LeitartikelESG-Reporting

Zugkräftige Regulierung

Die Pflicht zum ESG-Reporting ist ein Kraftakt, unterstützt Unternehmen aber in der Transformation zur Nachhaltigkeit.

Zugkräftige Regulierung

ESG-Reporting

Zugkräftige Regulierung

Von Sabine Wadewitz

Die Pflicht zum ESG- Reporting ist ein Kraftakt, unterstützt Unternehmen aber in der Transformation zur Nachhaltigkeit.

Mit dem Jahreswechsel ist die Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der europäischen Corporate Sustainability Reporting Directive scharfgeschaltet worden. Der Pflicht zur weitreichenden Offenlegung nichtfinanzieller Kennzahlen müssen im ersten Schritt große börsennotierte Gesellschaften nachkommen, weitere Firmen folgen in den kommenden Jahren. Die Richtlinie betrifft 50.000 Unternehmen in der EU, allein 15.000 in Deutschland. Sie läutet ein neues Zeitalter in der Rechnungslegung ein.

Viele große deutsche Konzerne legen schon seit einigen Jahren Nachhaltigkeitsberichte vor, das Thema ist ihnen nicht fremd. Gleichwohl ist die Umsetzung der CSRD-Richtlinie auch für sie ein Kraftakt, weil die neuen Vorgaben deutlich umfangreicher sind und erheblich ins Detail gehen: "Wir sind von allem betroffen", ist aus großen Unternehmen mit Blick auf die Anzahl maßgeblicher Regelungen zu hören. Plötzlich muss ein Wust an Daten standardisiert in oft Hunderten Tochtergesellschaften weltweit abgefragt und beurteilt werden, um zu einem ESG-Gesamtbild zu kommen. Das Reporting muss zudem in einem großen Kreis an Stakeholdern abgestimmt werden. Und viele Unternehmen müssen das Feld noch breiter abstecken, als es die Regulierung verlangt, um die Nachhaltigkeit des Portfolios in Gänze darzustellen. So wird in der Praxis beklagt, dass positive ESG-Beiträge über Klimaziele hinausgehen, was über die Vorgaben der EU-Taxonomie nicht immer darstellbar sei. Am Ende will man aber ungeachtet der Regulierung für Transparenz und Vergleichbarkeit in der Nachhaltigkeit sorgen.

Die Lernkurve ist steil, sind doch die europäischen Standards für das ESG-Reporting in Rekordzeit erarbeitet worden. Der Vorlauf war anders als einst bei der Einführung der internationalen Finanzberichterstattung äußerst kurz und für viele ein Sprung ins kalte Wasser. Die Konzerne waren gezwungen, auf die Schnelle große neue Reporting-Abteilungen aufzubauen, Prozesse anzupassen, die Zusammenführung von finanziellem und nichtfinanziellem Reporting einzuleiten und die Nachhaltigkeitsberichterstattung in Richtung Corporate Finance zu lenken. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Bemühungen um neue Leistungskennzahlen und Metriken in einem Regulierungsrahmen vollziehen, der noch alles andere als ausgereift und konsistent ist. Mancher Konzern muss feststellen, dass nicht alle seiner Wirtschaftsaktivitäten in den europäischen Standards abgebildet werden. Und über allem steht die Frage der globalen Standardisierung des ESG-Reportings. Noch ist offen, inwieweit die europäischen Nachhaltigkeitsstandards Teil der internationalen Regulatorik werden. Immerhin scheint auf Seiten der Standardsetzer der Wille zur Harmonisierung tief ausgeprägt zu sein.

Dicke Bretter bohren müssen die Anwender mit der neu eingeführten sogenannten doppelten Wesentlichkeit, die Unternehmen dazu zwingt, nicht nur externe ESG-Einflüsse auf ihre Wertschöpfung zu bewerten, sondern auch wesentliche Auswirkungen ihres Geschäfts auf Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft. Insbesondere der Blick aus dem Unternehmen heraus wird mit Blick auf verlässliche Analysen als Herausforderung betrachtet – vor allem, wenn es um die Abschätzung möglicher künftiger Einflüsse geht. Hier müssen sich Standards noch herausbilden.

Positiv ist anzuerkennen, dass bei allem Wehklagen während des Regulierungsprozesses inzwischen die Meinung vorherrscht, dass Nachhaltigkeitsberichterstattung eine gute Sache ist. Mancher Unternehmensvertreter bezeichnet die EU-Taxonomie unterdessen sogar als "cooles Konzept". Und wenn man nicht um das Thema herumkommt und die Regulierung auf Dauer angelegt ist, will man ihr einen positiven Spin geben und es nicht bei Reporting-Exerzitien belassen.

Auch bei weniger Euphorie setzt sich die Einschätzung durch, dass die Konzerne mit dem neuen Reporting-Instrumentarium ein Werkzeug in der Hand haben, das über Transparenz zu Performance motiviert und die notwendige Transformation der Unternehmen voranbringt. Die Einsicht dürfte aber auch davon befördert sein, dass verschiedenste Stakeholder weiter Druck aufbauen werden.

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