RECHT UND KAPITALMARKT

Weitere Verschärfungen des Außenwirtschaftsrechts

M&A-Transaktionen werden weltweit zunehmend herausfordernder

Weitere Verschärfungen des Außenwirtschaftsrechts

Von Christoph Barth *)In zahlreichen Ländern rückt, auch anlässlich der Covid-19-Pandemie, die Bedeutung des Außenwirtschaftsrechts in den Fokus und die aktuelle Krise fungiert gleichsam als Katalysator für einen deutlich restriktiveren Ansatz. Die deutsche PerspektiveIn Deutschland hat das Außenwirtschaftsrecht seit der vielbeachteten Midea/Kuka-Transaktion im Jahr 2017 eine Transformation durchlaufen. Die letzte Stufe dieser Entwicklung war Ende 2018 die Absenkung der Schwelle von 25 % auf 10 % der Stimmrechte, ab der Nicht-EWR-Investoren bestimmte Transaktionen vor Vollzug anmelden müssen. Diese, auch im internationalen Vergleich sehr niedrige Meldeschwelle, gilt im Rüstungsbereich, darüber hinaus aber auch bei “kritischen Infrastrukturen”. Hierzu gehören die Bereiche Energie, Wasser, Ernährung, Informationstechnik und Telekommunikation, Gesundheit, Finanz- und Versicherungswesen, Transport und VerkehrAm 8. April hat die Bundesregierung den Entwurf einer weiteren Novelle verabschiedet, mit der es noch vor dem Sommer zu einer erneuten Ausweitung des Regimes kommen dürfte. Im Rahmen dieser Novelle wird eine EU-Verordnung aus März 2019 umgesetzt, mit der ein Kooperationsmechanismus mit der EU-Kommission und zwischen den EU-Mitgliedstaaten eingeführt wird. Ferner soll der inhaltliche Prüfungsmaßstab abgesenkt werden. Gegenwärtig wird geprüft, ob von Transaktionen eine “tatsächliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit” ausgeht. Künftig soll bereits die “wahrscheinliche Beeinträchtigung” ausreichen. Es wird ein wesentlich geringerer Gefährdungsgrad genügen, um erwerbsbeschränkende Maßnahmen anzuordnen.Auch für Transaktionen im Bereich “kritischer Technologien” wird voraussichtlich eine Anmeldepflicht bei Erwerben von 10 % der Stimmrechte eingeführt. Dies betrifft u. a. die Bereiche künstliche Intelligenz, Robotik, Halbleitertechnologie, Cybersicherheit, Luft- und Raumfahrt sowie Quanten-, Nano- und Biotechnologien.Zudem soll ein umfassenderes Vollzugsverbot für alle meldepflichtigen Transaktionen begründet werden. Bis zur Genehmigung sind Erwerbsvorgänge schwebend unwirksam und eine Zuwiderhandlung kann mit Bußgeldern oder Freiheitsstrafe bis fünf Jahren geahndet werden. Über den reinen Erwerbsvorgang hinaus soll diese Sanktionsandrohung auch für den Austausch bestimmter Informationen im Transaktionszusammenhang gelten. Zwar ist davon auszugehen, dass den Anforderungen an eine technische Due Diligence entsprochen werden kann, Unternehmen werden aber vorsichtiger agieren müssen.Die drakonische Sanktionsandrohung ist ohne Zweifel kritisch zu sehen. Es bleibt zu hoffen, dass das federführende Bundeswirtschaftsministerium in der Anwendungspraxis weiterhin mit Augenmaß vorgeht, um sicherzustellen, dass auch in Krisenzeiten der Zufluss ausländischen Kapitals gewahrt bleibt. Die europäische PerspektiveDie Entwicklung in Deutschland ist Teil eines Trends. Am 25. März rief die EU-Kommission die Mitgliedstaaten auf, ihre außenwirtschaftsrechtlichen Regime anzupassen, um strategische Wirtschaftsbereiche zu schützen.Schon wenige Tage zuvor, am 17. März, verschärfte Spanien sein bislang liberales Regime und statuierte eine Vorabgenehmigungspflicht für zahlreiche Sektoren. Daneben führte Spanien anlegerbezogene Beschränkungen ein. Frankreich hat mit Wirkung zum 1. April viele Sektoren einem Vorabgenehmigungserfordernis unterworfen, das auch EU-Investoren betrifft. In Italien sind seit dem 9. April Erwerbe durch Nicht-EU-Investoren von 10 % oder mehr an Unternehmen, die u. a. in kritischen Infrastrukturen und Technologien tätig sind, meldepflichtig, ebenso der Kontrollerwerb durch EU-Investoren. Entsprechende Regime in der EU gibt es darüber hinaus in Dänemark, Finnland, den Niederlanden, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden und Ungarn. Im Zusammenspiel mit dem Koordinierungsmechanismus auf europäischer Ebene gewinnen außenwirtschaftsrechtliche Verfahren eine der Fusionskontrolle gleichkommende Komplexität. Die globale PerspektiveWeltweit gibt es mehr als fünfzig außenwirtschaftsrechtliche Regime. So wie sich die Pandemie um den Globus ausbreitet, nutzen immer mehr Staaten dieses Instrument, um strategische Sektoren und vom Wertverfall betroffene einheimische Unternehmen zu schützen. Die schärfste Reaktion kam bislang aus Australien. Dort fallen nun alle Transaktionen unabhängig von Wert und Nationalität des Erwerbers unter ein Genehmigungserfordernis. Zugleich wurde die Verfahrensdauer von einem auf sechs Monate ausgeweitet. Es steht zu erwarten, dass in einem Quidproquo mehr und mehr Länder sich dem Trend anschließen werden. Eine umfassende außenwirtschaftsrechtliche Analyse wird so zu einem zwingenden Element der Transaktionsplanung. *) Christoph Barth ist Partner der Kanzlei Linklaters.