Nachhaltige Transformation

Die Vorschläge des Sustainable-Finance-Beirats der Bundesregierung sind vage, aber dennoch weitreichend

Nachhaltige Transformation

Wie die Regeln für ein nachhaltiges Finanzwesen einmal aussehen werden, ist im Detail offen. Auch der Beirat der Bundesregierung bleibt zuweilen unkonkret, wirft aber viele Ideen auf. Das Gremium gibt damit einen Impuls für künftige Regulierung. Die Folgen für die Finanzbranche dürften umfassend sein.Von Jan Schrader, FrankfurtFestlegen wollen sich die Experten nicht konkret – weder zu der Frage, wie genau Banken und Sparkassen die Klimarisiken in der Kreditvergabe eines Tages erfassen müssen, noch, welche Daten Unternehmen und Investoren zur Nachhaltigkeit zusätzlich ausweisen sollen, und auch nicht, wie Finanzprodukte künftig im Detail klassifiziert werden. Und doch wird der Zwischenbericht, der in Kürze vom Sustainable-Finance-Beirat der Bundesregierung veröffentlicht wird, die Diskussion über neue Vorschriften für die Finanzbranche in Fahrt bringen. Der Beirat, der im Juni 2019 auf Initiative der SPD-geführten Bundesministerien für Finanzen und für Umwelt seine Arbeit aufnahm, hat einen weiten Fokus und will die “Bedeutung einer nachhaltigen Finanzwirtschaft für die große Transformation” festhalten, wie ein Entwurf für einen Zwischenbericht zeigt. Das Papier liegt der Börsen-Zeitung vor. Die Zeit ist reifDie Vorschläge zu Berichtspflichten, zum Risikomanagement, zur Klassifizierung von Finanzprodukten und zur Schulung von Führungskräften und Finanzberatern dürften neben anderen Ideen Politik und Regulierer unter Zugzwang setzen, wenn sie neue Regelwerke in die Praxis umsetzen. Denn der Bericht fällt in eine Phase, in der eifrig an zahlreichen Regelwerken gearbeitet wird.So hat die Europäische Union im Dezember eine Offenlegungsverordnung publiziert, die ab März 2021 gültig sein wird, während sich die EU ebenfalls im Dezember auf einen vorläufigen Kompromiss zur Taxonomie geeinigt hat, also auf Eckpunkte für ein Klassifizierungssystem zu Klima- und Umweltaspekten bestimmter Wirtschaftszweige. Im kommenden Jahr dürfte dann die Frage zur Nachhaltigkeit in der Wertpapierberatung verankert werden, was den Vertrieb von Finanzprodukten prägen wird. Die Bundesregierung muss sich derweil noch entscheiden, wie sie die kapitalgedeckte Altersvorsorge weiterentwickelt, während Regulierungsbehörden die Rolle von Nachhaltigkeitskriterien für die Finanzstabilität und das Risikomanagement beleuchten. Alle Vorhaben werden von dem Zwischenbericht auf die ein oder andere Weise adressiert. Daher dürfte der 38-seitige Entwurf trotz fehlender Details Wirkung entfalten.Ein wichtiges Thema ist die Offenlegung: Über nichtfinanzielle Aspekte müssen große börsennotierte Gesellschaften bereits heute berichten, der Beirat denkt jedoch über eine “schrittweise Ausweitung der berichtspflichtigen Unternehmen” nach. So könnten alle Kapitalgesellschaften mit mehr als 500 Mitarbeitern in die Pflicht genommen werden – auch jene, “die nicht kapitalmarktorientiert sind”. Auch sollen kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) zur Offenheit “ermutigt” werden. Die Experten schlagen vor, für die Berichte eine überschaubare Anzahl einheitlicher Indikatoren vorzugeben, etwa zu CO2-Emissionen oder zu Unfallraten und Todesfällen. Eine öffentliche Datenbank soll Angaben speichern. Offen bleibt, welche Daten konkret in Frage kommen.Für Finanzprodukte sieht der Beirat ein stufenartiges Bewertungssystem vor: “keine Schwarz-Weiß-Klassifizierung”, sondern “Transparenz bezüglich aller Abstufungen der Nachhaltigkeitsbeiträge”. Das System soll auf der EU-Taxonomie aufbauen und der Bewertung anderer Produktgruppen im Prinzip ähneln, etwa einem Energieeffizienz-Label für elektrische Geräte. Aus Sicht des Beirats zählen aber nicht nur die Pariser Klimavorgaben, sondern auch die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Sie reichen von der Bekämpfung von Armut und Hunger über die Förderung von Gesundheit und Bildung, Geschlechtergleichheit und Frieden bis hin zum Schutz von Leben im Wasser und auf dem Land, neben anderen. Auch bleibt offen, welche Kriterien im Detail zählen. Dann schult mal schön!Zum Konzept verschiedener Verbände der Finanzwirtschaft, die Wertpapierprodukte in drei Kategorien einteilen wollen – neben “Impact” und “ESG” soll es demnach eine abgespeckte ESG-Variante geben -, äußert sich der Beirat nicht ausdrücklich. In die Quere kommt der Beirat der Branche eher bei der Schulung der Mitarbeiter im Vertrieb, die künftig auch nachhaltige Produkte verkaufen müssen. Die deutsche Finanzaufsicht BaFin soll der Branche nach Vorstellung des Beirats einen Schulungsumfang vorgeben, und zwar nicht nur für Führungskräfte, sondern auch für die Finanzberater. Ziel ist dabei “eine produkt- und anbieterneutrale Übersicht” sowie Zusammenhänge zwischen der Anlagestrategie und gesellschaftlichen Nachhaltigkeitszielen.Vage bleibt das Papier mit Blick auf das Risikomanagement: Nachhaltige Kriterien sollen in die regulären Systeme integriert und “wissenschaftsbasiert” und “zukunftsgerichtet” via Stresstest und Szenario-Analyse erfasst werden. Dabei zählen direkte Klimarisiken (“physisch”) und Kosten eines Wandels der Wirtschaft (“transitorisch”). “Im Sinne der Methodenfreiheit” soll Spielraum bleiben, wie die Modelle aussehen. Die allgemeinen Aussagen sind kaum überraschend, denn eine etablierte Praxis gibt es noch lange nicht. So hat etwa die EZB betont, dass klimabezogene Stresstests aufwendiger als herkömmliche Verfahren seien. Unklar seien etwa der Zeithorizont, die Abzinsung künftiger Schäden, das Verhalten der Politik und technologisch bedingte Ereignisse.Details stehen also aus, konkrete Regeln sind somit noch fern – auffällig ist gleichwohl der Ehrgeiz des Gremiums. “Es reicht nicht aus, sich lediglich auf die Stärkung grüner und nachhaltiger Parallelstrukturen zu konzentrieren.” Anders ausgedrückt: Die Regulierung soll für alle gelten.