Französische Banken

Der atypische künftige Chef von Crédit Mutuel

Crédit-Mutuel-Chef Nicolas Théry kündigt überraschend seinen Rücktritt an, sein Nachfolger wird Daniel Baal. Baal, bekannt als ehemaliger Radrennfahrer, wird gelobt für klare Stellungnahmen und seinen unkonventionellen Karriereweg.

Der atypische künftige Chef von Crédit Mutuel

Französische Banken

Daniel Baal soll bei Crédit Mutuel das Ruder übernehmen

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Von Gesche Wüpper, Paris

Zehn Jahre an der Spitze einer Bank zu stehen, sei anspruchsvoll, vertraute er dem "Figaro" an. Er habe Lust, nun ein anderes persönliches Gleichgewicht zu finden und seine freie Zeit besser zu nutzen. Deshalb hat Crédit-Mutuel-Chef Nicolas Théry überraschend bekannt gegeben, er werde sein bis 2025 laufendes Mandat nicht beenden. Der 58-Jährige will schon im April seinen Posten als Vorsitzender des Nationalverbandes der Genossenschaftsbank niederlegen und das Ruder an Generaldirektor Daniel Baal übergeben.

Zwar müssen die verschiedenen Verbände von Crédit Mutuel am 4. und 5. April noch offiziell grünes Licht geben. Doch es gebe kaum Zweifel an der Ernennung Baals, der intern auf Zustimmung stoße, heißt es in Paris. Für seine Nachfolge zeichnet sich mit seinem bisherigen Stellvertreter Eric Petitgand ebenfalls eine interne Lösung ab.

Der Aufstieg an die Spitze der neuntgrößten Bank der Eurozone sei für Baal eine Art Revanche, urteilt "Les Echos". Denn der 66-Jährige ist im französischen Bankensektor eine Ausnahmeerscheinung, da die meisten Bankenchefs Elitehochschulen absolviert haben. So hat Jean-Laurent Bonnafé (BNP Paribas) an der École Polytéchnique studiert, Philippe Brassac (Crédit Agricole) an der École nationale de la statistique et de l'administration économique (ENSAE), Slawomir Krupa (Société Générale) am Institut d'Etudes Politiques (Science Po), Nicolas Namias (BPCE) und Théry an der École nationale d'administration (ENA).

Traum von der Radrennkarriere

Dagegen hat der in Straßburg geborene Baal "nur" einen BTS für Handel und Vertrieb gemacht, ein zweijähriges Kurzstudium an einer Fachhochschule und an der Wirtschaftshochschule École des cadres studiert. Anschließend ist er bei den Lokalkassen von Crédit Mutuel die Karriereleiter hochgeklettert, bevor er schließlich 2017 zum Generaldirektor des Nationalverbandes ernannt wurde. Nicht nur deshalb unterscheidet sich Baal von anderen französischen Bankmanagern. Er sei auch dafür bekannt, kein Blatt vor den Mund zu nehmen und klar Stellung zu beziehen, berichten französische Medien.

Ursprünglich hatte Baal davon geträumt, als Radrennfahrer Karriere zu machen. In den 70ern konnte er sogar mehrere Titel gewinnen, sodass es nicht verwundert, dass er 1993 auf ehrenamtlicher Basis den Vorsitz des französischen Radsportverbandes Fédération française du cyclisme übernahm. Ein paar Jahre später wurde er dann auch Direktor der Radsportaktivitäten von Amaury Sport Organisation, die die Tour de France durchführt.

Traumatisches Erlebnis

Als kurz danach der Doping-Skandal um das Festina-Team den Wettbewerb erschütterte, wurde auch Baal wegen des Verdachts, Doping begünstigt und erleichtert zu haben, angeklagt. Die Anklage wurde jedoch schnell wieder fallen gelassen. Dennoch sei das für ihn ein Trauma gewesen, berichtet er in seinem Buch "Droit dans le mur: Le cyclisme mis en examen" (übersetzt "Vor die Wand gefahren: Der Radsport auf der Anklagebank").

Auch von seinem Alter her ist Baal eine Ausnahme, da bei den letzten Führungswechseln bei französischen Banken eher die jüngere Garde in den 40ern bevorzugt wurde. Bei Crédit Mutuel muss er nun dafür sorgen, dass der im Dezember beschlossene Strategieplan umgesetzt wird.

Théry überlässt ihm eine gut bestellte Gruppe, die 2023 ihr Nettoergebnis um 8,6% auf 4,6 Mrd. Euro gesteigert und den jahrelangen Bruderkrieg beendet hat. Was der für sein Brompton-Klapprad bekannte frühere Mitarbeiter von Ex-EU-Kommissar Pascal Lamy, Ex-Wirtschaftsminister Dominique Strauss-Kahn und Ex-Gewerkschaftsführerin Nicole Notat (CFDT) ab April machen wird, weiß er nach eigenen Angaben selber noch nicht.

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