Online-Gaming

Wenn Spiele-Updates zu Schaden­ersatz­forderungen führen

Bei nachträglichen Änderungen am In-Game-Bezahl- und Belohnungssystem sollten Spielehersteller Vorsicht walten lassen. Andernfalls setzen sie sich Haftungsrisiken aus.

Wenn Spiele-Updates zu Schaden­ersatz­forderungen führen

Von Malte Menken und

Christian Saßenbach*)

Online-Gaming – ein Milliardenmarkt: Publisher und Vertreiber von Videospielen wie Microsoft oder Activision Blizzard erwirtschaften über In-Game-Käufe, also Mikrotransaktionen, den Großteil ihres Umsatzes. Weltweit betrachtet ist das inzwischen ein Milliardengeschäft. Nicht selten werden nachträgliche Updates an Spielinhalten veröffentlicht. Sie sollen Anreize für Spieler schaffen, Geld auszugeben, um besonders designte Spielgegenstände zu erhalten, im Spielgeschehen schneller voranzukommen oder durch neue Spielinhalte einen Vorteil gegenüber Mitspielern zu erhalten. Spieler sehen das häufig kritisch und werfen Publishern vor, der Erfolg im Spiel hänge zu sehr vom investierten Geld ab, wirtschaftliche Interessen stünden im Fokus.

Worum genau geht es? Mit fiktiven Zahlungsmitteln, der sogenannten In-Game-Währung, lassen sich in der virtuellen Spielwelt bessere „Items“ freischalten. Das sind beispielsweise bessere Gegenstände, neue Charaktere oder ein neues Erscheinungsbild für bestehende Charaktere. Die Ausgestaltung der In-Game-Währungen ist von Spiel zu Spiel unterschiedlich: Während einige Spiele nur eine einzelne In-Game-Währung vorsehen, die erspielt und erkauft werden kann, sehen andere Spiele zwei oder mehr In-Game-Währungen vor. Dann kann meist eine der Währungen exklusiv nur über Mikrotransaktionen erkauft werden.

Bei diesem Modell gibt es zudem häufig Items, die ausschließlich über diese mit echtem Geld erworbene In-Game-Währung gekauft werden können. Mit den erstandenen Items können Spieler den Spielablauf dann zu ihrem Vorteil beeinflussen. Auch namhafte Firmen kooperieren mit Publishern und bringen besonders begehrliche Items heraus, so etwa die Modemarke Balenciaga.

Publisher veröffentlichen regelmäßig Updates ihrer Spiele. Damit soll vor allem das Spielerlebnis optimiert werden. Allerdings wird dadurch häufig auch in bereits von Spielern freigeschaltete Items eingegriffen: So können Items, die dem Spieler vor dem Update einen erheblichen Spielvorteil verschafften, nach der Installation des Updates an Leistungsstärke verlieren. Auch kann plötzlich das Erspielen von In-Game-Währung erschwert sein, so dass Spieler letztlich mehr Zeit und Mühe für neue Items aufwenden müssen. Der Kauf per Mikrotransaktion wird so noch attraktiver.

Reputationsfrage

Aus der Gaming-Community drohen regelrechte Shitstorms, wenn Spieler davon ausgehen, dass mit Updates vorrangig wirtschaftliche Interessen des Publishers im Vordergrund stehen. Dies war erst kürzlich beim weltweit bekannten Spiel Gran Turismo 7 der Fall: Der Publisher erschwerte mit einem Update die Erspielbarkeit von In-Game-Währungen merklich.

Unabhängig von der Reputationsfrage müssen Publisher auch rechtlich Feingefühl bei Spieländerungen zeigen. Andernfalls können neben Schadenersatzforderungen der Spieler auch wettbewerbsrechtliche Abmahnungen drohen. So ist rechtlich noch ungeklärt, ob sich ein Publisher mit dem Verkauf seines Videospiels und den enthaltenen Items verpflichtet, diese Items oder die Erspielbarkeit der In-Game-Währungen während der gesamten Nutzungsdauer unverändert zur Verfügung zu stellen. Das ist immer für den Einzelfall zu beurteilen, etwa im Rahmen sogenannter Legal Patching Audits. In diesen wird durch Rechtsexperten die Frage geklärt, ob eine solche Verpflichtung vorliegt oder ob es sich um bloße Spielregeln handelt, die der Publisher beliebig anpassen kann.

Unterliegen die jeweiligen Regelungen der AGB-Kontrolle, wird es kompliziert. Bei einseitiger Leistungsänderung wird dann als Maßstab die Zumutbarkeit für Spieler betrachtet. Das heißt: Wälzen Pub­lisher durch Spieländerungen lediglich allgemeine wirtschaftliche Risiken auf die Spieler ab, ist das unzumutbar.

In den allgemeinen Geschäftsbedingungen sollten Publisher zudem die Voraussetzungen und den Umfang der möglichen Leistungsänderung benennen. Eine einseitige Leistungsänderung kann oftmals nur aus triftigen Gründen vorgenommen werden. Dazu gehören Gründe, die bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar waren und das Äquivalenzverhältnis, also das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung, in mehr als nur unbedeutendem Maße stören. Spieler können unter Umständen Rückforderungs- oder Schadenersatzansprüche geltend machen, insbesondere nach den neuen Verbraucherschutzvorschriften der §§ 327 ff. BGB. Zudem drohen Publishern wettbewerbsrechtliche Abmahnungen, langwierige Prozesse und große wirtschaftliche Verluste.

Veröffentlichen  Publisher ein Spiel erstmalig, sind sie relativ frei in der Gestaltung der Bezahl- und Be­lohnungssysteme   und    bei   den im Spiel enthaltenen Items. Nach­trägliche  Änderungen   sollten be­reits    aus   Reputationsgründen mit Bedacht vorgenommen werden. Die recht­lichen Auswirkungen größerer Änderungen­ im Videospiel sollten­ rechtlich umfassend geprüft werden.

*) Malte Menken und Christian Saßenbach sind Rechtsanwälte und Mitglieder der Gruppe E-Sports der Kanzlei Oppenhoff.