Schanghai

Werbung macht den Meister

Was die Werbung angeht, ist China längst zur Fußball-Großmacht aufgestiegen. Sportlich gibt es allerdings noch Entwicklungsbedarf.

Werbung macht den Meister

Das Zerplatzen englischer Fußballträume beim Europameisterschafts-Finale hat die durchaus fußballbegeisterte chinesische Nation emotional wenig berührt. Zum einen, weil es wegen der happigen Zeitverschiebung nur äußert hartgesottene Nachtschwärmer fertig gebracht haben, bis zum letzten verschossenen Strafstoß wach zu bleiben. Zum anderen konzentriert sich Chinas Fußballinteresse in erster Linie auf die absoluten Weltstars des Metiers, also Cristiano Ronaldo und Lionel Messi. Entsprechend solidarisiert man sich mit den Geschicken der Nationalmannschaften Portugals und Argentiniens. Zumindest bei Letzterer gibt es dieses Mal wenig Grund zu klagen, denn immerhin hat Argentinien mit dem hochverehrten „Meixi“ als Spielführer am Wochenende bei der parallel zur EM gelaufenen Südamerika-Meisterschaft Copa America erstmals seit Jahrzehnten wieder den Titel davongetragen.

Was die Partizipation Chinas an den großen Fußballereignissen angeht, konstatiert die heimische Presse eine makellose Erfolgsbilanz bezüglich des Sponsorenauftritts chinesischer Firmen. Mit dem Zahlungssystemriesen Ant Group, dem TV- und Haushaltsgerätehersteller Hisense, dem Smartphonebauer Vivo und der Video-App Tiktok gehörten vier chinesische Adressen zu den zwölf Hauptsponsoren der EM. Von dem sowieso schon rasend populären Videodienst Tiktok einmal abgesehen, dürfte den chinesischen Firmen das Brand Building im europäischen Raum nicht sonderlich viel helfen. Geräte von Hisense und Vivo sind im Markt kaum vertreten und mit Ant Group beziehungsweise dem Smartphone-Bezahldienst Alipay kann der Europäer schon dreimal nichts anfangen.

Marketinggurus betonen freilich, dass es den zahlungskräftigen chinesischen Sponsoren, die auch bei der letzten Fußballweltmeisterschaft begeistert bei der Sache waren, um etwas anderes geht. Die eigentlichen Adressaten der laufenden Bandenwerbungsberieselung in den vergangenen vier Wochen seien die heimischen Fernseh- und Handyzuschauer. Werbeexperten zufolge soll es nämlich das heimische Publikum mit besonderem Stolz und einem gehörigen Schuss Patriotismus erfüllen, wenn sie sehen, dass wohlvertraute Marken auch in der Weltöffentlichkeit Präsenz zeigen. Das erfüllt den chinesischen Verbraucher mit wohligen Globalisierungsgefühlen in einer Zeit, da es der Pekinger Staatsführung mit der Betonung von Weltmachtansprüchen und maoistischen Anwandlungen wesentlich leichter fällt, Feindbilder aufzubauen, als sich neue Freunde zu machen.

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Zu einer gescheiten „Welteroberung“ gehört es aber eigentlich auch, mit der eigenen Fußballnationalmannschaft global aufzutrumpfen, aber jenseits des Damenfußballs mangelt es dem 1,4-Milliarden-Volk noch immer an gescheiten Kickern. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. In nur achtzehn Monaten steht schon die nächste Fußballweltmeisterschaft an – und China darf ausnahmsweise diesmal sogar davon träumen, mit dabei zu sein.

Jahrelang hat sich China dabei auf internationale Beihilfe gestützt und teure ausländische Erfolgstrainer wie den früheren Italien-Coach und WM-Gewinner 2006, Marcelo Lippi, mit Millionensalären ins Reich der Mitte gelockt. Die haben getan, was sie konnten, sind aber am bescheidenen Talentreservoir im menschenreichsten Land der Er­de schier verzweifelt. Auch Lippi hat nach einem zweiten Anlauf letztlich entnervt das Handtuch geschmissen. In der Not hat man auf einen heimischen Trainer ohne glorreichen Lebenslauf zurückgegriffen und setzt nun auf patriotische Energieschübe und Mannschaftsgeist.

Und siehe da, in der ersten Asien-Qualifikationsrunde hat man Gegner wie die Philippinen, die Malediven und das erbsengroße Guam bezwungen und landete hinter dem bürgerkriegszerrütteten Syrien noch auf dem zweiten Platz. Es läuft also prima. Ein unglückliches Losschicksal will allerdings, dass bei der Endausscheidung im September Japan, Korea und Australien, sprich Asiens führende Fußballmächte, bezwungen werden müssten. Im Zweifelsfall ist China bei der WM 2022 in Katar dann doch wieder nur als Bandenwerbungs-Champion mit von der Partie.

              (Börsen-Zeitung,