Im InterviewMichael Lewis

Ohne Kraftwerksstrategie müssen Kohlekraftwerke weiter laufen

Uniper-Chef Michael Lewis warnt vor längeren Laufzeiten für Kohlekraftwerke. Ohne wasserstofffähige Gaskraftwerke kann nur Kohlestrom für Versorgungssicherheit sorgen, sagt Lewis im Interview.

Ohne Kraftwerksstrategie müssen Kohlekraftwerke weiter laufen

Im Interview: Michael Lewis

Ohne Kraftwerksstrategie bleibt nur Kohlestrom

Der Ruf nach belastbaren Rahmenbedingungen zum Bau wasserstofffähiger Gaskraftwerke wird lauter. Je länger die Kraftwerksstrategie auf sich warten lasse, desto größer die Gefahr, dass Kohlekraftwerke länger laufen müssen, sagt Uniper-Chef Michael Lewis. Mit einem schnellen Aus für Erdgas sei dagegen nicht zu rechnen.

Herr Lewis, Uniper hat im Sommer den Plan zum Umbau des Erzeugungsportfolios vorgestellt. Inwieweit beeinträchtigt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts das Vorhaben?

Kurzfristig ist die wichtigste Frage in Deutschland, wie die Kraftwerksstrategie ausgestaltet sein wird. Dazu brauchen wir die Details. Kraftwerke, die nur wenige Stunden pro Jahr in Betrieb sind, können nicht über den Energieverbrauch finanziert werden. Vielmehr brauchen wir eine Rendite auf die Investition. Wir müssen pro bereitgestelltes Megawatt (MW) und nicht pro erzeugter Megawattstunde (MWh) bezahlt werden. Für die Implementierung unserer Strategie brauchen wir kein Geld von der Bundesregierung. Was wir brauchen, sind stabile Rahmenbedingungen. Das ist unabhängig vom Bundeshaushalt.

Es ist aber doch so, dass der Bund die Bereitstellungsgebühr bezahlt. Wo der Bund das Geld im Anschluss eintreibt, ist davon losgelöst.

Am Ende wird das über die Stromrechnung abgerechnet. Es gibt keine direkte Verbindung zwischen dem Bundeshaushalt und der Kraftwerksstrategie.

Wie müssen die Voraussetzungen aussehen, damit Uniper neue Kraftwerke baut?

Für die Energiewende brauchen wir die neue Gaskraftwerksgeneration, die wasserstofffähig ist. Dafür müssen wir erstens wissen, wie viel Kapazität pro Jahr entwickelt werden soll. Zweitens brauchen wir Auktionen, in denen der Bund die Kapazitäten versteigert. Nehmen wir an, der Bund schreibt für 2028 eine Gesamtkapazität von 5 Gigawatt (GW) aus. Dann müssen alle Interessenten Gebote abgeben. Wer das günstigste Gebot abgibt, erhält den Zuschlag. In Belgien und Großbritannien gibt es Kapazitätsmärkte und das läuft wirklich gut.

Wie schnell benötigen Sie ein belastbares Konzept, damit die Energiewende gelingen kann? Für den Bau eines neuen Kraftwerks werden von der Planung bis zur Inbetriebnahme üblicherweise sechs Jahre veranschlagt.

Wir brauchen das so schnell wie möglich. Klar ist, dass wir für die erfolgreiche Energiewende nicht nur den Ausbau von Erneuerbaren brauchen, sondern eben auch flexible und verlässliche Erzeugungskapazitäten. Je länger wir keine Kraftwerksstrategie haben, desto länger dauert der Bau neuer wasserstofffähiger Gaskraftwerke. Entsprechend länger werden die bestehenden Kohlekraftwerke in Betrieb bleiben müssen.

Stimmen Sie Bundesfinanzminister Lindner zu, der sagt, dass die Kohlekraftwerke auch nach 2030 noch laufen werden?

