DIRK-KONFERENZ

Abspaltungen sind mehr als Mode

Transparenz, Flexibilität und Aufmerksamkeit erhöht - Healthineers wappnet sich für Paradigmenwechsel

Abspaltungen sind mehr als Mode

Die Abspaltung von Unternehmensteilen ist mehr als eine Modewelle. Dieses Fazit lässt sich aus einer Podiumsdiskussion zur Zerlegung von Mischkonzernen auf der Konferenz des Deutschen Investor Relations Verbands (DIRK) ziehen. Eigenständige Einheiten seien transparenter und beweglicher und erhielten mehr Aufmerksamkeit von Investoren.hek Frankfurt – Als “Resterampe von Bayer” kam der Chemiekonzern Lanxess im Jahr 2005 an die Börse. Operativ seien die Chemiegeschäfte nicht der Kern von Bayer gewesen, erinnerte Finanzvorstand Michael Pontzen an die Anfänge. Sie hätten nicht die Kapitalrendite anderer Bereiche erwirtschaftet. In den ersten Jahren nach dem Börsengang habe Lanxess stark am Portfolio gearbeitet und die Geschäfte fokussiert. Das habe zu einer “sehr positiven” Aktienkursentwicklung geführt. “Heute sind nur noch 30 oder 40 % des Originalgeschäfts vorhanden”, stellte Pontzen klar. Fondsmanager Tim Albrecht von der DWS meinte, er könne sich noch an die seinerzeitige Diskussion über das “hässliche Entlein” Lanxess erinnern. “Aber wir haben damals vieles zu negativ gesehen”, räumte er ein. Die DWS sei ein Long-only-Investor, kein Hedgefonds. Daher wolle man keinen Konzern nur um der kurzfristigen Performance willen zu einer Aufspaltung treiben. In einem Mischkonzern könnten die verschiedenen Bereiche stabilisierend wirken. Es gebe Synergien, etwa im Einkauf: “Das sehen wir und das akzeptieren wir”, sagte der DWS-Aktienfondsmanager, der für Deutschland, Österreich und die Schweiz verantwortlich ist. Aber es gebe auch Situationen, in denen es sinnvoll sei, wenn Unternehmensbereiche von der Leine gelassen würden. Die Freiheitsgrade in abgespaltenen Unternehmen seien größer als im Mischkonzern. Quersubventionierungen seien ungerecht gegenüber den erfolgreichen Bereichen, weil ihnen Mittel für Investitionen entzogen würden. Nach seiner Beobachtung unterscheidet der Kapitalmarkt derzeit so scharf wie lange nicht zwischen Wachstums- und stabilen Unternehmen. Wer ist der beste Eigentümer?Größe kann sich nach Einschätzung von Simone Menne, die unter anderem den Aufsichtsräten von BMW und Deutscher Post angehört, durchaus zu einem begrenzenden Faktor entwickeln. Falls die Geschäfte zu unterschiedlich seien oder es zu viele Unternehmen im Konzern gebe, liege die Limitierung in der Steuerung des Ganzen. Eine Steuerung nach Finanzkennzahlen “mag gehen”, wenn man aber in der Branche agieren wolle, sei eine gewisse Spezialisierung sinnvoll. Pontzen zeigte sich vor diesem Hintergrund überzeugt, dass Lanxess durchaus noch 4 oder 5 Mrd. Euro Umsatz drauflegen könne ohne Beweglichkeit und Agilität zu verlieren. Ab 12 oder 13 Mrd. Euro Gesamtumsatz brauche das Unternehmen aber eine andere Organisationsstruktur.Vorstand und Aufsichtsrat müssten sich die Frage stellen, wer der beste Eigentümer für ein Geschäft sei, forderte die frühere Finanzchefin von Lufthansa und Boehringer Ingelheim Menne. Aufgabe des Finanzvorstands sei, die Kollegen in diesem Punkt zu “challengen”. Das sei eine Herausforderung mit Blick auf mögliche Kämpfe mit Vorstandskollegen und dem drohenden Widerstand von Arbeitnehmervertretern. Zudem spiele eine gewisse Emotionalität eine Rolle: “Es ist gar nicht so einfach, sich von etwas zu trennen.” Ein Ankerinvestor könne eine “sehr gute Sache sein”, meinte Menne. Den habe sie sich als Lufthansa-Finanzchefin häufig gewünscht, sagte sie und verwies auf die sehr unterschiedlichen Vorstellungen einzelner Investorengruppen. So wollten die einen Wachstum, andere Aktienrückkäufe. Zur Rolle aktivistischer Investoren mahnte Albrecht zu differenzieren. ThyssenKrupp etwa, wo der Hedgefonds Elliott jetzt für Unruhe sorgt, stecke seit Jahrzehnten im Strukturwandel: “Da kann man den Standpunkt verstehen, dass das etwas lange dauert.” Andere Fälle gingen zu weit, etwa wenn mit einem halben Prozent Kapitalanteil versucht werde, mehrere Aufsichtsratsmandate zu erhalten. Im angelsächsischen Raum verfolgten Investoren einen aggressiveren Ansatz. Das habe zu einer vergleichsweise besseren Aktienmarktperformance in den USA geführt. Healthineers schafft OptionenAls Hauptgrund für den Börsengang von Siemens Healthineers nannte Siemens-Vorstandsmitglied Michael Sen die Schaffung von Optionen. Das IPO führe zu einem stärkeren Fokus und mehr Flexibilität. “Es ging darum, einen möglichst großen Optionenraum für die Zukunft zu schaffen”, sagte Sen in seinem Vortrag auf der DIRK-Konferenz. Die Healthcare-Branche stehe vor Paradigmenwechseln wie Digitalisierung und künstliche Intelligenz, Genomics und der größeren Mündigkeit von Patienten. 70 % der Entscheidungen in Kliniken würden durch Technologien von Healthineers beeinflusst. “Daher sind wir prädestiniert, die Zukunftsthemen anzugehen.” Ziel sei, das Geschäft aus einer Position der Stärke heraus neu zu erfinden, sagte Sen.Für das Management bedeute der Börsengang große Veränderung. So habe es vorher keine eigene Investor Relations gegeben. Der Fokus auf den Shareholder sei anders als zu der Zeit als Siemens-Division. Früher sei das Healthcare-Geschäft eine Position in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung von Siemens gewesen, jetzt werde stärker segmentiert. Zudem habe Healthineers andere Investoren. Diese hätten viel mehr Kenntnis über den Gesundheitsmarkt. Die Aktionärsstruktur basiere auf langfristigen Investoren, betonte Sen. Beim Börsengang seien 72 % der angebotenen Aktien bei Long-only-Anlegern platziert worden. Zudem seien 8 % an Privatanleger gegangen, obwohl man keine Werbung gemacht habe. Dominierender Großaktionär bleibt ohnehin Siemens mit einem Anteil von 85 %.