Frankfurt

Warten auf Real oder ManCity

Frankfurt fiebert dem Achtelfinale der Eintracht in der Champions League entgegen – gerade auch im Bankenviertel.

Warten auf Real oder ManCity

Die Menschen in Frankfurt treiben derzeit zwei Fragen um: Wie lange wird Peter Feldmann noch Oberbürgermeister bleiben? Und gegen wen spielt die Eintracht im Achtelfinale der Champions League?

Am Montag findet mittags die Auslosung der Partien im schweizerischen Nyon statt. Zur Erinnerung: Vor elf Jahren spielte die Eintracht noch in der zweiten Liga gegen Ingolstadt, Aachen und den FSV. Zu Wochenbeginn wird sich nun entscheiden, ob sie im Februar gegen Real Madrid antritt. Oder gegen Manchester City oder Chelsea. Oder gegen Porto, Benfica oder Neapel. Wow!

Viele zwischen Sachsenhausen und Bonames hoffen natürlich darauf, ins Estadio Santiago Bernabéu in Spaniens Hauptstadt zu reisen. Aber die Spielstätten der anderen Gegner wären natürlich auch hochattraktiv. Zumal weil es mancher in Frankfurt nach den großartigen Spielen gegen Marseille und Lissabon gar nicht mehr für so utopisch hält, dass die Eintracht ins Viertelfinale einzieht – und dann könnte sie ja immer noch gegen die Königlichen aus Madrid auflaufen. Einige wenige Frankfurter träumen gar von einem Finale am 10. Juni im Atatürk-Stadion in Istanbul unter Beteiligung der SGE – und argumentieren damit, dass der Eintracht ja auch niemand den Erfolg in der Europa League im vorigen Jahr zugetraut habe.

Derlei Träumereien sind wiederum für diejenigen, die der Frankfurter Eintracht etwas distanzierter gegenüberstehen, der augenscheinlichste Beleg für das Vorurteil, dass am Main alle gleich durchdrehen, sobald das Team mit dem Adler auf der Brust mal einen Lauf hat. Und ganz von der Hand zu weisen ist dieser kritische Einwand in der Tat nicht.

Zwar hält sich der Verein seit einem Jahrzehnt in der Bundesliga. Aber davor war wenig mit solider Fußballkunst, sondern zwischenzeitlich auch immer mal wieder Rumpelfußball: In den Neunziger- und Nuller-Jahren war die Eintracht eine typische Fahrstuhlmannschaft – vier Abstiege, vier Aufstiege. Und bei aller Begeisterung für die jüngsten Erfolge darf man nicht ausblenden, dass es gerade einmal wenige Wochen her ist, als der Klub in Schwarz-Weiß von formschwachen Wolfsburgern 1:0 und von zuvor sieglosen Bochumern 3:0 geputzt wurde. Kurzum: Einiges spricht dafür, dass die Diva auch heute noch immer recht launisch ist.

Grundsätzlich verändert hat sich allerdings die Wahrnehmung in der Stadt – und vor allem im Bankenviertel. War die Eintracht noch in den Neunzigern eine Equipe, die nach Ansicht der Banker nicht als Werbeträger für die Matadoren am Finanzplatz taugte, so haben sich in den zurückliegenden Jahren die Sponsoren aus der Kreditwirtschaft geradezu um die Eintracht gebalgt: Die Helaba dominierte einige Zeit die Bandenwerbung, das Logo der Deutschen Börse zierte das Trikot – und die beiden größten Privatbanken der Stadt mühten sich darum, den Namen Waldstadion durch Commerzbank-Arena oder Deutsche-Bank-Park zu verdrängen. Übrigens mit überschaubarem Erfolg. Denn spätestens am Buffet im Gemalten Haus ist nur noch vom „Waldstadion“ die Rede.

Die Zahl der bekennenden Anhänger ist spürbar gewachsen. Wobei es fast schon verpönt ist, wenn sich jemand als Eintracht-Fan outet. Um einigermaßen satisfaktionsfähig zu sein, muss man sich eigentlich als Eintracht-Mitglied ausweisen können. Oder zumindest als regelmäßiger Gast wahlweise in der Loge oder bei den Spielen im europäischen Ausland.

Wie so oft, wenn die Begeisterung dem Trend und nicht dem Herzen folgt, hat die wundersame Vermehrung der Eintracht-Schwärmer zur Folge, dass man auf der Tribüne immer öfter auf Heiopeis trifft, die zwar mit allerlei Fanartikeln geschmückt den eingefleischten Eintrachtler verkörpern wollen, die aber erkennbar weder das Trauma von Rostock durchlitten noch den Übersteiger von Jan Aage Fjörthoft gefeiert haben und auch mit „Bruda, schlag den Ball lang“ nichts anfangen können, sondern denen die Eintracht im Grunde fremd ist. Neulich saß einer neben mir, der von der Tribüne aus unten auf dem Grün Makoto Hasebe mit Evan Ndicka verwechselte. Hand aufs Herz: In solchen Momenten geht einem schon die Idee eines temporären Stadionverbots durch den Kopf.

                                               (Börsen-Zeitung,

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