Entweder werden die Kohlekraftwerke ersetzt oder sie müssen in Betrieb bleiben. Dazu gibt es aus Perspektive der Versorgungssicherheit keine Alternative. Die gute Nachricht: Wenn wir die neuen Rahmenbedingungen haben, können wir sofort loslegen. Wir haben die Standorte, wir haben die Fähigkeiten und wir haben die finanzielle Kapazität. Irsching 6 haben wir in rund vier Jahren gebaut, jetzt ist das 300-MW-Kraftwerk in Betrieb. Das möchten wir wiederholen.


Zur Person

Alle Hände voll zu tun hat Michael Lewis, seit er am 1. Juni an die Vorstandsspitze der verstaatlichten Uniper getreten ist. Gleich zu Beginn musste er eine neue Strategie für den Energieversorger erarbeiten, der durch den russischen Gaslieferstopp in die Bredouille geraten war. Chancen gibt es in Zeiten der Energiewende zwar viele, doch nicht alle kann Uniper ergreifen. Denn parallel zum Umbau des Erzeugungsportfolios muss Lewis auch den Weg bereiten, damit der Bund wieder aus dem Kapital aussteigen kann – nach Möglichkeit mit Gewinn.

Dieses Kunststück ist dem Briten zuzutrauen. Der Ingenieur verfügt nicht nur über einen reichen Erfahrungsschatz – 30 Jahre hat er für Eon gearbeitet, zuletzt leitete er die britische Landesgesellschaft –, sondern versteht sich auch auf den Umgang mit der Politik. Nach eigenem Bekunden hat er sich bei Uniper vom ersten Tag an wie zu Hause gefühlt. Kein Wunder, kennt er viele Kollegen doch aus Eon-Tagen.


RWE hat angekündigt, in Deutschland mindestens 3 GW an flexibler Kapazität zu bauen. Was hat sich Uniper vorgenommen?

Wir haben keine spezifische Größenordnung genannt. Wir wollen bis 2030 über ein Erzeugungsportfolio von 15 bis 20 GW verfügen – davon sollen dann 80% grün sein. Die genaue Größe hängt auch davon ab, wie viel neue Kapazität wir bauen, wie viel Kapazität wir umbauen und wie viel erneuerbare Kapazität wir aufbauen können. Das wiederum hängt von den Rahmenbedingungen in jedem unserer Kernmärkte ab. An dieser Stelle wollen wir flexibel bleiben.

Wie hat man sich den Umbau eines Gaskraftwerks vorzustellen, wenn Sie es wasserstofffähig machen? Wie aufwendig ist das?

Grundsätzlich ist ja das Ziel, die Emissionen zu reduzieren, dazu setzen wir auf Carbon Capture & Storage (CCS) sowie auf Wasserstoff. CCS prüfen wir gerade für unsere Gaskraftwerke in Großbritannien. In Deutschland heißt Umbau Umstellung auf Wasserstoff. In einem bestehenden Gaskraftwerk können aktuell bis zu 20% Wasserstoff eingesetzt werden. Manche Turbinen schaffen bereits deutlich mehr, die restliche Kraftwerksinfrastruktur jedoch nicht und muss für höhere Werte umgebaut werden. Soll das Gaskraftwerk zu 100% mit Wasserstoff laufen, ist ein Neubau erforderlich. Das aber ist Zukunftsmusik und kommt erst in den 2030er Jahren. Von daher werden die meisten Kraftwerke zunächst einmal umgebaut. Neue Kraftwerke werden zunächst mit Erdgas laufen und sukzessive auf Wasserstoff umgestellt.

Brauchen Sie auch neue Standorte?

Wir wollen unsere bestehenden Standorte nutzen. Die bieten sich an, weil wesentliche Infrastrukturelemente bereits vorhanden sind.

Das Karlsruher Urteil tangiert aber auch den Aufbau des Wasserstoffnetzes. Beeinträchtigt das Ihre Pläne?

Kurzfristig könnte das ein Problem sein, langfristig nicht. Wir sprechen über die komplette Transformation unseres Energiesystems, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Das wird in den nächsten 30 Jahren passieren. Wir müssen die CO2-Emissionen eliminieren. Ich sorge mich nicht, dass wir das langfristig hinbekommen. Kurzfristig kann es aber bei einzelnen Projekten zu Verzögerungen kommen.

