Bitte aussteigen - Zug endet hier

Von Ulli Gericke, Berlin Börsen-Zeitung, 14.10.2016 Waren die Hände nun dran am Steuer oder nicht? Funktionierte der Autopilot? Oder wie kam es vor wenigen Tagen zu dem Crash zwischen dänischem Bus und Brandenburger Tesla-Fahrer? Frag nach bei Elon...

Bitte aussteigen - Zug endet hier

Von Ulli Gericke, BerlinWaren die Hände nun dran am Steuer oder nicht? Funktionierte der Autopilot? Oder wie kam es vor wenigen Tagen zu dem Crash zwischen dänischem Bus und Brandenburger Tesla-Fahrer? Frag nach bei Elon Musk, dem Chef des amerikanischen Elektroautoherstellers. Da dessen Fahrzeuge ständig Fahrdaten übermitteln, weiß Tesla, ob und wie der Autopilot genutzt wurde. Das gleiche System der permanenten Überwachung testen derzeit einige Autoversicherer mit ihren Telematik-Policen. Wird nicht gerast und nur soft gebremst, gibt es Boni von bis zu knapp einem Drittel des Versicherungstarifs. Der Tesla-Fahrer und wöchentlich 500 Neuverträge nur bei der Allianz zeigen, dass es nicht wenige Mitbürger gibt, die mit “Big Brother” keine Probleme haben.Die Berater der Boston Consulting Group erwarten, dass die Zahl der Gläsernen in Zukunft rasant wächst. In ihrer Studie “Will Autonomous Vehicles Derail Trains?” gehen sie davon aus, dass zumindest 40 % aller heute noch anonym mit der Bahn Reisenden in spätestens zwei Jahrzehnten auf selbstfahrende und dauerüberwachte Autos umgestiegen sein werden – was massive Folgen für Bahnbetreiber und Bahnindustrie zur Folge haben dürfte.Dabei seien “disruptive” Umwälzungen weniger im Fernverkehr zu erwarten, obwohl selbstfahrende Autos wohl zu allererst auf Autobahnen zu finden sein werden. Dort ist der Verkehr – ohne Radler, Einparker und spielende Kinder – deutlich einfacher zu überwachen und zu steuern als auf belebten innerstädtischen Straßen. Schon vor Jahresfrist startete das Verkehrsministerium auf der viel befahrenen A 9 in Bayern das “Digitale Testfeld Autobahn”. Allen dort investierten Steuergeldern zum Trotz erwarten die Boston-Berater nicht, dass den schnellen ICEs merklich Reisende verloren gehen.Gefährlich wird die Lage aber im Pendler- und Regionalverkehr. Dort könnten selbstfahrende Autos den Weg zur Arbeit nicht nur bequemer gestalten, sondern auch günstiger – wenn nicht nur das Auto per Carsharing geteilt, sondern auch mit mehreren Reisenden gefüllt wird. Ab drei Personen sei es billiger, sich morgens von einem autonomen Auto an der Haustüre abholen zu lassen und elektrisch zur Arbeit gefahren zu werden, ohne dort noch einen Parkplatz suchen zu müssen. Der Bahn gehen dadurch – besonders in ländlichen Gebieten – massenhaft Reisende verloren, was die Anbindung ganzer Regionen in Frage stelle. Entsprechend müssten die Bahnen ihre Investitionsvorhaben einem Stresstest unterwerfen und ihr “Leistungsversprechen schärfen”. Gut, dass bis dahin noch einige Zeit vergeht, in der die Ratschläge der Berater noch konkreter werden können. ——–Gut 40 Prozent aller Reisenden dürften vom Zug zu selbstfahrenden Autos wechseln.——-