Italien

Tremonti steigt noch einmal in den Ring

Auch mit 75 hat Giulio Tremonti noch nicht genug von der Politik. Der vierfache Ex-Wirtschafts- und Finanzminister kandidiert bei den Parlamentswahlen am 25. September in Mailand für ein Mandat im Abgeordnetenhaus.

Tremonti steigt noch einmal in den Ring

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Auch mit 75 hat Giulio Tremonti noch nicht genug von der Politik. Zwischen 1994 und 2011 war er viermal Finanzminister unter Silvio Berlusconi. Nun kandidiert der Wanderer zwischen den Parteien in Mailand für die postfaschistische Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni für ein Mandat im Abgeordnetenhaus.

Der Steuerrechtsprofessor aus dem norditalienischen Sondrio, der nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Pavia mit einem Lehrauftrag für Steuerrecht startete und auch heute noch lehrt, hatte zunächst eine sehr erfolgreiche Steuerberater-Kanzlei in Mailand gegründet. Politisch begann er in den 1980er Jahren bei der Sozialistischen Partei (PSI). Später wechselte er in die Partei Silvio Berlusconis und sollte in dessen Regierungen die Revolution des Steuersystems auf den Weg bringen. Der ursprünglich wirtschaftsliberale Tremonti ließ sich in seiner zweiten Amtszeit ein Superministerium nach Maß schneidern: Das Schatzamt wurde mit dem für Steuern und Staatsausgaben zuständigen Finanzministerium zu­sammengelegt. Tremonti wurde damit Finanz- und Wirtschaftsminister.

Doch am Ende zerstritt er sich mit Berlusconi und trug diese Scharmützel auf der öffentlichen Bühne aus. Der damalige Premier warf Tremonti, der eng mit Lega-Gründer Umberto Bossi befreundet war und zunehmend protektionistische Positionen einnahm, vor, gegen ihn intrigiert und ihn fallengelassen zu haben.

In der Zeitung „Corriere della Sera“ übte Tremonti kürzlich heftige Kritik an Nochpremier Mario Draghi. Er wirft ihm vor, an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) dauerhafte Staatsfinanzierung be­trieben zu haben, statt während der Finanzkrise nur das Feuer zu löschen. Es sei im Übrigen Draghi gewesen, der letztlich, zusammen mit dem heutigen Wirtschafts- und Finanzminister Daniele Franco, Berlusconi zu Fall gebracht habe. Sollte Berlusconi das ähnlich sehen, würde das erklären, warum der frühere Premierminister Draghi Mitte Juli das Vertrauen entzog und damit die Regierung stürzte.

Tremonti, der zahlreiche Bücher geschrieben hat, geht in seinem aktuellen Werk „Globalisierung – die Wunden und die mögliche Heilung“ hart mit der Globalisierung ins Gericht und fordert darüber hinaus eine Überarbeitung des europäischen Wiederaufbauprogramms, das nach seiner Ansicht aus einer ganz anderen Epoche stammt. Er kann es sich nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass der Plan mit Eurobonds finanziert wird, die er schon 2013 gefordert hat. Kratzer hat sein Image bekommen, als er in seiner Ministerzeit bei einem Mitarbeiter wohnte und die Miete nach Gutsherrenart in bar bezahlte, obwohl die Finanzbehörden das nicht erlaubten. Er wurde verurteilt wegen Korruption und illegaler Abgeordnetenfinanzierung.

                   (Börsen-Zeitung,

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