Ausblick

Halten die Schutzmauern?

Sind die Banken ausreichend geschützt gegen die wirtschaftlichen Rückschläge und Kreditausfälle? Die Prognosen sehen dieses Mal besser aus – dank der Fortschritte seit der Finanzkrise.

Halten die Schutzmauern?

Die Einschläge kommen immer näher für die europäischen Banken und Sparkassen. Rezession infolge von Krieg und Energiekrise, Bremsspuren im Kreditgeschäft, mehr faule Kredite, steigende Verwaltungskosten durch Inflation – die große Frage im neuen Jahr lautet also: Halten dieses Mal die Schutzmauern der Banken? Ihre Ausgangslage ist grundsätzlich eine viel bessere als zu Zeiten der Finanz- und Staatsschuldenkrise. Das bescheinigen unzählige Studien. Doch die aufgeplusterten Kapitaldecken und die höheren Liquiditätsbestände sind nicht bis ins Unendliche belastbar. Zudem unterscheidet sich die Lage von Institut zu Institut, je nach Disposition im Kreditportfolio mit Blick auf gefährdete Unternehmen, je nach Geschäftsgebiet oder je nach persönlicher Historie der zuvor durchlaufenen Krisen und Gesundheitsreformen. Und was bedeutet das für die sich bietende Chance der in Europa beschlossenen Transformation der Wirtschaft in Richtung Klimaschutz und Nachhaltigkeit, wenn die Geldhäuser eventuell wieder mehr mit der Nabelschau beschäftigt sind? Was, wenn die positiven Effekte der Zinswende auf die Banken zu lange auf sich warten lassen?

Historische Tiefs bei Vorsorge

Viele Unsicherheiten begleiten daher das Jahr 2023 im Finanzsektor. Aber immerhin lässt sich im Überblick über den europäischen Sektor sagen: Die Rückstellungen für faule Kredite waren in der jüngeren Vergangenheit auf historischen Tiefs, insbesondere hierzulande. Auch hat sich die Kreditqualität verbessert, wenn man diese mit der Darlehensqualität vergleicht, die vor der Finanzkrise üblich war, wie die Ratingagentur Scope festhält. Konservativere Kreditvergabekriterien sowie belastbarere Sicherheiten sind mit den Krediten verknüpft. Verursacht auch durch eine strengere Regulierung, die für eine bessere Kapitalausstattung und höhere Liquiditätsquoten gesorgt hat.

Auf der Einnahmenseite hat sich schon jetzt die eingeleitete Zinswende positiv bemerkbar gemacht. Dies hat es den Banken ermöglicht, ihre Nettozinsspanne zu erhöhen, da die Kreditzinsen schneller gestiegen sind als die Einlagenzinsen. Für 2022 erwartet McKinsey daher für die Kreditinstitute weltweit, dass sie ihre Erträge um 345 Mrd. Dollar auf 6,5 Bill. Dollar steigern. Die durchschnittliche Eigenkapitalrendite werde zwischen 11,5 und 12,5 % liegen und damit so hoch sein wie seit 2007 nicht mehr, bevor die Finanzkrise ausbrach. Allerdings dürfte die erwartete weltweite Rezession, wenn auch abgemildert durch die staatlichen Stützungsmaßnahmen, die Eigenkapitalrenditen auf 7 %, die der europäischen Häuser auf 6 % und hierzulande auf mehr als 5 % drücken, meint die Beratungsgesellschaft.

Zugleich wächst der Druck auf der Kostenseite. Hier machte sich im laufenden Jahr die Inflation bereits bemerkbar wie auch höhere regulatorische Kosten aus Abwicklungsfonds und Einlagensicherungsgebühren, wie eine Studie der Deutschen Bank festhält. Nach den ersten neun Monaten lagen deren Berechnungen zufolge bei den europäischen Adressen die Betriebskosten im Jahresvergleich um 6 % höher.

