INVESTMENTFONDS - IM INTERVIEW: HARALD PREISSLER, BANTLEON

"Das gibt einen Ritt auf der Rasierklinge"

Chefvolkswirt sieht in den USA viele Probleme und erwartet für Europa durch die konjunkturelle Abflachung Zuflüsse für Rentenfonds

"Das gibt einen Ritt auf der Rasierklinge"

Das aktuelle Zinsumfeld bietet vor allem für langlaufende Staatsanleihen Kurschancen, sagt Harald Preißler, als Chefvolkswirt der Bantleon Bank verantwortlich für das Anlagemanagement. Das Engagement des Asset Managers in den europäischen Peripheriestaaten ist derzeit eng begrenzt.- Die Europäische Zentralbank hat unlängst den Leitzins angehoben. Was bedeutet das denn für den Anleihenmarkt?Bei den kurzen Laufzeiten wird das Umfeld sicherlich in den kommenden Wochen und Monaten schwierig bleiben, denn dieses Segment leidet unter steigenden Leitzinsen ganz besonders. Zwar haben wir dort auch schon einiges an Renditeanstieg gesehen. Die Rendite zweijähriger Bundesanleihen hat sich seit Jahresbeginn verdoppelt, ist aber mit 1,9 % immer noch nicht üppig. Die Renditen werden daher weiter steigen, solange die EZB im Zinserhöhungsmodus ist.- Wie sieht es am langen Ende aus?Dort ist die Situation eine andere. Hier spielt weniger die Frage eine Rolle, ob die Leitzinsen steigen, sondern vielmehr in welchem Ausmaß. Das wiederum hängt aber vor allem vom konjunkturellen Umfeld ab.- Wie schätzen Sie das denn ein?Wir glauben, dass sich das Umfeld nach und nach eintrüben wird. Erste Anzeichen sehen wir schon. Für die langlaufenden Anleihen hat das zur Folge, dass die Renditen nicht weiter steigen werden. Wir befinden uns vielmehr nahe dem Hochpunkt, sodass die Renditen im Jahresverlauf wieder fallen werden, das eröffnet uns natürlich kursseitige Chancen. Auch wenn das etwas paradox ist: Wer Anleihen haben will, sollte momentan eher längere Laufzeiten kaufen.- Was stimmt Sie so pessimistisch für die Konjunktur?Wir sind nicht pessimistisch, sehen aber einen nachlassenden Optimismus. Die hohen Rohstoffpreise drücken auf die Margen der Unternehmen, und gleichzeitig kühlen sich die wichtigen Exportmärkte in Asien ab. Deswegen verflacht sich mittlerweile der lang anhaltende steile Aufwärtstrend der Konjunkturbarometer. Beim Ifo-Index sieht man das zum Beispiel bei den Geschäftserwartungen, also bei der zukunftsorientierten Komponente. Auch der ZEW-Index ist zuletzt zweimal in Folge gesunken. Und selbst bei den Auftragseingängen und den Einkaufsmanagerindizes beobachten wir ein Abflachen des Trends. Das wird sicherlich keine Rezession einläuten, aber wohl eine Wachstumsverlangsamung.- Was heißt das für die Zinsen?Das wird dazu führen, dass die Frage, wie schnell und wie stark die Leitzinsen steigen, immer defensiver beantwortet wird. Ich denke, zwei weitere Leitzinserhöhungen dürften für dieses Jahr das Äußerste sein, danach gibt es wahrscheinlich eine Pause, bevor es im Verlauf des nächsten Jahres in weiteren Trippelschritten nach oben geht.- Wie würden Sie unter diesen Erwägungen ein konservatives Rentenportfolio zusammenstellen, und mit welchen Renditen kann ein Anleger da rechnen?Wenn man wirklich konservativ anlegt, muss man einen Blick auf die Rendite fünfjähriger Bundesanleihen werfen, die derzeit bei etwa 2,75 % liegt. Mit dieser Renditeerwartung müssen sich Anleger mit Blick auf die nächsten Jahre anfreunden, viel mehr ist nicht drin.- Kann man das nicht ein wenig aufpeppen?Natürlich, derzeit sollte man ein paar erstklassige Unternehmensanleihen im Portfolio haben, die liefern noch ein paar Extrapunkte. Klar ist aber auch: Wenn die Konjunkturdynamik nachlässt, dann sind auch für Corporates die besten Zeiten vorbei, die performen dann in der Regel schlechter als Staatsanleihen. Als Bondinvestor muss ich in einer solchen Phase bereit sein, die Quote der Unternehmensanleihen deutlich zu senken.- Sind Sie schon dabei, das zu tun?Wir warten noch ab, die ersten Anzeichen nehmen wir schon wahr. Wenn sich das verdichtet, werden wir die Quote reduzieren.- Wo liegt die Quote aktuell?Bei etwa 35 % in den Fonds, die Corporates halten dürfen.- Apropos Rendite aufpeppen: Da gibt es in Europa auch einige Staatsanleihen, die deutlich mehr abwerfen als eine Bundesanleihe. Wie beurteilen Sie die Situation in den Peripherieländern?Das ist diffizil. Wir haben in unseren Absolute-Return-Fonds seit langer Zeit keine PIGS-Anleihen mehr, in den indexorientierten Fonds kommen wir daran nicht vorbei. Wir fahren aber auch dort extreme Untergewichtungen und halten nur minimale Quoten. Aber wir warten seit einiger Zeit darauf, die Quoten zu erhöhen, weil die Lage sich mit dem Rettungsschirm schon verbessert hat.