Restrukturierung

Neue Sanierungsperspektiven für Steuerverbindlichkeiten

Für die in der Coronakrise im Zuge staatlicher Unterstützung den Firmen eingeräumte Option, Steuern zu stunden, tickt nun zum Jahresende die Uhr.

Neue Sanierungsperspektiven für Steuerverbindlichkeiten

Von Dietmar Schulz, Florian Hader und Thomas Rüsing*)

Viele Unternehmen haben seit Beginn der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Lockdowns und Betriebsunterbrechungen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Steuern im Rahmen von Corona-Hilfsmaßnahmen zu stunden. Dieser Tage enden viele der vom Finanzministerium vorgegebenen Fristen für diese Steuererleichterungen. In der Folge werden die Steuerverbindlichkeiten möglicherweise zuzüglich Zinsen (wieder) fällig. Das betrifft nicht nur die Industrie, sondern verstärkt vor allem den Handel, die Logistikbranche und das Hotel- und Gastronomiegewerbe. Nicht alle diese Unternehmen sind in der Lage, die sofort fälligen Steuerverbindlichkeiten sofort und auch in voller Höhe zu bedienen. Hinzu kommen ohnehin noch laufend anfallende Steuern. Eine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren, ist, die sofortige Fälligkeit durch Aussetzung des Sofortvollzugs zu verhindern und Einspruch gegen die Steuerbescheide zu erheben.

Gelingt dies nicht, können Steu­erverbindlichkeiten existenzbedrohend werden. Dann bietet sich unter bestimmten Voraussetzungen das präventive außergerichtliche Sanierungsverfahren, kurz StaRUG-Verfahren, als Möglichkeit zur Bereinigung der Finanzverbindlichkeiten an. Die betroffenen Unternehmen leiden häufig länger an den Folgen Lockdown-bedingter Betriebsunterbrechungen oder -störungen, ohne dass diese jedenfalls mittelfristig nicht lebensfähig sind.

Die Restrukturierung von Steuerverbindlichkeiten ist im StaRUG-Verfahren grundsätzlich möglich; ein Fiskusprivileg kennt das Verfahren nicht. Gleichwohl gibt es bei der Regulierung von Steuerverbindlichkeiten im StaRUG-Verfahren praktische wie rechtliche Hürden. Zunächst muss die Geschäftsführung frühzeitig die Situation erkennen und das StaRUG-Verfahren rechtzeitig einleiten. Ist bereits materielle Insolvenzreife eingetreten, bleibt der Weg ins StaRUG-Verfahren grundsätzlich versperrt. Frühzeitig ist zu prüfen, welche Steuerforderungen überhaupt, seit wann und in welcher Höhe Teil eines Restrukturierungsplans werden können. Liegt eine festgesetzte Steuer in Form eines Steuerbescheides vor, dürfte grundsätzlich der gesamte fällige Betrag unter dem StaRUG restrukturierbar sein. Darüber hinaus ist die Beurteilung des Einzelfalls erforderlich.

Das StaRUG-Verfahren bietet die Möglichkeit, Verbindlichkeiten neu zu gestalten. Das kann Zahlungsmodalitäten oder die Höhe von Forderungen betreffen. Hinsichtlich Steuerverbindlichkeiten muss ferner geklärt werden, welche (weiteren) steuerlichen Folgen sich aus der Neugestaltung selbst ergeben, insbesondere wenn ein Forderungsverzicht geplant ist. Hier muss geklärt sein, ob ein dadurch möglicher Sanierungsgewinn nicht in einem neuen, weiteren sanierungsschädlichen Steuern auslösenden Ertrag resultiert.

Solche Sanierungserträge müssten in die Planung einkalkuliert werden, sollten diese nicht selbst Gegenstand der Neugestaltung sein können oder die Anwendung einer Steuerbefreiung nicht als Vorfrage im StaRUG-Verfahren geklärt werden können. Richtigerweise sollten derartige steuerliche Fragen Gegenstand der gerichtlichen Vorprüfung des StaRUG-Verfahrens sein, um größtmögliche Rechtssicherheit für alle Beteiligten bereits im Vorfeld der Restrukturierung zu schaffen. Als probate Alternative steht dem Unternehmen in jedem Fall die Möglichkeit offen, von der Finanzverwaltung eine verbindliche Auskunft zu erhalten. Die Verknüpfung von Restrukturierungsplan und steuerlicher Vorfrage, etwa durch die Aufnahme von Bedingungen, ist dabei jedenfalls ratsam. Es ist davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung im Verfahren eine eher passive Rolle einnimmt.

Die Neugestaltung der Verbindlichkeiten erfolgt mittels Abstimmung der beteiligten Gläubiger, die in Gruppen eingeteilt werden. Grundsätzlich ist die Mehrheit der abstimmenden Gruppen erforderlich. Im Vorfeld des Verfahrens ist die mögliche Gruppenbildung von Be­deutung, damit auch opponierenden Gläubigern wie etwa passiven Finanzämtern keine Blockade-Position zufällt. In der Praxis ist davon auszugehen, dass bei sinnvoller Gruppenbildung die Finanzverwaltungen überstimmt werden könnten. Eine Herabsetzung von Steuerverbindlichkeiten auf null scheint zwar schwerlich ohne weiteres möglich, wohl aber eine wirtschaftlich angemessene Stundung.

Zusammenfassend bietet das StaRUG-Verfahren vielfältige Möglichkeiten für Unternehmen, die sich mit umfangreichen Steuerforderungen konfrontiert sehen. Für operative Sanierungen eignet sich das StaRUG-Verfahren aber nur bedingt. Es bleibt abzuwarten, wie flexibel Finanzämter mit den Gestaltungsmöglichkeiten des StaRUG umgehen und ob eine aktive Beteiligung am Verfahren zur Regel wird oder doch eher die Ausnahme bleibt oder der Gesetzgeber am Ende doch ein Fiskusprivileg einführt.

*) Dr. Dietmar Schulz ist Partner und internationaler Co-Head der Praxisgruppe Restructuring von DLA Piper. Thomas Rüsing und Florian Hader sind Associates in den Praxisgruppen Restructuring und Tax.

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