Recht und Kapitalmarkt

Bankrechtstag vor Rekordkulisse

Zusatznutzen von Informations- und Dokumentationspflichten in Frage gestellt

Bankrechtstag vor Rekordkulisse

Von Jens Zinke, BonnBei dem am 25. Juni 2010 in Bonn durchgeführten 21. Bankrechtstag vermeldete die Bankrechtliche Vereinigung e.V. mit über 330 Besuchern einen Rekordbesuch. Dies führe der Vorstand des Veranstalters, so Peter O. Mülbert, Universität Mainz, auf die diesjährigen Themen “Anlegerschutz” und “AGB” sowie den gelungenen Referentenmix aus Vertretern der Rechtsprechung, Wissenschaft und beiden Marktseiten zurück, was den Bankrechtstag erneut zum zentralen Diskussionsforum mache.Die von Klaus J. Hopt geleitete erste Abteilung “Anlegerschutz im Wertpapiergeschäft” eröffnete Mathias Habersack, Universität Tübingen, mit einem Vortrag zu “Grundsatz- und Praxisfragen” des Anlegerschutzes, bei dem er die Rechtsprechung zu Rückvergütungen kritisch untersuchte. Die Zurückhaltung des BGHHabersack begrüßte, dass der BGH entgegen der vorherrschenden Literaturansicht den §§ 31 ff. Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) nur zurückhaltend Schutzgesetzcharakter zubillige und dass nach dem Urteil vom 27.10.2009 bei Eigengeschäften weder Aufklärung über Gewinnmargen nötig sei noch dass dies eine Zuwendung im Sinn des WpHG sei.In Bezug auf Rückvergütungen stellte er in Frage, ob bei offensichtlichen bzw. erkennbaren Interessenkonflikten, wie sie etwa beim Vertrieb konzernverbundener Fonds bestehen, noch individuelle Aufklärung erfolgen müsse und ob die Unterscheidung zwischen Banken und freien Beratern sinnvoll sei.Zudem verschaffe die Figur des aufklärungsgerechten Verhaltens in der BGH-Rechtsprechung dem Anleger ein unverdientes Reurecht für das Verschweigen einer Selbstverständlichkeit. Habersack appellierte an die Rechtsprechung, die Rechtswirklichkeit der überwiegend mit Provisionen und Rückvergütungen finanzierten Beratung zu akzeptieren. Diese Vorlage nahm Jürgen Ellenberger, Richter im Bankrechtssenat des BGH, in seinem Vortrag “Neue Rechtsprechung zur zivilrechtlichen Haftung beim Vertrieb von Kapitalanlagen” auf. Er betonte, dass der Gesetzgeber im Bereich der Zuwendungen im Zuge der Mifid-Umsetzung mit § 31 d WpHG bereits tätig geworden sei. Er habe den Begriff der Zuwendung sehr weit gefasst, sodass Rückvergütungen, Vertriebsunterstützungen jeglicher Art und Rabatte hierunter fielen. Die Annahme solcher Zuwendungen sei verboten, es sei denn, die Zuwendung diene der Qualitätsverbesserung der Anlageberatung, stehe der ordnungsgemäßen Erbringung der Dienstleistung im Interesse des Kunden nicht entgegen und der Anleger werde vor der Anlageberatung hierauf deutlich hingewiesen.Er warnte bei der Erörterung der Tatbestandsmerkmale des § 31 d Absatz 4 WpHG vor einer Flucht aus der Anlageberatung in die Anlagevermittlung, da der normierte Ausnahmetatbestand nur auf die Beratung Anwendung finde. In Bezug auf Rückvergütungen machte er deutlich, dass mit deren Definition im Urteil vom 27.10.2009 weder eine Änderung noch Einschränkung der bisherigen Rechtsprechung einhergegangen sei. Innenprovisionen würden demnach nicht als Rückvergütung angesehen, Aufklärungspflichten bestünden hier nicht nach der Rückvergütungsrechtsprechung, sondern nach anderen Kautelen.Diese Definition sei in nächster Zeit auch bei anstehenden höchstrichterlichen Entscheidungen, z. B. zur Frage, ob Einkaufsrabatte oder Gewinnmargen Rückvergütungen sind, anzuwenden. Die Kausalitätsvermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens gelte auch beim Verschweigen von Rückvergütungen, sie greife aber bei Entscheidungskonflikten des Anlegers nicht ein. Sie bewirke eine Beweislastumkehr, zu deren Widerlegung im Prozess dargelegt und bewiesen werden müsse, dass der Anleger die Anlage auch bei korrekter Aufklärung erworben hätte.Karl Peter Puszkajler, Vorsitzender Richter am OLG München, stellte aktuelle Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zum WpHG vor. Dabei beklagte er den “finanziellen Analphabetismus” zahlreicher Anleger, der nicht durch Erhöhung der Schutzschwellen ausgeglichen werden könne, und sprach sich für mehr Zurückhaltung bei der Annahme von Rechtstatsachen und weniger sprachliche Ambivalenz bei Abgrenzungen seitens des BGH aus. Die Zyklik des GesetzgebersHeiko Beck, Mitglied der Geschäftsleitung Privat und Geschäftskunden der Commerzbank, beleuchtete zum Thema “Die Zukunft der Anlageberatung – Was liegt wirklich im Kundeninteresse?” die Umsetzung der Rahmenbedingungen im Anlageberatungsprozess einer Bank und wies auf die Zyklik der Zielrichtungen des Gesetzgebers hin. Es stelle sich die Frage, ob man sich von der “Bond-Entscheidung” des BGH, wonach der Anleger zwar kein Experte in Finanz- und Anlagethemen sei, jedoch ein Grundverständnis besitze, in der Anlageberatung noch weiter leiten lassen könne oder ob das Primat der eigenverantwortlichen Kundenentscheidung durch Informations- und Warnpflichten allmählich zu verschwimmen drohe. Hier gebe es noch keine endgültige Positionierung der Legislative auf europäischer Ebene. Interessant sei, dass nach den bisherigen Erfahrungen die Offenlegung von Rückvergütungen im Beratungsgespräch das Anlegerverhalten nicht beeinflusse. Leider gebe es hierzu noch keine verlässlichen empirischen Studien. Die angebotene Honorarberatung werde dagegen kaum nachgefragt. Das im Rahmen des Anlagegesprächs notwendige Beratungsprotokoll inklusive Produktunterlagen binde bei bis zu 20 000 Protokollen pro Tag erhebliche Ressourcen – auch die Zeit des Kunden. Wünschenswert wäre laut Beck ein konsistentes Anlegerleitbild, wonach der Kunde zur eigenverantwortlichen Entscheidung in der Lage ist. Tendenzen zur Bevormundung gegen den erklärten Kundenwillen sei entgegenzutreten. Eine Verpflichtung zum Schutz der Kunden vor den Folgen eigener Entscheidungen könne es nicht geben.