Madrid

Spanische Opposition zerfleischt sich selbst

Nach einem atemberaubenden und in aller Öffentlichkeit ausgetragenen Machtkampf muss der Vorsitzende der konservativen Volkspartei in Spanien gehen. Der Vorgang trägt mitunter Mafia-ähnliche Züge.

Spanische Opposition zerfleischt sich selbst

In der Politik kommt es bekanntlich oft viel schneller, als man denkt. Doch das Tempo, in dem sich die größte spanische Oppositionspartei in wenigen Tagen selbst zerlegt hat, versetzte das an bizarre Wendungen gewöhnte Publikum in Staunen. Vor zwei Wochen hatte der Vorsitzende der konservativen Volkspartei PP, Pablo Casado, nach dem knappen Sieg bei den Regionalwahlen in Kastilien und León mit Pauken und Trompeten behauptet, der Wechsel im Lande sei unaufhaltsam und er werde im nächsten Jahr den Sozialisten Pedro Sánchez als Regierungschef ablösen. Am Dienstag hielt Casado dann vor dem erweiterten Parteivorstand seine Abschiedsrede. Auf einem Sonderparteitag Anfang April wird aller Voraussicht nach Alberto Núñez Feijóo, der langjährige Ministerpräsident der konservativen Hochburg Galicien, zum Nachfolger gewählt.

Der plötzliche Sturz Casados hat mehr Anstrich von „Der Pate“ als exemplarischer Politik. Der Grund ist ein Machtkampf zwischen dem 41-jährigen scheidenden Parteichef und der 43-jährigen Regierungschefin der Region Madrid, Isabel Díaz Ayuso. Beide kannten sich aus der gemeinsamen Zeit bei der Jugendorganisation der PP und waren Freunde. Nachdem Casado 2018 den durch ein konstruktives Misstrauensvotum gestürzten Ministerpräsidenten Mariano Rajoy in der Parteiführung beerbte, setzte er die wenig bekannte Díaz Ayuso an die Spitze der Madrider Regionalregierung. Im Mai 2021 nutzte die unorthodoxe Politikerin mit einer ziemlich freakigen Kampagne unter dem Motto „Freiheit“ die Pandemiemüdigkeit der Hauptstädter aus und erzielte einen grandiosen Erfolg. Seitdem hegt sie höhere Ambitionen und Casado begann, um seinen Posten zu fürchten.

Dann wurden dem PP-Chef Informationen über einen vermeintlichen Missbrauchsskandal zugetragen, der seiner Rivalin schaden könnte. Deren Bruder, Tomás Díaz Ayuso, wurde von der Firma eines gemeinsamen Kindheitsfreundes der Geschwister bezahlt im Zusammenhang mit der Beschaffung von Atemschutzmasken nach Ausbruch der Pandemie 2020. Die Firma, Priviet Sportive, ohne Erfahrung im Gesundheitsbereich, hatte von der autonomen Regierung Madrids einen Auftrag im Wert von 1,5 Mill. Euro erhalten. Casado zog Díaz Ayuso zur Rechenschaft. Die beteuerte, dass die Geschäfte ihres Bruders rechtmäßig waren. Das Thema verschwand bis zu den vorgezogenen Wahlen in Kastilien und León. Die PP schnitt trotz des Sieges viel schlechter ab, als Casado eingeplant hatte. Zwei Tage später berichteten Medien über vermeintliche Erpressungsversuche der PP-Führung gegen Díaz Ayuso. Vertraute Casados sollen sogar einen Privatdetektiv kontaktiert haben, um mehr über die verdächtigen Geschäfte des Bruders herauszufinden. Der Machtkampf brach in voller Härte öffentlich aus. Díaz Ayuso begab sich in die Opferrolle. Casado hielt dagegen und bezichtigte die Parteifreundin ziemlich unverblümt der Korruption.

Doch der Schuss ging nach hinten los. Nach und nach ergriffen andere Spitzenpolitiker der PP Partei für Díaz Ayuso und rechneten mit Casado ab. Dieser musste schließlich gehen. „So eine Behandlung habe ich nicht verdient“, klagte er am Dienstag beim Abschied vor dem PP-Gremium. Der Korruptionsverdacht gegen Díaz Ayuso, die bis heute einige Fragen offengelassen hat, wog offenbar weniger als die Tatsache, dass Casado die eigene Parteifreundin damit attackierte. Manche Kommentatoren in Spanien zogen Vergleiche zur „Omertà“ der Mafia, wo die Loyalität zum eigenen Klan über allem steht.

Mit Núñez Feijóo, der in Galicien viermal eine absolute Mehrheit holte, wird nun wohl eines der Schwergewichte der PP die Opposition anführen. Sein Politikstil ähnelt eher dem von Rajoy, ebenfalls Galicier, wie auch Manuel Fraga, der Gründer der Partei und frühere Innenminister unter Francisco Franco, der – nun ja – ebenfalls aus Galicien stammte. In Spanien erwartet man nun eine gemäßigtere Opposition, nach dem teils absurd aggressiven Kurs Casados, der nicht davor zurückschreckte, den vermeintlich unsauberen Umgang der Sánchez-Regierung mit den Fonds aus dem europäischen Aufbaufonds in Brüssel anzuschwärzen. Der Fall des Vertrags für die Schutzmasken liegt derweil nun bei der Staatsanwaltschaft.