereits um mehr als 4% geklettert, der höchste Anstieg seit Dezember 1993. In den USA liegt die Inflationsrate sogar über 5%. Die Immobilienkonzerne müssen sich also auf steigende Finanzierungskosten einstellen. Zugleich schrumpfen die Spielräume für Höherbewertungen, wenngleich die hohe Wohnungsnachfrage den Markt nach wie vor stützt. Die beste aller Welten ist erst einmal Geschichte für die Wohnimmobilienkonzerne.

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