CFO-InterviewKatja Dürrfeld

Continental will Vertrauen zurückgewinnen

Der Autozulieferer Continental sieht sich auf Kurs, in seinem in den vergangenen drei Jahren defizitären Automotive-Segment 2023 eine operative Rendite von 2 bis 3% und 2025 oder 2026 von 6 bis 8% zu erreichen. Man arbeite hart daran, die versprochenen Ergebnisse zu liefern, so Finanzchefin Katja-Dürrfeld.

Continental will Vertrauen zurückgewinnen

Im Interview: Katja Dürrfeld

"Vertrauen aufzubauen, ist harte Arbeit"

Die Continental-Finanzchefin über Konjunkturperspektiven und Kosteninflation, über den Dieselskandal und geopolitische Risiken

Carsten Steevens, Hannover

Der Autozulieferer Continental sieht sich auf Kurs, in seinem in den vergangenen drei Jahren defizitären Automotive-Segment 2023 eine operative Rendite von 2 bis 3% und 2025 oder 2026 von 6 bis 8% zu erreichen. Man arbeite hart daran, die versprochenen Ergebnisse zu liefern, sagt Finanzchefin Katja-Dürrfeld.

Frau Dürrfeld, Sie sind seit Dezember 2021 Finanzchefin von Continental, aber schon mehr als zwei Jahrzehnte für das Unternehmen tätig. Erinnern Sie sich an den 9. Januar 2018?

Ja, sehr genau.

An dem Tag markierte die Conti-Aktie ihr Allzeithoch bei 257,40 Euro. Heute liegt der Kurs bei 70 Euro, auf Jahressicht steht ein Verlust zu Buche. Wie schätzen Sie die Chancen ein, das Kursniveau von Anfang 2018 wieder zu erreichen?

Wenn wir unsere Ertragskraft wie geplant deutlich steigern und verlässlich unsere Prognosen erfüllen, spricht nichts dagegen.

Das kann dauern.

Der Aktienkurs wird von der operativen Leistung getrieben, aber nicht nur. Wir haben Erwartungen unserer Anleger in den vergangenen fünf Jahren nicht erfüllt. Vertrauen zu verspielen, ist relativ einfach. Vertrauen aufzubauen, ist harte Arbeit. Das braucht seine Zeit.

Wie viel?

Mir ist wichtig, dass im Markt erkannt wird: Wir haben verstanden, wir krempeln die Ärmel hoch, wir wissen, was wir tun müssen. Wir arbeiten jeden Tag an unseren Hausaufgaben. Die sind nicht leicht. Der Kapitalmarkt erwartet, dass wir Wert schaffen. Dem Auftrag fühlen wir uns verpflichtet. Wichtig ist, dass wir strategisch auf dem richtigen Weg sind.

Woran ist das festzumachen?

Unsere jüngste Bond-Platzierung, die überzeichnet war, zeigt, dass es auf dem Fremdkapitalmarkt ein großes Vertrauen in die Leistungsfähigkeit von Continental gibt. Der Aktienkurs wird maßgeblich von Equity-Investoren getrieben. Unsere Aufgabe ist es, sie mehr von uns zu überzeugen und Vertrauen zu schaffen. Deshalb arbeiten wir hart daran, die versprochenen Ergebnisse zu liefern. In unserem Automotive-Bereich haben wir trotz inflationsbedingter Belastungen inzwischen drei positive Quartale in Folge erreicht. Das wird registriert. Hinzu kommt: Unsere Auftragsbücher sind voll.

Im Automotive-Bereich, der das Geschäft mit Zukunftstechnologien wie etwa für das autonome Fahren umfasst und der 2022 mit 18,3 Mrd. Euro für 46% der Konzernerlöse stand, haben Sie drei Jahre in Folge operative Verluste verbucht. Hohe Investitionen lassen sich bislang nicht in hohe Gewinne ummünzen.   

Im ersten Quartal lag die bereinigte operative Marge im Automotive-Bereich bei 0,8 % - nach -4,1 % in den ersten drei Monaten 2022. Wir reden hier über eine Verbesserung von fast 5 Prozentpunkten binnen Jahresfrist. Das muss man vor dem Hintergrund hoher inflationsbedingter Belastungen erst mal schaffen. Wir erwarten im laufenden Geschäftsjahr eine graduelle Verbesserung von Quartal zu Quartal, sodass wir unsere Prognose einer bereinigten operativen Marge im Automotive-Bereich von 2 bis 3 % im Gesamtjahr 2023 erfüllen können – nach -0,2 % im vergangenen Jahr. Wir kommen wie geplant voran.