Was verstehen Sie unter langfristig? Muss Uniper die Strategie noch einmal anpassen?

Davon gehe ich nicht aus. Im Großen und Ganzen wissen wir, wie die Kraftwerksstrategie aussehen soll, und hoffen, dass die Rahmenbedingungen bald feststehen. Wir haben bereits einige Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien. Die meisten Investitionsentscheidungen haben wir aber noch nicht getroffen.

Heute besteht Ihr Erzeugungsportfolio nur zu 20% aus CO2-freien Energien, der Anteil soll bis 2030 auf 80% hochgefahren werden. Dazu wollen Sie 8 Mrd. Euro investieren. Woher nehmen Sie das Geld?

Aus unserer Bilanz und unseren künftigen Überschüssen. Das ist finanziell durchgeplant. 2023 haben wir ein operatives Ergebnis zwischen 6 und 7 Mrd. Euro erwirtschaftet. Wir haben unsere Bilanz stabilisiert. Wir haben keine Nettoverschuldung mehr, sondern eine Netto-Cash-Position. Die Investitionsmittel müssen im operativen Geschäft verdient werden.

Aber auch das wird Zeit brauchen, weil Sie sich gemäß den EU-Auflagen doch auch von Ergebnisträgern wie dem Steinkohlekraftwerk in Datteln trennen müssen.

Das haben wir in unserer Planung berücksichtigt. Wir haben die finanzielle Kapazität für die Transformation.

Inwieweit sind Sie bei der Auswahl der Projekte an Vorgaben der Bundesregierung gebunden? Müssen Sie vornehmlich in Deutschland investieren, weil der deutsche Steuerzahler Uniper vor der Insolvenz bewahrt hat?

Unsere Kernmärkte sind Deutschland, Niederlande, Schweden und Großbritannien. Deutschland ist der größte und hier haben wir auch viele gute Investitionsmöglichkeiten. In unsere Investitionsplanung redet uns aber niemand rein. Das ist Aufgabe des Uniper-Managements.

Können Sie sagen, welcher Anteil der 8 Mrd. Euro für Deutschland reserviert ist?

Nein, das lässt sich noch nicht sagen. Wir haben eine Projektpipeline und entscheiden, wenn wir eine gute Option bekommen. Aber es gibt derzeit noch zu viele offene Fragen. In Deutschland warten wir auf die Kraftwerksstrategie. In Großbritannien hängt es davon ab, ob unsere Pläne zur CO2-Speicherung erfolgreich sind.

Ich nehme an, in Ihrer Projektpipeline befinden sich mehr Projekte, als Sie finanzieren können. Anhand welcher Kriterien fällt die Entscheidung für oder gegen ein Projekt?

Das hängt natürlich von der erwarteten Rendite ab, aber auch von der Situation in der Lieferkette und von der Projektdauer. Am Ende ist es eine Entscheidung zwischen Rendite und Risiko. Beides gilt es auszubalancieren. In Deutschland sind neue Erzeugungsanlagen der wichtigste Punkt, denn den Bau flexibler Kraftwerke beherrschen wir. Das gehört ebenso zu unserer DNA wie die Erdgasspeicherung und der Handel. Wir wollen das Erdgas durch grüne Gase ersetzen. Bis 2030 sollen es 5 bis 10% sein.

Die Energiewende wird uns bis 2050 beschäftigen.

Michael Lewis

Das hört sich wenig an.

Die Energiewende wird uns bis 2050 beschäftigen. Wir stehen am Anfang dieser Entwicklung. Die 5 bis 10% entsprechen dem geplanten Markthochlauf. Europa fängt gerade erst mit der Grünes-Gas-Strategie an. Da geht es um Biomethan sowie grünen und blauen Wasserstoff.

Zählen Sie blauen Wasserstoff zu den grünen Gasen?

