Moderna

Disziplinierte Kämpfernatur

Stéphane Bancel hat frühzeitig auf die mRNA-Technologie gesetzt, obwohl die Erfolgschancen damals gering waren. Heute gehört das Vakzin des von ihm geleiteten Biotech-Unternehmens Moderna zu den wenigen zugelassenen Corona-Impfstoffen.

Disziplinierte Kämpfernatur

Von Gesche Wüpper, Paris

Er ist Franzose und steht an der Spitze eines der Unternehmen, dessen Corona-Impfstoff bereits zugelassen ist. Und doch wird das Vakzin von Moderna ausgerechnet in der Heimat von Stéphane Bancel am wenigsten verimpft – und das, obwohl Frankreich nun beim Impfen Gas geben will. Noch hinkt das Land mit etwas mehr als 10 Millionen gegen das Coronavirus geimpften Menschen sogar hinter Deutschland her, doch riesige Impfzentren in Sportarenen wie dem Pariser Stade de France, Haus- und Tierärzte und Apotheker sollen nun helfen, den Rückstand aufzuholen.

Dass der Moderna-Impfstoff bisher so wenig zum Einsatz kommt, erklärt Bancel mit der Haltung Brüssels. Die Europäische Union (EU) habe im Gegensatz zur US-Regierung keine Anstregung unternommen, seinem Unternehmen bei dem Aufbau einer entsprechenden Logistik zu helfen, sagte er dem französischen Nachrichtensender LCI vor ein paar Wochen. Dabei habe Moderna sehr frühzeitig mit mehreren Ländern in Europa gesprochen, doch die EU habe lieber auf europäische Impfstoffe gesetzt. Nachdem der für Europa bestimmte mRNA-Impfstoff Modernas bisher nur in der Schweiz produziert wurde, soll er ab Mitte April auch in einem Werk von Recipharm in dem bei Tours gelegenen Monts hergestellt werden.

Vergleich mit Musk

„Ich glaube, in der Unternehmenswelt kann man ihn mit Tesla-Gründer und -Chef Elon Musk vergleichen, der auf Elektroautos gesetzt hat, als niemand daran glaubte“, sagt Alain Mérieux, der frühere Chef des Pharmaunternehmens Biomérieux, über Bancel. Denn der 48-Jährige hat einst alles auf die mRNA-Technologie gesetzt, als er 2011 die Leitung des bei Boston angesiedelten Biotech-Start-ups Moderna übernahm. Das hatte damals gerade mal einen Mitarbeiter und kein Büro. Als seine Frau Brenda ihn seinerzeit fragte, wie die Erfolgschancen für Moderna und die mRNA-Technologie stünden, antwortete Bancel: „5%“.

Doch der als Sohn eines Ingenieurs und einer Arbeitsmedizinerin in Marseille aufgewachsene Forscher ließ sich davon nicht entmutigen. Er setzte auf eine eiserne Disziplin und eine eher amerikanische Unternehmensphilosophie, ging Risiken ein und präsentierte sich als Macher. „Er ist sehr intelligent und arbeitsam“, sagt Mérieux. „Er hat eine Kämpfernatur; es nervt ihn, wenn andere nicht folgen.“ Er sei extrem anspruchsvoll, hart und kenne kein Mitleid, meinen dagegen Kritiker Bancels.

Der Moderna-Chef, der an der renommierten École Centrale in Paris und der Universität von Minnesota chemische Verfahrens- und Gentechnik studierte, begann seine Karriere einst bei Biomérieux als Marketing- und Verkaufschef in Japan. Alain Mérieux war damals so beeindruckt von dem jungen Manager, dass er ihm ein MBA-Studium in Harvard finanzierte.

Dort lernte Bancel seine Frau kennen. Um in den USA bleiben zu können, heuerte er bei Eli Lilly an. Nach ein paar Jahren kehrte er jedoch zu Biomérieux zurück und stieg zum delegierten Generaldirektor auf, bevor er zu dem US-Fonds Flagship Ventures wechselte, der dann in Moderna investierte. „Mit der MRNA-Technologie kann man alles machen“, sagte er dem Wirtschaftsmagazin „Challenges“ einmal. Es sei deshalb absolut möglich, dass Moderna in zehn Jahren größer als einer der derzeitigen Pharmariesen wie Pfizer oder Sanofi sei.