Delivery-Hero-Konkurrent

Groen baut an transnationalem Essensdienst

Der Niederländer Jitse Groen beherrscht den deutschen Markt für Online-Essensbestellungen. Mit der Übernahme von Just Eat und jetzt Grubhub folgt der Aufstieg zum Global Player.

Groen baut an transnationalem Essensdienst

Von Helmut Kipp, Frankfurt

Als Jitse Groen im Jahr 2000 seinen Essensdienst Thuisbezorgd.nl (Zu­hause besorgt) gründete, war kaum abzusehen, dass daraus ein weltweit führender Branchenplayer werden würde. Schließlich ging er in einem kleinen Land, den Niederlanden, an den Start. 2007 wagte der CEO der heutigen Just Eat Takeaway.com die ersten Schritte ins benachbarte Ausland, doch es dauerte weitere sieben Jahre, bis dem eher winzigen Unternehmen mit der Übernahme der deutschen Lieferando, bekannt für ihren orangefarbenen Auftritt, ein größerer Sprung gelang. Weitere fünf Jahre später kaufte Groen für viel Geld dem Konkurrenten Delivery Hero das Deutschlandgeschäft (Lieferheld, pizza.de, Foodora) ab.

Konsolidierer

Mit dieser Akquisition gewann der 1978 geborene Unternehmer die Kontrolle über den wichtigen deutschen Markt, was den Grundstock für den späteren Aufstieg zum transnationalen Konzern legte. Groens Firma war nun ausreichend groß, um im nächsten Schritt den ganz großen Deal anzugehen, nämlich die Übernahme der britischen Just Eat. Bezahlt wurde – die Kasse schonend – mit den teuren eigenen Aktien. Mit diesem Finanzierungskonzept greift der Konzernchef nun auch nach Grubhub aus den USA. Just Eat Takeaway bietet je Grubhub-Anteil 0,671 eigene Aktien. Zum Zeitpunkt der Ankündigung im Juni 2020 kam die Übernahme auf ein Volumen von 7,3 Mrd. Dollar.

Mit der Fusion entstehe der größte Essenslieferant außerhalb Chinas, gemessen an Umsatz und Bruttowarenvolumen, hieß es damals. Diese Position reklamiert allerdings inzwischen die im Dax vertretene Delivery Hero für sich, die Anfang März den Erwerb von Woowa in Südkorea unter Dach und Fach brachte. Abschließen will Groen seinen zweiten Megadeal in der ersten Jahreshälfte 2021, also in Kürze. Das Okay der Regulierungsbehörden liegt bereits seit vergangenen September vor. Takeaway, Just Eat und Grubhub sind nach damaligen Angaben in 25 Ländern präsent. Sitz der kombinierten Gruppe bleibt Amsterdam.

Mit seinen Beutezügen hat sich Groen als treibende Kraft der Branchenkonsolidierung etabliert. Weltweit schließen sich Anbieter zusammen in der Hoffnung, regionale Monopole zu etablieren, die auskömmliche Margen erlauben. Externe Geldgeber, die über Finanzierungsrunden, Börsengänge, Kapitalerhöhungen oder Wandelanleihen Milliarden in die Branche stecken, heizen die Expansion der Unternehmen an. Das Geschäft ist aber von Preiskämpfen, geringer Kundenloyalität und tendenziell austauschbaren Produkten geprägt. Nach wie vor werden die meisten Bestellungen telefonisch und damit außerhalb der Orderplattformen aufgegeben. Die Anbieter konkurrieren nicht nur mit anderen Essensdiensten, sondern auch mit Restaurants und Selbstabholern und letztlich auch mit Lebensmittel-Lieferdiensten und Kochboxverkäufern wie Hellofresh.

Die damals schwächelnde Just Eat hat Groen, unterstützt durch die Zusatznachfrage infolge der Corona-Pandemie, auf einen eindrucksvollen Wachstumskurs gebracht. Im ersten Quartal 2021 war Großbritannien mit einem Anstieg der Bestellungen um 96% das am stärksten wachsende Segment. Konzernweit holte Just Eat Takeaway in den drei Monaten 200 Millionen Bestellungen herein, 79% mehr als im Startquartal 2020. Ab dem zweiten Quartal muss der Konzern allerdings, wie die gesamte Branche, gegen die coronabedingt erhöhten Vorjahreszahlen ankämpfen, was die Wachstumsperspektiven tendenziell eintrübt.

Die Idee, ein Internetportal für Essensbestellungen zu entwickeln, kam Groen anlässlich eines Familienfests. Der damalige Student wollte im Web Essen ordern und fand nur eine Restaurantliste in Amsterdam. Bis 2012 finanzierte sich Thuisbezorgd.nl aus eigener Kraft. Erst 2012, kurz nach der Umbenennung in Takeaway, stieg mit Prime Ventures der erste externe Investor ein – mit der aus heutiger Sicht bescheidenen Summe von 13 Mill. Euro.

Plattformbetreiber

Der Niederländer Groen hat sein Unternehmen lange als Plattformbetreiber ausgerichtet, der Essensbestellungen an angebundene Restaurants weiterleitet und abrechnet und für diesen Service eine Provision kassiert. Der Ansatz hat den Vorteil, dass sich das Geschäft ziemlich profitabel betreiben lässt, solange man die Marketingausgaben im Zaum hält. Noch heute versteht sich der Konzern als Bindeglied zwischen Konsumenten und seinen knapp 250000 an­geschlos­senen Restaurants, denen Groen den arbeitsintensiven und kostentreibenden Transport der Mahlzeiten zum Kunden überlässt. Allerdings betreibt Just Eat Takeaway mit Scoober auch einen eigenen Lieferdienst, der in großen europäischen Städten ausgerollt wird. Vor allem in Großbritannien expandiert die eigene Auslieferung derzeit rasant.