Tokio

Und wieder verschwindet ein Park

Tokio ist bereits arm an Grünflächen, demnächst dürfte ein weiterer Park in der japanischen Hauptstadt für immer verschwinden. Schuld daran ist die Politik der Stadtregierung, die Profitgier begünstigt.

Und wieder verschwindet ein Park

Die Modernisierung der städtischen Parkanlage Jingu Gaien erregt die Gemüter in der japanischen Hauptstadt. Dabei soll der viertälteste Baseballplatz der Welt abgerissen und durch einen seelenlosen Neubau ersetzt werden, ebenso wie ein 75 Jahre altes Rugbystadion. Die vorhandenen öffentlichen Sporteinrichtungen in dem Park sollen ganz verschwinden – Futsalplätze, Baseballfelder, ein Golfabschlagplatz und ein kleines Baseballstadion. An ihrer Stelle sind zwei neue gewaltige Bürohochhäuser geplant.

Dazu muss man wissen: Tokio ist wahrlich keine grüne Stadt. Wer sich auf die Aussichtsplattform im 45. Stock des Tokioter Rathauses im westlichen Stadtteil Shinjuku begibt, sieht aus 202 Metern Höhe in jeder Himmelsrichtung ein graues Häusermeer, das sich bis zum Horizont ergießt. Eine grüne Lunge wie den Central Park in New York gibt es nicht. Die zwei größten Grünflächen dienen der Unterbringung der Kaiserfamilie und ihrer Angehörigen. Deswegen sind diese Parks für die Öffentlichkeit größtenteils gesperrt.

Trotz dieses Mangels an Grün schreitet die Verdichtung durch neue Büro- und Wohnhochhäuser unerbittlich fort. Der größte Teil des Jingu Gaien ist zwar als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. Aber die Stadtregierung von Tokio hat 2011 ihre Politik für Parks und Grünflächen überarbeitet. Seitdem soll der Privatsektor dabei helfen, die „ungenutzten Flächen“ in jenen öffentlichen Parks, die älter als 50 Jahre sind, zu entwickeln. Auf diese Weise können Parks oder Grünflächen durch Vorschläge des Privatsektors abgeschafft oder verändert werden.

Der auf dieser Basis vorangetriebene Umbau von Jingu Gaien löste lokale Schockwellen aus. Die Entwickler hatten zum Beispiel geheim gehalten, dass sie 971 Bäume fällen wollten. Darauf begannen Kampagnen für die Parkerhaltung. Sammlungen von Unterschriften folgten. Auch ein Beratungsgremium der Unesco forderte eine Überarbeitung der Pläne. Die Aktivisten verwiesen auf die fast 100-jährige Geschichte des Baseballstadions. Dort spielten 1934 die legendären US-Baseballstars Lou Gehrig und Babe Ruth während einer Tournee durch Japan.

Aber die hinter dem Projekt stehenden Unternehmen – der Immobiliengigant Mitsui Fudosan, das Handelshaus Itochu, der Meiji-Jingu-Schrein und der Japanische Sportrat – bekräftigten, die veralteten Parkgebäude müssten für die nächsten 100 Jahre neu entwickelt werden. Als einzige Konzession versprachen sie, einen berühmten Alleekorridor aus Gingkobäumen zu erhalten und die Zahl der zu fällenden Bäume um 40 % zu verringern. „Diese Reaktion auf den Widerstand der Öffentlichkeit ist arrogant“, zitierte die Zeitung „Japan Times“ die Reaktion eines Kampagnenführer. „Es ist eine einzige Täuschung, wenn ein solches Unternehmen von nachhaltiger Entwicklung und Klimawandel spricht“, klagte der Mann.

Der wahre Antreiber für dieses Bauvorhaben ist Profitgier. Einem Artikel in der Zeitschrift „Diamond“ zufolge wollen die Bauträger 130 Mrd. Yen (930 Mill. Euro) durch den Verkauf sogenannter „Luftrechte“ einnehmen. Wenn ein Stadtgebiet zur Sanierung ausgeschrieben wird, dann dürfen die Grundstücksbesitzer dort höhere Häuser bauen. Häufig verkaufen sie einen Teil der zusätzlich genehmigten Geschossfläche an andere Entwickler im selben Gebiet, um ihre eigenen Baukosten zu verringern. Deswegen ist die Modernisierung von Parkanlagen besonders lukrativ, da dort bisher nur niedrige Häuser stehen. Dadurch ist das zusätzliche Bauvolumen, das sich teuer weiterverkaufen lässt, besonders groß.

Jeder ahnt, was Jingu Gaien blüht: Die städtische Modernisierungspolitik hat nämlich bereits einmal einen bekannten Park komplett zerstört. Anlässlich der Olympischen Spiele 2020 verwandelten der Stadtbezirk Shibuya und der Entwickler Mitsui Fudosan den Miyashita-Park in der Nähe des Bahnhofs von einer Grünfläche mit hohen Bäumen in ein Einkaufszentrum mit ein paar Sträuchern auf dem Dach. Dort befinden sich die üblichen Geschäfte von Weltmarken wie Adidas, Louis Vuitton und Gucci sowie ein betonierter Freizeitbereich mit Kletterwand und Skateboardpisten. Vom Park Miyashita blieb nur der Name übrig.

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