Blauer Wasserstoff ist wichtig zur Bekämpfung des Klimawandels. Langfristig besteht kein Zweifel, dass grüner Wasserstoff die Lösung ist. Aber kurzfristig ist blauer Wasserstoff deutlich billiger – und deutlich besser verfügbar. Daher ist es sinnvoll, mit blauem Wasserstoff anzufangen und später umzustellen. Wir müssen ja auch die Wasserstoffinfrastruktur erst noch aufbauen. Wir wollen in Deutschland 1 GW Elektrolysekapazität aufbauen. Zudem haben wir in Wilhelmshaven ein Ammoniak-Terminal geplant, um grünen Wasserstoff zu importieren.

Wie lange dauert es, bis so ein Terminal gebaut ist?

Wahrscheinlich dauert es bis Anfang der 2030er Jahre. Das geht nicht über Nacht. Bei Eon Climate & Renewables haben wir seinerzeit mit einem 60-MW-Projekt für Offshore-Wind angefangen. Heute, 15 Jahre später, werden Windparks auf See mit einer Kapazität von 2.000 oder 3.000 MW gebaut. Es dauert, weil wir eine komplett neue Wertschöpfungskette aufbauen. Aber der springende Punkt ist: Die Energiewende ist machbar.

Sie haben im Sommer auch angekündigt, in klassische erneuerbare Energien wie Wind und Solar zu investieren. Warum stecken Sie auch in diese Technologien Geld?

Weil das ein wichtiger Teil der Energiewende ist. Wir wollen ein Portfolio aufbauen, das es uns ermöglicht, an allen Teilen der Energiewende zu partizipieren. Wir glauben, dass wir Wert schaffen können, wenn wir sowohl in erneuerbare als auch in flexible Kapazitäten investieren.

Die Konzentration auf eine Technologie mag Skaleneffekte bringen, aber es ist ein Klumpenrisiko.

Michael Lewis

Wäre es angesichts des begrenzten finanziellen Mittel nicht sinnvoller, sich auf wenige Technologien zu konzentrieren? Zum Vergleich: RWE plant bis 2030 Investitionen von 55 Mrd. Euro.

Wir brauchen wie in der Vergangenheit ein ausgewogenes Erzeugungsportfolio. Kohlekraftwerke haben darin keinen Platz mehr, stattdessen bauen wir erneuerbare Energien wie Wind und Solar aus. Ein ausbalanciertes Portfolio ist für das Risikomanagement wichtig. Die Konzentration auf eine Technologie mag Skaleneffekte bringen, aber es ist ein Klumpenrisiko.

Wo beziehungsweise in welcher Technologie hat Uniper ein Alleinstellungsmerkmal?

Bei uns geht es nicht ausschließlich um Technologien. Wir verfügen über ein einzigartiges Portfolio organisiert von Kolleginnen und Kollegen mit einer einzigartigen Expertise. Mit einer Mischung aus flexibler Energie-Erzeugung, -Speicherung und -Handel bilden wir die Basis für eine erfolgreiche Energiewende. Wir sind nicht bloß ein Stromerzeuger. Das kommt uns künftig zugute, weil die Verbindung zwischen Strom und Gas an Bedeutung gewinnt, da Strom und Wasserstoff gespeichert werden müssen. Das ist unsere Kernkompetenz.

Speicher sind ein gutes Stichwort. Uniper verfügt in Deutschland über die größten Gasspeicherkapazitäten und hat angekündigt, einen Teil dieser Kapazitäten in Wasserstoffspeicher umzuwidmen. Geht das so einfach?

Das ist nicht einfach, weil wir gleichzeitig Gas- und Wasserstoffspeicher benötigen. Am besten wäre es, die Gasspeicher in Wasserstoffspeicher umzubauen. Das geht aber nicht so schnell, weil wir die Gasspeicherkapazitäten noch lange Zeit benötigen. Wie lange, hängt davon ab, wie schnell wir Erdgas entweder durch Strom oder durch grüne Gase ersetzen können. Wir erwarten, dass die Nachfrage nach Erdgas erst nach 2035 sinkt.

