Paris

Umkämpfter Baumstamm

Die Bûche de Noël gehört für Franzosen zu Weihnachten wie der Eiffelturm zu Paris. Die Inflation macht jedoch auch vor ihm nicht halt.

Umkämpfter Baumstamm

Alles reserviert, hieß es Sonntagabend in zahlreichen Cafés und Bars in Paris. Vor allem in der Nähe zentraler Orte wie den Champs-Élysées hatten Fußballfans Mühe, ohne Reservierung einen freien Platz im Warmen zu finden, um das Finale der Weltmeisterschaft zu sehen. Sie seien von der Bastille 3,5 Kilometer weit nach Belleville gelaufen, bevor sie in einem Café Sitzplätze zum Fußballgucken ergattert hätten, berichten Freunde. Doch nach dem Sieg Argentiniens im Elfmeterschießen herrschte auf den Champs-Ély­sées schnell wieder gähnende Leere. Den Fußballfans, die nach dem ersten Ausgleichstor von Kylian Mbappé Hoffnung geschöpft hatten, war einfach nicht nach Feiern zumute. Entsprechend ruhig verlief der Abend für die 2750 Polizisten und Gendarmen, die das Innenministerium vorsorglich in Paris eingesetzt hatte, wo im Falle eines Sieges 200000 bis 500000 Menschen auf den Champs-Élysées erwartet worden waren.

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Sie sei für Weihnachten dasselbe wie der Eiffelturm für Paris, meinen Franzosen: Die Bûche de Noël – der sogenannte Weihnachts-Baumstamm – ist aus ihrem Feiertagsmenü nicht wegzudenken, ob als traditionelle, mit Buttercreme gefüllte Biskuitrolle, als Eisdessert oder ausgefallene Kreation. Mehr als acht Millionen Bûches werden jedes Jahr verkauft, vor allem die mit Schokolade. Für französische Konditoren, die 15% bis 20% ihres Umsatzes in der Weihnachtszeit machen, aber auch für Restaurants und Luxushotels ist die Bûche de Noël ein Aushängeschild. Entsprechend häufen sich Pressemitteilungen, in denen diverse Etablissements ihre diesjährige Bûche-de-Noël-Kreation präsentieren.

Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. So hat sich Konditor-Weltmeister Étienne Leroy für Lenôtre einen Weihnachtsbaumstamm in Form eines traditionellen Holzchalets einfallen lassen, Patissier Anthony Coquereau für das Luxushotel Fouquet’s eine Bûche in Form einer Schneekugel. 180 Euro kostet die Edel-Bûche bei Lenôtre, die des Fouquet’s 80 Euro. Pierre Hermé, einer der bekanntesten Patissiers des Landes, bietet gleich eine Kollektion sieben verschiedener Bûches in unterschiedlichen Größen an, vom Mini-Baumstamm für eine Person für 10 Euro bis zur Bûche d‘exception „Tout Paris“ für zehn bis zwölf Personen für 250 Euro. Sie ist trotz ihres Preises ausverkauft. Ladurée, bekannt vor allem für seine Macarons, bietet ebenfalls sechs verschiedene Modelle an.

Der Markt für die Weihnachts-Baumstämme ist hart umkämpft, denn neben Patisserien und Pralinenherstellern buhlen Supermarktketten wie Carrefour und Casino mit wesentlich preiswerteren Varianten um die Gunst der Kunden. Allerdings sind in ihnen fast immer viel zu viele künstliche Zusatzstoffe enthalten, moniert die Verbraucherschutzvereinigung Que choisir, die für die Dezember-Ausgabe ihres Magazins 61 Bûches de Noël von Supermarktketten getestet hat. Zudem gehört das beliebte Weihnachtsdessert zu den Produkten, bei denen Hersteller nach Angaben des Vereins Foodwatch angesichts der Inflation offenbar gerne auch mal den Inhalt schrumpfen und trotzdem denselben Preis verlangen.

Nach Angaben der öffentlich-rechtlichen Lokalradiosender France Bleu, die zusammen mit France Info und NielsenIQ jedes Jahr einen typischen Weihnachtswarenkorb zu­sammenstellen, gehören Bûche de Noêl in Eisform für sechs Personen zu den Feiertagsspezialitäten, deren Preise mit einem Plus von 11,8% im Vergleich zu 2021 am stärksten gestiegen sind. Sie kostet jetzt im Schnitt 9,53 Euro. Für den gesamten Weihnachtswarenkorb für sechs Personen, zu dem neben dem Weihnachts-Baumstamm auch Foie Gras, Räucherlachs, Pute mit Esskastanien, Äpfel und Nüsse sowie eine Flasche Champagner und Pralinen gehören, müssen Verbraucher nun im Schnitt 117 Euro ausgeben, 10 Euro mehr als vor einem Jahr. Längst nicht alle Franzosen können jedoch mehr Geld für das Weihnachtsfest ausgeben. Deshalb sind die Verkäufe von Foie Gras, Schokolade und Champagner im November deutlich schleppender angelaufen als 2021. Die Inflation macht viele Franzosen zu Schnäppchenjägern.