Notiert InMadrid

Von Doñana nach Lützerath

Eine Delegation des Bundestages ist in Spanien ins Kreuzfeuer des Wahlkampfes geraten und brach daher einen Besuch ab, bei dem man die Folgen der Dürre studieren wollte.

Von Doñana nach Lützerath

Von Doñana nach Lützerath

Notiert in Madrid

Von Thilo Schäfer

Die überraschende Vorverlegung der Parlamentswahlen um ein halbes Jahr hat in Spanien vieles durcheinandergewirbelt. Ministerpräsident Pedro Sánchez reagierte mit der Einberufung von Neuwahlen am 23. Juli auf die Schlappe seiner Sozialisten und des linken Koalitionspartners bei den regionalen und kommunalen Wahlen am 28. Juni. Die Konsequenzen des vorgezogenen Wahlkampfes bekamen nun auch die Mitglieder des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz des Bundestags zu spüren.

Am Montag saßen die neun Abgeordneten wie seit Monaten geplant im Ministerium für Umwelt und Energiewende in Madrid, als der Besuch kurzfristig abgesagt wurde, und zwar aus „Respekt für die demokratischen Institutionen und Prozesse des jeweils anderen Landes“. Die Bundestagsabgeordneten waren bewusst oder unbewusst zum Thema des stark polarisierten Wahlkampfes geworden. Der Anlass der Reise war, sich ein Bild von den Folgen der schweren Dürre in Spanien zu machen. Dazu stand im Anschluss an Madrid ein Besuch im besonders trockenen Andalusien an.

Vorgesehen war auch ein Besuch des Nationalparks Doñana, eines der größten und ökologisch wertvollsten Feuchtgebiete Europas. Weite Teile des Parkes sind bereits ausgetrocknet, was nicht allein an der Dürre, sondern auch am Wasserverbrauch der Landwirtschaft liegt. Die konservative Regionalregierung von Andalusien hatte vor Wochen die Zulassung Hunderter illegaler Brunnen beschlossen, die hauptsächlich der Bewässerung der Erdbeerfelder dienen, einer der wichtigsten Zweige der lokalen Landwirtschaft. Die linke Koalitionsregierung von Sánchez ging mit der konservativen Volkspartei (PP) scharf ins Gericht. Die Europäische Kommission drohte Spanien mit Strafen wegen des unzureichenden Umweltschutzes und die Unesco erwog, dem Nationalpark Doñana die Auszeichnung als Weltnaturerbe zu entziehen, sollten die Brunnen zugelassen werden.

Schließlich machte der Aufruf zum Boykott der Erdbeeren aus der andalusischen Provinz Huelva durch die Organisation Campact in Deutschland, die mehr als 150.000 Unterschriften sammelte, in den spanischen Medien Schlagzeilen. Vor wenigen Tagen drang dann die Meldung des Besuchs der Bundestagsdelegation durch. Die Konservativen beschuldigten die Sánchez-Regierung, die deutschen Parlamentarier als politische Waffe im Wahlkampf einzusetzen. „Würde Deutschland den Besuch einer Delegation spanischer Abgeordneter in den Braunkohleabbaugebieten, welche den Ort Lützerath verschlungen haben, akzeptieren?“, fragte die Tageszeitung „ABC“ in einem Leitartikel. Angesichts der Politisierung des Besuchs aus Deutschland beschloss der Bundestag am Montag, die Reise abzubrechen.

Der ökologisch problematische Umgang mit dem Nationalpark Doñana ist bezeichnend für die Einstellung der Volkspartei, die große Chancen hat, Sánchez am 23. Juli an der Macht abzulösen. Die PP stellt die kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen tendenziell vor die Bekämpfung des Klimawandels. Nach den Erfolgen bei den Regionalwahlen schicken sich PP und die rechtsextreme Vox nun vielerorts an, gemeinsam zu regieren. Auf den Balearen begrüßte die Hotelbranche den bevorstehenden Machtwechsel mit Enthusiasmus. Die Linksregierung hatte versucht, den Tourismus auf den Inseln aus Umweltschutzgründen mit Moratorien und anderen Maßnahmen zu zügeln. Nun hoffen die Hoteliers auf ein „Ende des ideologischen Interventionismus“.

Fraglich ist, was bei einem Regierungswechsel nach dem 23. Juli mit den Milliarden an EU-Geldern geschieht, die für die Energiewende und den Klimaschutz vorgesehen sind. Die zuständige Ministerin Teresa Ribera sagte am Montag, sie habe bei der PP gar keinen Ansprechpartner, der sich mit diesen Themen beschäftigt. Immerhin, wenn die Wahlen vorbei sind, kann der Ausschuss seine Reise nach Andalusien vielleicht wieder aufnehmen.

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