Corporate Governance

Rentabilität kommt vor Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeitsziele dürfen den Bestand eines Unternehmen nicht gefährden. Diese Leitmaxime bleibt aus Sicht des Finanzmarktrechtlers Dirk Zetzsche in der aktuellen Kodex-Reform außen vor, was nicht dem geltenden Recht entspreche.

Rentabilität kommt vor Nachhaltigkeit

swa Frankfurt

Die Pläne zur stärkeren Verankerung von Nachhaltigkeit im Deutschen Corporate Governance Kodex sind aus Sicht des Rechtswissenschaftlers Dirk Zetzsche nicht mit Vorgaben im Aktiengesetz zu vereinbaren. In der laufenden Kodex-Reform ist vorgesehen, dass Vorstände wirtschaftliche, ökologische und soziale Belange austarieren. Nachhaltigkeit soll als integraler Bestandteil der Geschäftsstrategie verankert werden.

Aus Sicht von Zetzsche, Professor für Finanzmarktrecht an der Universität Luxemburg, bleibt in den neuen Vorschlägen zum Kodex unberücksichtigt, dass Nachhaltigkeit nicht den Bestand eines Unternehmens gefährden darf. „Die dauerhafte, also langfristige Rentabilität ist nach herrschender juristischer Meinung das oberste Gebot jeglicher Unternehmenstätigkeit. Dieser Grundsatz steht im geltenden Recht jenseits jeder Diskussion“, sagt Zetzsche im Interview der Börsen-Zeitung. Auch die OECD habe unterstrichen, dass Nachhaltigkeit immer in den Grenzen der Profitabilität stattfinden müsse. Diese Leitmaxime muss aus Sicht des Wissenschaftlers gegeben sein, wenn ein Unternehmen ökologische und soziale Ziele verfolgt.

Mit der Begründung zu den neuen Kodex-Vorgaben, wonach die Interessen von Aktionären und anderen Stakeholdern zum Ausgleich ge­bracht werden sollen, sieht Zetzsche Tür und Tor geöffnet für Interpretationen. „So könnte ein Vorstand in einem Jahr Umweltaspekte in den Vordergrund rücken, im anderen Jahr die Dividende“, gibt der Jurist zu bedenken. Vorstand und Aufsichtsrat dürften nicht „in eigener Machtvollkommenheit den Eignern vorschreiben, welche ökologische oder soziale Couleur“ eine Aktiengesellschaft haben solle. Zetzsche regt an, die dauerhafte Rentabilität als Maxime in dem Regelwerk für gute Unternehmensführung zu verankern. Bislang sei das Wort noch an keiner Stelle im Kodex zu finden.

Das Konsultationsverfahren für die vorgeschlagenen Kodexänderungen läuft bis 11. März. Die Regierungskommission unter Vorsitz von Rolf Nonnenmacher will sich am 4. April mit den eingegangenen Statements befassen. Weitere Kodex-Anpassungen hat der Kreis als Reaktion auf das in Aufarbeitung des Wirecard-Skandals verabschiedete Ge­setz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität vorgeschlagen.

Interview Seite 9

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