- Worauf warten Sie?Wir haben gegenwärtig ein extrem schlechtes Sentiment. Die Flucht ist derzeit der Reflex, der die Investoren treibt. In einer solchen Situation macht es für uns keinen Sinn, uns gegen die Herde zu stellen. Wenn sich die Lage etwas beruhigt, können wir zugreifen, aber auch nur für eher kurzfristige Engagements. Für langfristige Investments ist uns das wirtschaftliche, aber auch das politische Umfeld in den Peripheriestaaten zu unsicher. Außerdem gibt es große Investorengruppen wie etwa Pensionskassen unter unseren Kunden, die diese Anleihen nicht in ihrem Portfolio haben wollen, und das bindet uns natürlich für die Zukunft die Hände. Solche Marktmeinungen werden in der Regel auch nicht revidiert, nur weil sich ein paar Wochen lang die Spreads eingeengt haben.- Tut das Ihnen als Fondsmanager manchmal weh?Ja, wenn sich die Aussichten tatsächlich nachhaltig verbessern, tut es weh, diesen Zug an sich vorüberziehen zu lassen. Aber wir sind ja selbst extrem risikoavers und können deshalb die Anliegen der Pensionskassen gut verstehen.- Wenn Sie sich von Unternehmensanleihen verabschieden und die Peripherieländer außen vor lassen: Lässt sich über das Durationsmanagement noch etwas Extra-Rendite holen?Das hängt natürlich stark davon ab, ob Sie die richtige Zinsmeinung haben. Wenn Sie die Zinsentwicklung richtig voraussagen, können Sie über Kupon und Kursgewinne bei längeren Laufzeiten schon mal bis zu 8 % zusätzlich vereinnahmen.- Die EZB hat ja auf die Inflationsdaten und -erwartungen reagiert. Was ist Ihre Meinung dazu?Vor gar nicht allzu langer Zeit war das große Thema noch Deflationsangst, jetzt ist es die Inflation. Das Pendel schwingt in immer kürzeren Abständen hin und her. Fakt ist, dass ein Großteil der Inflationsentwicklung von den Rohstoffpreisen getrieben wird, die wiederum bei einer abflachenden Konjunktur sinken dürften. Ich glaube, von dieser Seite wird nicht mehr viel nachkommen, die Inflationsrate wird eher seitwärts laufen. In den nächsten zwölf bis 18 Monaten werden wir wahrscheinlich sogar tiefere Inflationsraten sehen als jetzt.- Spielen inflationsindexierte Anleihen für Sie eine Rolle?Zur Diversifizierung sind Linker ein gutes Instrument, aber von einem reinen Linker-Portfolio halten wir wenig. Wenn man eine klare Zinsmeinung hat, kann man mit Linkern durchaus eine Zusatzrendite generieren. Wir hatten bis vor kurzem stattliche Linker-Positionen, die uns eine Outperformance gesichert haben, weil wir mit einer höheren Inflation gerechnet haben als der Markt. Aber wir haben diese Positionen mittlerweile verkauft.- Wovon könnten weitere Impulse auf den Anleihenmarkt ausgehen?Ich kann mir vorstellen, dass uns die Entwicklung an den Aktienmärkten Zuflüsse bescheren wird. Viele Anleger, die zu einem günstigen Augenblick eingestiegen sind, werden die konjunkturelle Abflachung nutzen, um ihre Gewinne mitzunehmen. Dann stellen sie sich die Frage, wohin mit dem Geld, und erkennen, dass die Renditen von Staatsanleihen zwar immer noch vergleichsweise niedrig sind, aber definitiv nicht mehr so niedrig, wie sie mal waren.- Das klingt ja optimistisch.Ja. Aber wenn das ein Anleihemanager sagt, ist das immer mit Vorsicht zu genießen. Unser Optimismus ist ja der Pessimismus der anderen.- Wie beurteilen Sie die Entwicklung in den USA?Wir hatten jetzt die erste Zinswende seit Menschengedenken, bei der Europa vor den USA agiert hat, das spricht Bände. Grundsätzlich beobachte ich dort viele Probleme. Wenn man sich die Billionen US-Dollar an Stimulusprogrammen und Steuersenkungen anschaut und dazu sieht, dass die USA trotzdem nur ein Wachstum von 3 % erreichen, dann macht mir das Sorgen. Wenn die Programme ab Mitte dieses Jahres auslaufen, stellt sich die spannende Frage, wie schnell die Fed vom Stimulieren der Volkswirtschaft auf das Abschöpfen der Liquidität umstellen wird. Das gibt einen Ritt auf der Rasierklinge.- Wird der US-Bondmarkt für Sie so lange uninteressant bleiben, bis die Fed reagiert?Das ist wie bei der Eurozone: Je nach Konjunkturentwicklung können die langlaufenden Staatsanleihen interessant werden – aber nur für eine Haltedauer von drei bis neun Monaten. Denn langlaufende Engagements haben das große Risiko, dass man sehr stark von den internationalen Kapitalströmen abhängt. Angesichts der extrem kurzfristigen Verschuldung der USA wird das die große Herausforderung der nächsten Zeit sein, weil ein immenses Angebot an Treasuries auf die Märkte zukommt. Es bleibt abzuwarten, ob die internationalen Anleger sich darauf einlassen werden.—-Das Interview führte Martin Hampel.