LeitartikelImmobilienmarkt

Stillstand mit Folgen

Hohe Finanzierungskosten, stark gestiegene Materialpreise und der immense Ausgabenbedarf für die energetische Sanierung untergraben die Wirtschaftlichkeit von Immobilieninvestitionen.

Stillstand mit Folgen

Immobilienmarkt

Stillstand mit Folgen

Von Helmut Kipp

Die Immobilienkonzerne stehen vor weiteren Wertverlusten. Sinkende Preise und hohe Schulden setzen den Firmen enge Grenzen.

Als Deutschlands größter Vermieter Vonovia im Frühjahr binnen weniger Tage zwei größere Verkaufsabschlüsse verkündete, hoffte die Branche auf eine Wende am darniederliegenden Transaktionsmarkt. Doch das war voreilig. Die Belebung lässt auf sich warten. Auch im zweiten Quartal verharrte der Markt in Schockstarre. Verkaufswillige und Kaufinteressenten finden nach wie vor selten zueinander. Zu weit liegen die Preisvorstellungen auseinander. Potenzielle Verkäufer halten an alten Erwartungen fest, während Kaufwillige signifikante Abschläge verlangen.

Die zustande kommenden Deals sind meist kleinteilig. Ganze Portfolien kauft kaum jemand, schon gar nicht zu Preisen am Buchwert. Insbesondere Wohnungen in energetisch suboptimalem Zustand oder in peripheren Lagen stoßen auf wenig Nachfrage. Rapide gestiegene Zinsen und der immense Investitionsbedarf in Energieeffizienz und Heiztechnik lähmen Investoren. Der Wohntransaktionsmarkt sei nahtlos vom Winterschlaf in die Sommerpause übergegangen, konstatiert der Immobiliendienstleister und -investor CBRE. Demnach ist das Investmentvolumen in Deutschland im ersten Halbjahr um gut 60% auf 3,1 Mrd. Euro eingebrochen. Das zweite Quartal 2023 war das schwächste seit 2011. Obwohl die Preise für Wohnimmobilien seit einem Jahr abwärts tendieren und die Mieten weiter steigen, sind die Kaufpreismultiplikatoren zu hoch, gemessen an den Zinsen. Erst wenn die Mietrenditen im Bestand wieder klar über den Kosten für neues Fremdkapital liegen, wäre der Weg frei für eine nachhaltige Belebung des Transaktionsmarkts.

Die großen Wohnungsunternehmen bringt die Lethargie in Kalamitäten. Nach Jahren der akquisitionsgetriebenen Expansion wollen sie durch die Bank Bestände abgeben. Ihnen geht es darum, die Verschuldung zurückzuführen und beizeiten Liquidität für fällige Rückzahlungen anzusammeln. Nach dem Motto: Cash ist King, nicht Assets. Alternative Geldquellen stehen nur eingeschränkt zur Verfügung. Der Gang an den Kapitalmarkt ist prinzipiell möglich, aber problematisch. Kapitalerhöhungen verbieten sich, weil die Aktienkurse viel zu niedrig sind. Zu groß wäre die Verwässerung der Aktionäre. Anleiheemissionen sind, sofern überhaupt machbar, infolge der Risikoaversion von Bondinvestoren so teuer, dass sie aus Emittentensicht unattraktiv erscheinen. Bleiben besicherte Bankdarlehen. Sie sind günstiger als Bonds und daher momentan erste Wahl für Refinanzierungen, aber aufwendiger und vom Volumen her kleiner. Zudem reduzieren sie die verbleibende Haftungsmasse für unbelastete Kredite.

Fallende Wohnungspreise verstärken den Verkaufsdruck noch, denn sie erhöhen den Verschuldungsgrad in Relation zum Immobilienvermögen, eine der wichtigsten Kennziffern in der Branche. Das wiederum erschwert und verteuert neue Finanzierungen. Marktteilnehmer gehen davon aus, dass die turnusmäßige Neubewertung zum Halbjahr signifikante Wertminderungen offenlegen wird, auch wenn die hohe Mieternachfrage und der geringe Neubau die Preise tendenziell stützen. Die in Düsseldorf ansässige LEG hat eine saftige Abwertung um 7% per Ende Juni angekündigt. Zuvor hatte Wettbewerber Grand City Properties im Mai Abschreibungen von 5% im laufenden Jahr avisiert. Vonovia hat per Ende März eine außerplanmäßige Bewertungsrunde eingelegt und 3,6% auf den Verkehrswert des Bestands vom Jahresende 2022 abgeschrieben. Damit haben die Bochumer zwar einen Teil des mutmaßlichen Korrekturbedarfs in diesem Jahr verarbeitet, doch das dürfte es kaum gewesen sein.

Vor diesem Hintergrund fehlt den Aktien der großen Wohnungsvermieter die Kraft für eine klare Kurserholung. Nach dem vorangegangenen Absturz bewegen sich viele Notierungen im Großen und Ganzen seitwärts. Als gutes Zeichen gilt die zuletzt unerwartet niedrige Inflationsrate in den USA, doch in Europa bleiben die Preissteigerungen hoch. Somit ist keinesfalls ausgemacht, dass der Zinserhöhungszyklus alsbald in eine Entspannungsphase übergeht. Nach Abzug der Preissteigerung bewegen sich die Realzinsen vielfach noch immer tief im negativen Bereich. Für den Wohnungssektor, der aufgrund seiner Kapitalintensität sehr zinssensibel ist, bleiben die Rahmenbedingungen schwierig.