Energiekrise

Ampel-Streit über AKW-Gesetzentwurf

Die FDP bremst den Gesetzentwurf von Wirtschaftsminister Habeck für den Reservebetreib der AKW aus – eigentlich, um sie für längere Zeit als vereinbart am Netz zu halten. Allerdings wird damit der Zeitplan für den Notbetrieb gefährdet, kritisieren die Grünen.

Ampel-Streit über AKW-Gesetzentwurf

In der Bundesregierung hat sich der Streit über die weitere Nutzung der Atomenergie weiter verschärft. Entgegen den Plänen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gab die Bundesregierung am Montag noch kein grünes Licht für seinen Gesetzentwurf, der den Weiterbetrieb von zwei süddeutschen Atomkraftwerken (AKW) bis ins Frühjahr 2023 ermöglicht, wie eine Ministeriumssprecherin der Nachrichtenagentur Reuters sagte. Sie begründete dies mit politischen Unstimmigkeiten. „Diese Verzögerung ist ein Problem, wenn man will, dass Isar 2 im Jahr 2023 noch Strom produziert“, warnte die Sprecherin.

Aus dem Ressort von Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner hieß es dazu, der Weiterbetrieb von nur zwei Kraftwerken allein sei nicht ausreichend: „Es sind weitere Schritte notwendig, um Versorgungssicherheit zu garantieren und das Angebot an verfügbarem Strom auszuweiten.“

AKW-Zeitplan kommt ins Wanken

Damit gerät das Vorhaben Habecks insgesamt ins Wanken, die beiden AKW Isar II und Neckarwestheim als Einsatzreserve zur Stabilisierung des Stromnetztes in Betrieb zu lassen und das letzte AKW erst Mitte April 2023 vom Netz zu nehmen. Nach geltendem Recht müssten sie bereits Ende 2022 vom Netz gehen. Lindner hatte darauf bestanden, möglichst viele AKW am Netz zu lassen. „Das ist nicht Politik sondern Physik“, bekräftigte der FDP-Chef am Montag. Das dritte in Deutschland noch laufende AKW, das Atomkraftwerk Emsland in Niedersachsen, will Habeck jedoch nicht in die Reserve übernehmen und Ende des Jahres vom Netz gehen lassen.

Im Wirtschaftsministerium wurde die Verzögerung ungewöhnlich deutlich kritisiert. „Es gab dazu eine klare Verständigung mit den Koalitionspartnern, trotz unterschiedlicher Perspektiven diesen Gesetzentwurf zur Einsatzreserve am heutigen Montag durchs Kabinett zu bringen, so dass er im parlamentarischen Verfahren behandelt werden kann“, sagte die Ministeriumssprecherin. „Aufgrund politischer Unstimmigkeiten wurde aber von dieser Verständigung abgerückt.“

AKW-Betreiber brauchen Klarheit

Die Sprecherin unterstrich, das Ministerium wolle, dass die süddeutschen Atomkraftwerke auch nach dem Jahreswechsel laufen und so bei Bedarf einen Beitrag zur Stabilität im Stromsystem leisten könnten. Dazu seien die notwendigen Vereinbarungen mit den Atomkraftwerksbetreibern getroffen worden. Es müssten aber zeitnah die Reparaturen am Atomkraftwerk Isar II vorgenommen werden, die Atomkraftwerksbetreiber bräuchten Klarheit. Das Ministerium setze sich weiter für Lösungen ein: „Sonst steht man wegen Verzögerungen ohne Isar 2 da.“

Klima-Aktivistin Thunberg für Weiterbetrieb

Die schwedische Klima-Aktivistin Greta Thunberg hatte am Dienstag erneut deutlich gemacht, dass sie es grundsätzlich für falsch hält, die noch aktiven Atomkraftwerke (AKW) in Deutschland abzuschalten und stattdessen verstärkt auf Kohlekraft zu setzen. „Wenn sie schon laufen, glaube ich, dass es ein Fehler wäre, sie abzuschalten und sich der Kohle zuzuwenden“, sagte die Gründerin der Bewegung Fridays for Future im Interview mit „ARD“-Talkmasterin Sandra Maischberger, das am Mittwochabend im Ersten ausgestrahlt wird. Die Aufzeichnung des Gesprächs lag der Deutschen Presse-Agentur vorab vor. Es sei „eine schlechte Idee“, auf Kohle zu setzen, solange „das Andere“ noch existiere, erklärte Thunberg weiter. Die Aktivistin bezog sich dabei auf die Krisenstrategie der Bundesregierung, Kohlekraftwerke aus der Reserve zu holen, um die Stromerzeugung aus Gas zu reduzieren.

Zwei AKWs im Reservebetrieb

Wegen der Energiekrise will Habeck zwei Atomkraftwerke für den Fall von Engpässen in der Stromversorgung bis ins Frühjahr einsatzbereit halten. Die FDP dringt dagegen auf einen Weiterbetrieb aller drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke bis ins Jahr 2024 – Parteichef und Finanzminister Christian Lindner bekräftigte dies am Montag noch einmal. Eigentlich war im Zuge des Atomausstiegs vorgesehen, dass die letzten deutschen Kernkraftwerke Ende des Jahres vom Netz gehen.

Schon am vergangenen Mittwoch hatte sich das Bundeskabinett entgegen Habecks Planungen nicht mit einem Entwurf seines Ressorts zum möglichen Weiterbetrieb der zwei süddeutschen Atomkraftwerke befasst. Dieser sieht vor, das Atomgesetz und das Energiewirtschaftsgesetz um Regelungen zu ergänzen, welche die Rahmenbedingungen für eine zeitlich bis zum 15. April 2023 befristete „Einsatzreserve“ der Atomkraftwerke Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg schaffen.

Gaslieferungen aus Frankreich starten

Derweil kommen gute Nachrichten aus Frankreich. Nach der Lösung der technischen Probleme wird dem Bundeswirtschaftsministerium zufolge ein Transport ab Mitte Oktober angepeilt. „Nach unseren jetzigen Informationen wird angestrebt, ab circa Mitte Oktober Gastransite von Frankreich nach Deutschland am Grenzübergangspunkt Medelsheim zu ermöglichen“, teilte das Ministerium am Montagabend mit. Die neue Importkapazität stehe dann dem Markt zur Verfügung. Es solle über Medelsheim ein Gastransit in einer Größenordnung von rund 100 GWh pro Tag ermöglicht werden. Für einige Industriebereiche müssten nun noch technische Fragen zur Geruchsbeimischung geklärt werden, die in beiden Staaten unterschiedlich gehandhabt wird, hieß es weiter. Sie seien für Haushalte aber ohne Belang.

Der französische Netzbetreiber GRTgaz hatte am Morgen erklärt, die Voraussetzungen für den Gastransport von Frankreich aus Deutschland seien nun gegeben. Die Leitung war ursprünglich für Lieferungen in umgekehrter Richtung gebaut worden. GRTgaz ließ dabei zunächst offen, wann genau das Gas strömen wird und in welchen Mengen. Deutschland treibt seit Monaten Pläne voran, mit einem breiter angelegten Gasbezug unabhängig von russischen Lieferungen zu werden. Frankreich will angesichts reparaturanfälliger Atomkraftwerke im Gegenzug für Erdgas Strom aus Deutschland.