So spät erst?

Für den Ersatz der Kohlekraftwerke brauchen wir kurzfristig Erdgas. Bis dieses durch grüne Gase ersetzt werden kann, wird es eine Weile dauern.

Es ist also weniger ein technisches Thema, die Speicher umzuwidmen, als vielmehr eine Frage von Angebot und Nachfrage?

Das ist richtig. Im Bereich Wasserstoffspeicherung haben wir ein erstes Pilotprojekt in unserem Erdgasspeicher Krummhörn in Friesland, ebenso in Bierwang in Bayern. Daraus muss natürlich ein Großprojekt gemacht werden. Grundsätzlich ist die Umwidmung technisch möglich. Noch fehlen jedoch die Rahmenbedingungen, um über den richtigen Investitionszeitpunkt zu entscheiden. Eine Möglichkeit wäre der Einsatz von sogenannten CFDs, also Contracts for Difference.

2022 hat die Bundesregierung Uniper mit einer Kapitalspritze von 13,5 Mrd. Euro vor dem Untergang gerettet. Wie sichert sich Uniper ab, damit sich 2022 nicht wiederholt?

Wir haben inzwischen alle offenen Lieferverpflichtungen gegenüber Kunden glattgestellt. Wir sind bis Ende 2025 komplett abgesichert. Selbst wenn es zu einer neuerlichen Gaspreisexplosion kommen sollte, sind wir auf der sicheren Seite. Unsere gesamte Strategie basiert auf der Diversifizierung unseres Risikos. Unser Erdgasportfolio ist heute deutlich besser diversifiziert. Ich bin mir so sicher, wie man sich nur sein kann, dass es künftig kein annähernd vergleichbares Risiko mehr gibt.

Gleichwohl ist Handelsgeschäft immer mit Risiken verbunden.

Wir sind Experten im Managen dieses spezifischen Risikos. Das Problem war der Ausbruch des Kriegs in Europa. Das war ein sogenannter Schwarzer Schwan. Unser normales Commodity-Risiko haben wir im Griff. Es war kein Glück, dass wir die offenen Positionen Anfang des Jahres so schnell absichern konnten, sondern das ist unsere Expertise, unser täglich Brot. 

Heute ersetzt Flüssiggas (Liquefied Natural Gas, LNG) das Pipelinegas. Auch Sie haben LNG-Lieferverträge abgeschlossen. Wie lange laufen diese Verträge?

Etwa ein Drittel unseres Handelsportfolios entfällt auf LNG. Wir haben LNG-Verträge im Portfolio, die noch rund 15 Jahre laufen. Bei potenziell neu abzuschließenden Verträgen liegt unser Fokus auf kurz- bis mittelfristigen Verträgen. Dies vor dem Hintergrund, dass wir uns zum Ziel gesetzt haben, bis 2040 klimaneutral zu werden. Dafür brauchen wir Verträge mit möglichst großer Flexibilität, zum Beispiel ohne Destination Clause.

Was ist das?

In manchen Verträgen ist festgelegt, dass das gelieferte Gas nur in Deutschland oder Europa verkauft werden darf. Solche Verträge sind unflexibel und daher mit höherem Risiko verbunden, das wollen wir vermeiden. Außerdem wollen wir Lieferverträge, die an den europäischen Gaspreis gekoppelt sind und nicht an den Ölpreis. So sieht unsere neue LNG-Strategie aus.

Angesichts der hohen LNG-Nachfrage und des im Vergleich dazu überschaubaren Angebots dürfte es schwierig werden, die Bedingungen am Markt zu vernünftigen Preisen durchzusetzen. Oder täusche ich mich?

Unser Gashandelsportfolio ist ausgewogen und setzt sich aus LNG, Pipelinegas und Großhandelsgas zusammen. Neue Verträge müssen in dieses Portfolio passen und es gibt immer einen Preis, an dem sich Angebot und Nachfrage treffen.

Ich bin davon überzeugt, dass Uniper für die Bundesregierung am Ende ein gutes Investment gewesen sein wird.