Machen Ihnen die konjunkturellen Perspektiven keine Sorgen?

Wir beobachten die konjunkturelle Entwicklung genau. Als wir zu Jahresbeginn unsere Margen-Prognose für 2023 veröffentlichten, sind wir von einer Steigerung der weltweiten Produktion von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen von 2 bis 4 % in diesem Jahr ausgegangen. Im Mai hat S&P Global einen Anstieg der Produktion um 4,1 % für 2023 in Aussicht gestellt. Wir sehen uns in unseren Annahmen von Beginn des Jahres bestätigt.

Anzeichen für eine Abkühlung der Autokonjunktur sehen Sie nicht?

Nein. Wir hatten positive Impulse für die Fahrzeugproduktion vor allem in Europa und Nordamerika erwartet. Diese Impulse sehen wir derzeit auch. Was die industrielle Produktion und das Ersatzreifengeschäft angeht, setzen wir aktuell vor allem auf China.

Wie beurteilen Sie den Auftragseingang im Automotive-Bereich?

Im ersten Quartal 2023 lag der Auftragseingang im Automotive-Bereich bei rund 6,6 Mrd. Euro – ein starker Wert. Im vergangenen Jahr haben wir einen Auftragseingang von mehr als 23 Mrd. Euro erreicht, der trotz schwierigen Umfelds den Wert von 2021 um 26 % übertraf. Das zeigt, dass wir auf die richtigen Zukunftstechnologien setzen.

Wenn Sie keine Abkühlung der Autokonjunktur befürchten, könnten Sie dann nach einem überraschend positiven ersten Quartal beim Auftragseingang für das Gesamtjahr 2023 nicht zuversichtlicher sein?

Wir bleiben dabei, dass wir für 2023 erneut mit einem deutlich höheren Auftragseingang im Automotive-Bereich im Vergleich zum Vorjahreswert rechnen. Die positive Entwicklung im strategisch wichtigen Geschäftsfeld für autonome Mobilität mit einem Auftragseingang im ersten Quartal von 1,7 Mrd. Euro für eine 360-Grad-Radarabdeckung aus Front-, Heck- und Seiten- sowie Fernbereichsradaren gibt uns Rückenwind.

Sie erwarten in diesem Jahr bislang zusätzliche inflationsbedingte Kosten von 1,7 Mrd. Euro, davon 1 Mrd. Euro im Automotive-Bereich. Wie kommen Sie bei der Kompensation voran?

Eine Kosteninflation von 1 Mrd. Euro im Automotive-Geschäft, 400 Mill. Euro im Reifen-Bereich und 300 Mill. Euro bei ContiTech: Das sind erhebliche Belastungen, auch wenn diese im vergangenen Jahr mit insgesamt 3,3 Mrd. Euro noch höher lagen. Neue Preisvereinbarungen mit Kunden spielen eine wichtige Rolle, um diese inflationsbedingten Belastungen abzufedern. In diesem Jahr haben wir bereits im ersten Quartal Vereinbarungen erreicht, früher als 2022.

Welche Effekte haben diese Preisvereinbarungen für die Marge?

Die Preisverhandlungen sind ein wichtiger Baustein, um die operative Marge im Automotive-Bereich zu verbessern. Aber nicht der einzige. Wir fokussieren uns auch auf Kostendisziplin, auf mehr Effizienz bei Forschung und Entwicklung (F&E) im Automotive-Bereich. Wir haben ferner unser Strukturprogramm Transformation 2019-2029, das in diesem Jahr einen positiven Beitrag zur Ergebnisverbesserung leisten wird. Und schließlich wollen wir beim Automotive-Umsatz auch in diesem Jahr den Anstieg der weltweiten Fahrzeugproduktion übertreffen. Alles zusammen wird uns helfen, die prognostizierte bereinigte Ebit-Marge von 2 bis 3 % im Automotive-Bereich 2023 zu erreichen.

Zum 1. Mai haben Konzernchef Nikolai Setzer und Sie die jeweiligen Doppelrollen als CEO und CFO des Automotive-Bereichs aufgegeben. Welcher Effekt ist von der Neuverteilung der Aufgaben zu erwarten?

Wir haben auf beiden Positionen hochqualifizierte und erfahrene Nachfolger gefunden, die jetzt den Automotive-Bereich mit noch mehr Fokus führen werden. An der strategischen Ausrichtung ändert sich nichts. Wir haben den Automotive-Bereich ja erst zum 1. Januar 2022 neu strukturiert und neu aufgestellt. Die Finanzziele für 2023 und darüber hinaus gelten unverändert. Die mittelfristige Prognose sieht für den Automotive-Bereich eine bereinigten Ebit-Marge von 6 bis 8% vor.