Verdoppelung in Sicht

Alle Prognosen gehen nun davon aus, dass die Rezession in den kommenden Monaten oder Jahren für höhere Risikovorsorge in den Büchern der Banken und Sparkassen sorgt, was die Kapitaldecken unter Spannung setzen wird. EY schätzt, dass sich der Anteil notleidender Kredite am gesamten Kreditvolumen in Deutschland 2023 voraussichtlich von zuletzt 1,2 % auf 2,3 % verdoppeln wird. Für die gesamte Eurozone wird ein Anstieg von 2,6 % auf 3,3% prognostiziert. Für 2024 sollen es in Deutschland 2,5 % und in der Eurozone 4,2 % sein. Für die Eurozone wäre das ein noch vergleichsweise niedriger Wert, betrug doch die Quote der faulen Kredite 2017 der Beratungsgesellschaft zufolge noch 4,9 %. In Deutschland indes würde man wieder leicht darüber liegen (2017: 2,0 %). Allerdings blickt man hier auf viele Jahre mit Quoten mit einer Eins vor dem Komma zurück, was den Banken über eine längere Zeit lang ermöglicht hat, Eigenkapitalkraft aufzubauen. Historisch niedrige Insolvenzquoten machten dies möglich.

Gesundes Verhältnis

So blickt selbst die zuvor von Krisen geschüttelte Commerzbank mit Zuversicht nach vorn. Es gebe bisher keine bedeutenden Belastungen für die Bücher, sagte Finanzchefin Bettina Orlopp unlängst.

Zuversichtlich stimmt auch: Der Ratingagentur Moody’s zufolge lag das Eigenkapital im Verhältnis zu den risikogewichteten Aktiva in Westeuropa mit zuletzt rund 16 % im Vergleich zu den anderen Regionen auf der Welt deutlich an der Spitze. Nordamerika, wohin gerne bei Vergleichen mit europäischen/deutschen Instituten – mitunter mit Neid wegen der dortigen hohen Gewinnniveaus und Börsenwerte – geschielt wird, kam zuletzt nur auf knapp 13 %.

Nichtsdestoweniger ist absehbar, dass in Deutschland und Europa weniger Kredite vergeben werden. Zum einen wird die Zinswende das Immobilienfinanzierungsgeschäft ausbremsen, zum anderen werden die Banken ihr (Kapital-)Pulver im Trockenen halten. EY rechnet im kommenden Jahr hierzulande mit rückläufigen Kreditbeständen in allen Kategorien – nach Jahren indes kräftigen Wachstums. Wird für 2022 noch ein Plus von im Schnitt 6,4 % erwartet, wird für das neue Jahr ein Minus von 1,7 % prognostiziert. Am stärksten soll der Rückgang bei Unternehmenskrediten ausfallen, für die 2022 noch mit einem Rekordwachstum von 7,3 % kalkuliert wird – sie sollen 2023 um 2,9 % zurückgehen. In Europa wird für 2022 ein Kreditwachstum von 4,6 % geschätzt und für 2023 ein Rückgang von 1,8 %.

Die erwartete rückläufige Kreditvergabe ist vor dem Hintergrund der nachhaltigen Transformation der Wirtschaft heikel. Um Klimaneutralität zu erreichen, ergibt sich laut McKinsey bis 2030 für die Banken allein durch Direktfinanzierungen ein jährliches Finanzierungspotenzial von 820 Mrd. Dollar. Hinzu kommen weitere 100 Mrd. Dollar pro Jahr als Fremdfinanzierungen für Unternehmen. Davon würden 35 Mrd. Euro auf europäische Banken entfallen.

Netto-null-Verpflichtungen

Zugleich gibt es in Europa die größte An­zahl von Banken mit Netto-null-Verpflichtungen, wie Moody’s betont. Hier fehlen aber zuverlässige Messmethoden und Daten. Und die EZB hatte die zu langsame Einbindung von Klima- und Umweltrisiken in das Risikomanagement beim ersten Klimastresstest 2022 bemängelt. Diese neuen Risiken werden sich perspektivisch in weiteren Eigenkapitalforderungen niederschlagen – auch hier warten neue Lasten.

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