Notiert inMailand

Korruptes Italien

Der riesige Bestechungsskandal in Genua ist kein Einzelfall. Der Fall ist in gewisser Weise typisch für das Land.

Korruptes Italien

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Korruptes Italien

Von Gerhard Bläske

Sex and crime. Der in Genua aufgedeckte Bestechungssumpf hat all das, was dem Klischee des korrupten Italiens entspricht. Die Justiz ermittelt gegen einen großen Teil der politischen und wirtschaftlichen Elite der größten Hafenstadt des Landes. In Untersuchungshaft sitzt der langjährige Chef der mächtigen Hafenbehörde und derzeitige CEO des börsennotierten Versorgers Iren, Paolo Emilio Signorini. Unter Hausarrest stehen der Regionalpräsident Giovanni Toti und der sehr einflussreiche Unternehmer Aldo Spinelli, Chef eines Logistikunternehmens mit diversen Container-Terminals im Hafen. Weitere Politiker der Mitte-rechts-Regionalregierung, aber auch der Linken, Unternehmer und Mitglieder einer mafiaähnlichen Struktur sind ebenfalls verhaftet worden. Die lokale Zeitung „Il Secolo XIX“ spricht von einem „geköpften Genua“.

Die Betroffenen waren angeblich quasi Befehlsempfänger Spinellis, dem sie eine 30-jährige Konzession für ein riesiges Hafenterminal gewährten, das er zusammen mit MSC, Großaktionär des Hamburger Hafens, führt. Außerdem durfte Spinelli an einem geschützten, öffentlichen Strandabschnitt bauen. Auch Unternehmer aus der Müllbranche und die Supermarktkette Esselunga, die beschleunigte Baugenehmigungen erhielt, mischten mit. Es geht ferner um Geschäfte mit Corona-Masken und Mauscheleien bei Covid-Impfungen. Auch kriminelle Organisationen waren dabei und sollen Stimmen für Toti gekauft haben, der sein Amt „vorübergehend“ niedergelegt hat.

Auch EU-Wiederaufbauprogramm betroffen

Toti, ein Berlusconi-Zögling mit nationalen Ambitionen, und Signorini, ein unscheinbarer Funktionärstyp, sollen hohe Geldsummen erhalten haben. Signorini, der sein Amt ruhen lässt, ließ sich wohl zig Luxushotel-Aufenthalte, Abendessen, Aufenthalte im Spielcasino sowie teure Luxusgeschenke für Geliebte von Spinelli finanzieren.

Der Ruf der Stadt ist ruiniert. Riesige Projekte wie der Hafenausbau, neue Infrastrukturen und ein Tunnel unter dem Hafen, die mithilfe des Europäischen Wiederaufbauprogramms NextGeneration finanziert werden, könnten sich verzögern. Bei der Auftragsvergabe ist es wohl nicht mit rechten Dingen zugegangen.

Anderswo sieht es nicht besser aus. Die Stadt Bari wurde kürzlich unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt: Teile der linken Stadtregierung ließen angeblich von kriminellen Organisationen Wählerstimmen kaufen. „Befreundete“ Unternehmen sollen Aufträge erhalten haben, Jobs an „Freunde“ vergeben worden sein. Auch die Regionalregierung ist verwickelt. Ähnliche Fälle gibt es in Palermo und in Turin.

Das verstärkt Zweifel, dass Italien die gigantischen Mittel aus Europa vernünftig ausgibt. Es gibt Ermittlungen, was die Auftragsvergabe bei NextGeneration angeht. Auch bei dem enormen staatlichen Hilfsprogramm für die ökologische Sanierung von Gebäuden, das den Steuerzahler 220 Mrd. Euro kostet, wurden Betrugsfälle in Milliardenhöhe aufgedeckt.

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