Diese Prognose gilt seit einem Kapitalmarkttag im Dezember 2020. Seitdem hat sich die Welt verändert.

Und trotzdem bestätigen wir sie auch heute, weil wir überzeugt sind, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden. Davon abgesehen ist der Ausblick mit einer Bauzahlerwartung verknüpft, die bei 90 Millionen produzierten Fahrzeugen liegt.

Wann rechnen Sie damit?

Stand heute rechnen wir damit in 2 bis 3 Jahren.

Reichen die 2020 avisierten Einsparungen von 850 Mill. Euro, die mit dem Programm „Transformation 2019-2029“ von 2024 an erzielt werden sollen?

Wir sind gut unterwegs. Wir verändern im Zuge der Transformation der Automobilindustrie konzernweit 23.000 Stellen bis 2029. Diesen seit 2020 nicht mehr veränderten Plan haben wir mit Blick auf die Stellenveränderungen zur Hälfte umgesetzt. Einen Großteil der Einsparungen, die wir für 2024 mit 850 Mill. Euro brutto vorsehen, werden wir schon in diesem Jahr erreichen. 

Der strukturelle Wandel in der Branche erfordert höhere Investitionen. Wie wollen Sie vor diesem Hintergrund die Effizienz bei Forschung und Entwicklung stärken?

Wir werden die F&E-Quote bei Automotive gemessen am Umsatz in diesem Jahr weiter reduzieren. 2021 lagen wir hier netto - einschließlich der Erstattungen, die Continental direkt von Kunden erhält - bei 13,9 %, 2022 bei 13,0 %. Im vergangenen Jahr haben wir im Automotive-Bereich ein Programm für mehr F&E-Effizienz gestartet. Wir arbeiten beispielsweise daran, Kompetenzen an Standorten bündeln.

Enttäuscht hat Continental 2022 und auch im ersten Quartal dieses Jahres beim bereinigten freien Cashflow. Was macht Sie denn zuversichtlich, dass 2023 die bisherige Vorgabe von 800 Mill. bis 1,2 Mrd. (i.V. 200 Mill.) Euro erreicht wird – bei einer großen Lücke nach -949 Mill. Euro in den ersten drei Monaten?

Wir prognostizieren für dieses Jahr aktuell einen bereinigten freien Cashflow von 0,8 bis 1,2 Mrd. Euro zu erreichen. Ich bin zuversichtlich, dass wir dies schaffen werden. Es gab zwei große Treiber für den negativen Wert im ersten Quartal: zum einen die weiterhin hohe Vorratshaltung. Wir haben ein Programm aufgelegt, um das Thema Bestandsmanagement weiter zu verbessern. Ziel ist, die Bestände zu senken. Die höheren Bestände an Elektronikkomponenten sind ja ein Ergebnis der Halbleiterkrise insbesondere, aber auch der gestiegenen Rohstoffpreise. Der andere Treiber für den negativen freien Cashflow im ersten Quartal war der hohe Forderungsbestand, der einerseits aus dem sehr guten Umsatz im März und aus abgeschlossenen Preisverhandlungen mit Kunden resultierte, die aber noch nicht zu Mittelzuflüssen führten, und der sich andererseits aus einem veränderten Zahlungsverhalten bei unseren Kunden ergab. Das sind Themen, die wir klar im Blick haben und an denen wir arbeiten.

Auch für Continental verteuert sich die Refinanzierung, wie die jüngste Emission einer Anleihe über 750 Mill. Euro mit fünfjähriger Laufzeit einem Kupon von 4% p.a. zeigt. Wie beurteilen Sie die Finanzierungsperspektiven?

Continental ist solide finanziert. Auch mit dem Laufzeitenprofil unserer im Markt platzierten Anleihen sehen wir uns sehr gut aufgestellt. Die jüngste Anleihe mit einem Kupon von 4% ist im aktuellen Finanzierungsumfeld eine sehr gute Finanzierung. Die Transaktion war stark überzeichnet. Wir haben daher das Emissionsvolumen von zunächst 500 Mill. auf 750 Mill. Euro erhöhen können. Wir sehen für uns derzeit keine erkennbaren Finanzierungsrisiken. Bereits im vorigen November hatten wir eine Anleihe platziert, sodass wir die in diesem Jahr fälligen Anleihen bereits durch diese zwei neuen Anleihen frühzeitig refinanziert haben.