Michael Lewis

Mit der Kapitalherabsetzung haben Sie die formale Voraussetzung zur Ausschüttung von Dividenden geschaffen. Wie realistisch ist es angesichts Ihrer Investitionsvorhaben, dass Uniper absehbar Dividende zahlt?

Es ging darum, dass wir technisch wieder kapitalmarktfähig werden. Unsere Aufgabe als Management ist es, eine gute Strategie zu liefern und wieder kapitalmarktfähig zu werden. So stehen der Bundesregierung alle Möglichkeiten offen, wenn sie ihre Anteile gemäß der EU-Auflagen reduziert. Ohne Dividende wäre ein Investment in Uniper nicht attraktiv.

Heißt das im Umkehrschluss, dass Uniper so lange keine Dividende zahlt, wie der Bund an Bord ist? Sonst könnten Sie die Investitionsvorhaben ja nicht realisieren.

Wenn die Bundesregierung entscheidet, wann und wie sie den Exit organisiert, werden wir auch für Investoren attraktiv sein. Ich bin überzeugt, dass das gelingt. Und ich bin auch davon überzeugt, dass Uniper für die Bundesregierung am Ende ein gutes Investment gewesen sein wird.

Um kapitalmarktfähig zu sein, benötigen Sie aber auch ein Rating guter Bonität (Investment Grade) auf Stand-alone-Basis. Ihr aktuelles „BBB-“-Rating ist sozusagen vom Staat geliehen.

Wir sind wieder ein stabiles Unternehmen mit einer Netto-Cash-Position, das Gewinne erwirtschaftet. Jetzt müssen wir gute Zahlen liefern und die Transformation vorantreiben. Dann wird auch das Rating weniger abhängig vom Staat.

Uniper präferiert das Re-IPO. Denkbar ist aber auch, dass der Bund für seine 99-%-Beteiligung einen Käufer sucht. Wie stehen Sie dazu?

Diese Frage müssen Sie der Bundesregierung stellen. Wir haben gesagt, dass wir eine unabhängige Uniper für eine gute Option halten. Aber die Entscheidung liegt in Händen der Bundesregierung. Meine Aufgabe als Vorstand ist es, aus Uniper ein nachhaltiges Unternehmen sowohl in finanzieller als auch in ökologischer Hinsicht zu machen. Das machen wir.

Können Sie die Equity Story von Uniper in drei Sätzen formulieren?

Wir haben ein finanziell stabilisiertes Unternehmen. Wir haben viele Möglichkeiten, in die Energiewende zu investieren – nicht nur in Strom, sondern auch in Gas. Diese Möglichkeiten basieren auf unserer Fähigkeit, grünen Strom und grüne Gase flexibel verfügbar zu machen.

Stichwort: Datteln. Nach dem jüngsten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts beginnt das Verfahren um die Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans nach 17 Jahren von vorne. Zugleich muss Uniper das Steinkohlekraftwerk gemäß den EU-Auflagen bis Ende 2026 verkaufen. Wie realistisch ist ein Verkauf, solange die Rechtslage in der Schwebe ist?

Bei einem Verkauf von Assets gibt es immer zahlreiche Unsicherheiten.

Aber irgendjemand muss das Risiko übernehmen, wenn der Bebauungsplan am Ende für unwirksam erklärt würde und das Kraftwerk abgerissen werden müsste.

Dieses Risiko wird wahrscheinlich der Verkäufer tragen müssen. Entsprechend wird das Risiko im Kaufpreis berücksichtigt.

Laut Koalitionsvertrag möchte Deutschland nach Möglichkeit bis 2030 aus der Kohleverstromung aussteigen. Was bedeutet das für die Käufersuche?

Das müssen die Käufer bewerten. Der Standort ist ein energiewirtschaftliches Drehkreuz in Deutschland und entsprechend wertvoll für die Energiewirtschaft und Versorgungssicherheit sowie den Bahnverkehr – auch in einer Zukunft ohne Kohle.

Das Interview führte Annette Becker.

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