Italien

Giorgia Meloni will Premierministerin werden

Giorgia Meloni, Chefin der postfaschistischen Fratelli d’Italia, hat gute Chancen, im September Premierministerin Italiens zu werden.

Giorgia Meloni will Premierministerin werden

Von Gerhard Bläske, Mailand

Giorgia Meloni (45) hat gute Chancen, nach den Parlamentswahlen am 25. September zur ersten Premierministerin Italiens gewählt zu werden. In Umfragen steht ihre Partei, die postfaschistischen Fratelli d’Italia (FdI), mit 23% auf Platz eins. Das würde reichen, um zusammen mit Silvio Berlusconis Mitte-rechts-Partei Forza Italia und Matteo Salvinis rechtsnationaler Lega die Regierung zu bilden. Die drei Partner haben vereinbart, dass diejenige Partei den Regierungschef stellt, die die meisten Stimmen erhält. Das wären nach dem derzeitigen Stand die Fratelli d’Italia mit Meloni.

Es wäre die Krönung für die kleine, aber lautstarke Politikerin, die im einst von Diktator Benito Mussolini eingerichteten römischen Arbeiterviertel Garbatella aufgewachsen ist und sich, auch aus Protest gegen den linken Mainstream, wie sie sagt, schon mit 15 dem damaligen Movimento Sociale Italiano, dem direkten Nachfolger der Faschistischen Partei, angeschlossen hat. Meloni, die einen starken römischen Dialekt spricht und bisweilen recht aggressiv auftritt, wird längt nicht mehr unterschätzt. Sie machte schnell Karriere. Schon mit 29 war sie Abgeordnete und Vizepräsidentin im Abgeordnetenhaus, mit 31 berief sie Berlusconi zur Ministerin für Jugend und Sport. 2012 gründete sie die Fratelli d’Italia, weil ihr die anderen Parteien zu gemäßigt erschienen. Meloni, Mutter einer Tochter und aus prekären sozialen Verhältnissen stammend, erhielt mit ihrer Partei 2018 allerdings nur 4% der Stimmen.

Viele Italiener halten sie für authentisch und glaubwürdig. Denn anders als Salvini, der 2018 mit seiner Lega eine Regierung mit den Populisten der 5 Sterne bildete, blieb sie in der Opposition. Meloni trat nicht in die Mehrparteienregierung von Mario Draghi, zu dem sie persönlich ein gutes Verhältnis hat, ein.

Meloni machte ein Sprachdiplom an einer Hotelfachschule und musste als Jugendliche Geld als Bedienung in einer Bar und als Babysitterin dazuverdienen, um die Kasse der alleinerziehenden Mutter aufzubessern. Doch hauptsächlich widmete sie sich schon damals der Parteiarbeit. „Wenn Du die Welt ändern willst, ist kein Platz für anderes“, schrieb sie in ihrer Autobiografie „Io sono Giorgia“ (Ich bin Giorgia). Sie erklärt sich als „rechts“ und strich auch das faschistische Erbe nicht aus dem Parteisymbol, einem schwarzen Strich, der den Sarg Mussolinis symbolisiert, aus dem eine Flamme in den Farben der Trikolore aufsteigt. Sie tritt ein für ein „Europa der Vaterländer“ nach dem Vorbild De Gaulles und ihre Partei ist im europäischen Parlament in einem Bündnis mit der polnischen PIS und der spanischen Vox, den „Europäischen Konservativen und Reformern“. Sie hat Sympathien für Marine Le Pen und Ungarns Premierminister Victor Orbán. Meloni ist gegen die Homosexuellen-Ehe, für die Ausweisung illegaler Einwanderer und für strikte Einwandererquoten. Die gläubige Christin ist eine Globalisierungsgegnerin, für Protektionismus zum Schutz des „Made in Italy“, etwa durch Goldene Aktien, und gegen die Liberalisierung von Märkten. Sie fordert eine Verteidigung der Interessen Italiens gegen die „deutsch-französische Besetzung“ und hat „eine „Aversion gegen Deutschland“. Ambivalent ist ihr Verhältnis zu militanten Rechtsradikalen wie der Gruppe Casa Pound.

Anders als Berlusconi und Salvini, die Sympathien für Russlands Präsident Wladimir Putin haben, tritt sie für Waffenlieferungen an die Ukraine ein und ist, vielleicht aus taktischen Gründen, für eine Verankerung Italiens in der Nato und in der westlichen Gemeinschaft. Im Programm des Rechtsbündnisses sind eine Flat Tax von 15 oder 20% für mittlere und kleinere Einkommen, eine Rente von 1000 Euro für alle und eine Absenkung des Rentenalters vorgesehen. Experten schätzen die Kosten dafür allein im ersten Jahr auf 25 Mrd. Euro – ohne dass es dafür eine Gegenfinanzierung gäbe.

An den Finanzmärkten sorgt ihre mögliche Berufung zur Premierministerin für Unruhe. Und leicht würde es für die europäischen Partner mit der selbstbewussten Römerin sicher nicht werden.

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