2022 drückte das wegen starker Preissteigerungen gesunkene operative Ergebnis den Mittelzufluss, die Nettofinanzschulden erhöhten sich um fast 20 % auf 4,5 Mrd. Euro. Wie bewerten Sie die finanzielle Verfassung von Continental?

Wir sind finanziell sehr gut aufgestellt. Das spiegelt sich auch in Urteilen der Ratingagenturen wider. Unsere Bonität liegt im Investment-Grade-Bereich, Standard & Poor’s hat den Ratingausblick im ersten Quartal auf stabil verbessert.

Das Verhältnis der Nettofinanzschulden zum Eigenkapital, die 2022 um gut 3 Punkte auf 32,8 % gestiegene Gearing Ratio, lässt sich 2023 und darüber hinaus wie beabsichtigt unter der Marke von 40% halten?

Davon gehe ich fest aus. Die Erwartung an unsere künftige Ertragskraft stimmt mich zuversichtlich. Wir haben unsere operative und finanzielle Solidität bewiesen und unsere Widerstandkraft gestärkt. Wir haben, was ein großes Thema für uns war, die Profitabilität im Automotive-Bereich gesteigert und, wie bereits erwähnt, inzwischen drei Quartale in Folge positiv gestalten können. Für weitere Verbesserungen befinden wir uns in Verhandlungen mit unseren Kunden, und für Zuversicht sorgt auch die Auftragslage.  

Welche Rolle spielen Zukäufe zur Steigerung der Ertragskraft? Sind Akquisitionen geplant?

Wir sehen uns im Bereich der Zukunftstechnologien stetig um. Aktuell sind wir strategisch gut aufgestellt.

Das Liquiditätspolster des Konzerns lag Ende 2022 bei rund 7,6 Mrd. Euro. Welchen Rahmen könnten einzelne Akquisitionen haben?

Wir beschäftigen uns derzeit nicht mit großen Akquisitionen. Wenn wir größere Zukäufe vorhätten, könnten wir es auch umsetzen. Wir haben auch einen stabilen und verlässlichen Bankenkreis. In den vergangenen Monaten haben wir im Übrigen bewiesen, dass wir unsere Ertragskraft im Automotive-Bereich auch ohne klassische M&A-Transaktionen verbessern können.

Dafür haben Sie Partnerschaften vereinbart.

Ja, aber die jüngsten Partnerschaften haben wir nicht vereinbart, weil wir uns wegen des aktuellen Konjunktur- und Zinsumfelds oder aus Finanzierungsgründen mit Zukäufen bewusst zurückhalten würden. Akquisitionen müssen sinnvoll sein und zur Strategie des Konzerns passen. Tatsächlich haben wir Anfang des Jahres zur Beschleunigung von hochautomatisiertem Fahren eine Partnerschaft mit Ambarella verkündet, einem US-Unternehmen für Halbleiter mit künstlicher Intelligenz. Erste serienreife Software- und Hardware-Lösungen sind für 2026 geplant. Mit Aurora sind wir, wie zur Hauptversammlung Ende April bekanntgegeben, eine exklusive Partnerschaft für die ersten vollautomatisiert fahrenden Lkws in den USA im Jahr 2027 eingegangen.

Eine Belastung für den Aktienkurs ist die Verstrickung von Continental in den Dieselabgasskandal. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hannover dauern an. Von einem Streit mit der früheren Antriebssparte Vitesco über Kostenanteile ist die Rede. Wie geht es weiter?

Wir haben eine Konzerntrennungsvereinbarung mit Vitesco Technologies, an die wir uns halten. Und wir haben aus der Situation unsere Konsequenzen gezogen: Seit dem 1. Mai dieses Jahr gibt es mit Olaf Schick ein neues Vorstandsmitglied für den Bereich Integrität und Recht. Wir haben uns zudem auf dem Gebiet der Technical Compliance neu aufgestellt. Mit der Staatsanwaltschaft Hannover kooperieren wir rückhaltlos und teilen die Erkenntnisse aus unserer eigenen Untersuchung.

Vor kurzem war zu hören, die Staatsanwaltschaft habe im Zuge einer Kronzeugenregelung einen Durchbruch bei den Ermittlungen erzielt. Wann ist mit einem Ergebnis zu rechnen?

Wir begrüßen jeden Beitrag, der die weitere Aufklärung des Sachverhalts fördert. Was wichtig ist zu wissen: Keiner der im Verfahren Beschuldigten ist mehr bei Continental beschäftigt. Über den weiteren Verlauf des Verfahrens möchte ich nicht spekulieren, zuständig ist die Staatsanwaltschaft.  

Wie weit reicht die Vereinbarung mit Vitesco? 

