Leitartikel Prozess

Zu spätes Cum-ex-Geständnis

Die Urteile im jüngsten Frankfurter Cum-ex-Prozess, die am 30. Januar verkündet werden sollen, dürften wohl nur für den Maple-Banker eine Bewährungsstrafe vorsehen. Der angeklagte Steueranwalt dürfte aufgrund seiner Mittäterschaft und seines späten Geständnisses kaum um eine Haftstrafe herumkommen.

Zu spätes Cum-ex-Geständnis

Prozess

Zu spätes Cum-ex-Geständnis

Im Frankfurter Cum-ex-Prozess dürfte nur einer der beiden Angeklagten mit einer Bewährungsstrafe davonkommen.

Von Thomas List

Bewährungsstrafen für beide Angeklagte im Cum-ex-Prozess vor dem Landgericht Frankfurt – so soll das für den 30. Januar angekündigte Urteil nach Ansicht der Verteidigung lauten. Zumindest im Fall von Ulf Johannemann, Ex-Steuerchef der renommierten Großkanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, erscheint dies wenig wahrscheinlich. Um das zu verstehen, hilft ein Blick zurück zum Prozessbeginn.

In der damals verlesenen Anklageschrift wird der Schaden für den Fiskus auf rund 389 Mill. Euro beziffert und die von Johannemann erbrachte Beratungsleistung auf 1,3 Mill. Euro. Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass sein Verteidiger Werner Leitner vor wenigen Tagen in seinem Plädoyer betonte, sein Mandant habe von Cum-ex nicht profitiert.

"Erkennbar fadenscheinig"

Johannemanns Argumente für die in der Maple Bank camouflierend "German Pair Strategy" genannten Cum-ex-Geschäfte waren für die Anklage "erkennbar fadenscheinig", seine Schriftsätze "Gefälligkeitsgutachten", die Sachverhalte "gezielt falsch dargestellt" – ein für einen renommierten Steuerrechtler vernichtendes Urteil.

Die Verteidigung sieht das ganz anders. Die Gutachten seien "nicht rechtlich falsch", so Leitner in seinem Plädoyer, und damit eben keine Gefälligkeitsgutachten. Es sei dort durchaus auf "streitige Rechtsfragen" verwiesen worden. Dieser Hinweis ist wohl eher als Feigenblatt zu werten – auch wenn Leitner den Aufsichtsgremien der Bank vorwirft, sie hätten deshalb die Cum-ex-Strategie nicht genehmigen dürfen. Tatsächlich wurde sie von 2006 bis 2009 in großem Stil durchgeführt – wobei die Handelspartner genau absprachen, wann jeder seinen "Handelsknopf" drückt.

Von alledem nichts gewusst

Von alledem will Johannemann nichts gewusst haben; ja, er fühlte sich von der Bank hinters Licht geführt. Ende 2019 dann der Paukenschlag: Johannemann kam für einen knappen Monat in Untersuchungshaft und verließ die Kanzlei. Freshfields zahlte 50 Mill. Euro an den Maple-Insolvenzverwalter und 10 Mill. Euro, um einen Prozess zu vermeiden. Zu einem offiziellen Schuldeingeständnis rang sich der Anwalt erst am 18. Dezember 2023 durch, als er vor Gericht die uneingeschränkte Verantwortung für sein Tun übernahm.

Das Geständnis dürfte zwar helfen, aber aufgrund seines späten Zeitpunkts und seiner durch das vorherige Zwischenfazit des Vorsitzenden Richters Werner Gröschel ("hohe Verurteilungswahrscheinlichkeit") "erzwungenen" Natur wohl nicht so weit, dass eine Haftstrafe ausbleibt. Da wird auch die lange Verfahrensdauer – immerhin sind seit der ersten Tathandlung 18 Jahre vergangen – nichts helfen, die im Übrigen der Angeklagte nicht durch eigene Aufklärungsbeiträge zu verkürzen half.

Berufliche Existenz in Scherben

Der Steueranwalt steht mit Anfang 50 vor den Scherben seiner beruflichen Existenz, zu deren Zerbrechen er allerdings maßgeblich beigetragen hat. Auch dieser sicherlich für ihn und seine Familie sehr belastende Umstand, auf den auch sein Verteidiger hinwies, wird das Gericht wohl kaum zu wesentlichen Strafrabatten veranlassen.

Ganz anders dürfte es beim zweiten Angeklagten, dem Ex-Maple-Bank-Manager W. aussehen. Er zeigte sich von Anfang an geständig und leistete frühzeitig Zahlungen von über 10 Mill. Euro, sodass sein Privatvermögen praktisch aufgebraucht ist. Sogar der Staatsanwalt forderte nur eine Bewährungs- und eine Geldstrafe. Die Chancen stehen gut, dass das Gericht dem Folge leisten wird.

Urteile dürften bisheriger Linie folgen

Die Urteile vom 30. Januar dürften der bisherigen Linie der Cum-ex-Prozesse folgen: Wer frühzeitig kooperiert und geständig ist, kann meist mit Bewährungsstrafen rechnen. Wer jedoch meint, alles sei rechtens gewesen oder sich erst zur späten Einsicht eines Fehlverhaltens durchringt und eine wesentliche Rolle bei der Durchführung der Cum-ex-Geschäfte gespielt hat, der wird um eine Haft kaum herumkommen. Dazu kommen Reputationsschäden für beteiligte Banken und Kanzleien. Da wird in den kommenden Prozessen noch einiges kommen.

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