Die Konzerntrennungsvereinbarung ist öffentlich einsehbar. Die Rechte und Pflichten von Continental und Vitesco sind klar definiert. Wir halten uns an diese Vereinbarung.

Vitesco hat dem Vernehmen Rückstellungen in diesem Zusammenhang von 80 Mill. Euro gebildet. Wie stellt sich Continental auf Belastungen ein?

Wir haben Rückstellungen im hohen zweistelligen Mill.-Euro-Bereich gebildet.

Sie haben vor kurzem das Werk im russischen Kaluga an den russischen Investor S8 Capital verkauft. Damit hat sich der Konzern im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine aber noch nicht vollständig aus Russland zurückgezogen.

Es gibt noch kleinere Gesellschaften, für die wir derzeit ebenfalls an Lösungen arbeiten. Von den Hauptaktivitäten in Russland, der Produktion, haben wir uns aber mit dem Verkauf des Werks in Kaluga getrennt. Der kontrollierte Rückzug aus Russland, den wir aufgrund des Kriegs gegen die Ukraine beschlossen haben, ist also weitgehend abgeschlossen.

Welchen Anteil am Konzernumsatz von Continental hatte das Russland-Geschäft zuletzt?

Der Umsatzanteil lag bei weniger als 1%. 

In die Errichtung des Werks in Kaluga hatte Continental vor gut einer Dekade rund 200 Mill. Euro investiert. Wie viel haben Sie mit dem Verkauf denn noch erlösen können?

Aktuell nur so viel: Bekannt ist, dass wir bereits im vergangenen Jahr Abschreibungen auf unsere Assets in Russland von 87 Mill. Euro vorgenommen haben.

Wie schätzt Continental aktuell die geopolitischen Risiken ein? Wie gehen Sie mit Ihren Aktivitäten in China um? Der dortige Umsatzanteil liegt immerhin bei 12 %.

China ist ein wichtiger Markt für die Autoindustrie, auch für Continental. Wir haben schon früh in China investiert und schrittweise Aktivitäten in allen Bereichen – Automotive, Reifen und  Contitech – aufgebaut. Unsere Strategie in China folgt unserem „Im Markt für den Markt“-Ansatz.

Wie stellen Sie sich auf eine Verschärfung der Lage etwa im Zuge eines Konflikts um Taiwan ein?

An der Strategie für den chinesischen Markt hat sich nichts geändert. Wir weiten unser Engagement aus, etwa durch den Aufbau eines neuen Software-Center. Wir investieren im Reifen-Bereich in den Ausbau unserer Produktionskapazitäten in China. Im dortigen Markt beschäftigen wir an insgesamt 51 Forschungs- und Produktionsstandorten mehr als 17.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Investieren Sie stärker in anderen Regionen wie Europa und Amerika?

Wir investieren da, wo unser Geschäft wächst. Wir bauen unser Engagement auch in Nordamerika aus, dort gerade im Reifen-Bereich. Wir folgen den Marktgegebenheiten. Wenn sich Verschiebungen ergeben, prüfen wir, wie wir uns richtig aufstellen. An der Strategie, uns nah an den Kunden zu positionieren, halten wir fest.

Wie schätzen Sie die Aussichten im Reifen-Geschäft ein?

Im ersten Quartal lag die bereinigte Ebit-Marge in dem Bereich bei 13,5 %. Das war ein sehr starkes Ergebnis in Anbetracht des aktuellen Marktumfelds. Im Gesamtjahr wollen wir eine bereinigte Ebit-Marge von 12 bis 13 % erreichen. An diesem Ziel halten wir fest.

Was versprechen Sie sich von der Neuaufstellung bei  Contitech?

Contitech soll sich strategisch noch stärker auf das Industriegeschäft fokussieren und dort deutlich näher an die Kunden rücken. In diesem Jahr strebt Contitech eine bereinigte Ebit-Marge von 6 bis 7 % an. Nach einem schwachen vierten Quartal 2022 war das erste Quartal 2023 sehr gut. ContiTech hat ihre Hausaufgaben gut erledigt und die operative Ertragskraft deutlich gestärkt.

Noch einmal zurück zur Aktie: Sie könnten mit einer neuen optimistischen Prognose um Vertrauen werben und sagen, dass Sie bis 2028 eine Automotive-Marge von 10% anstreben.

Jetzt geht es erst einmal darum, unsere aktuellen Mittelfristziele zu erfüllen. Dass wir dies schaffen, davon bin ich fest überzeugt. Denn wir wissen, was zu tun ist, und wir kommen gut voran.

Das Interview führte Carsten Steevens.

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