Steffen Schneider

„Das war wie Speed-Dating auf Steroiden“

Das Berliner Start-up Home To Go versteht sich als digitaler Marktplatz mit der weltweit größten Online-Auswahl an Ferienunterkünften. Neugier weckt die 2014 gegründete Firma aber auch bei Investoren ohne Urlaubspläne. Mit dem Abschluss der Fusion mit Lakestar Spac I soll Home To Go demnächst als erstes Technologieunternehmen über einen deutschen Spac an die Börse starten.

„Das war wie Speed-Dating auf Steroiden“

Stefan Paravicini.

Herr Schneider, Home To Go hat im Juli mit dem Lakestar Spac I des Risikokapitalinvestors Klaus Hommels eine Vereinbarung über einen Zusammenschluss getroffen. Was hat den Ausschlag dafür gegeben, den Weg an die Börse über eine Special Purpose Acquisition Company zu gehen?

Der Hauptgrund ist der Sponsor. Klaus Hommels hat von Anfang an einen ganz klaren Plan durchexerziert und dabei auch seine Reputation und seinen Track Record eingesetzt. Das öffnet viele Türen. Würde man das mit einem normalen Initial Public Offering auch hinbekommen? Wahrscheinlich schon, aber das macht schon vieles einfacher. Wenn der Sponsor passt, ist das eine sehr attraktive Option.

War ein Spac für Home To Go von Anfang an die erste Option, oder standen zunächst andere Möglichkeiten im Fokus?

Wir sind Venture-finanziert, da kommt das Thema Exit irgendwann auf die Tagesordnung. Als wir dabei waren, die Voraussetzungen für einen Trade Sale oder eine Kapitalmarkttransaktion zu schaffen, kamen immer mehr Spacs auf uns zu. Das war teilweise surreal. Es gab Tage, da hätte ich die ganze Zeit mit Spacs telefonieren können. Das war Speed-Dating auf Steroiden. Vielen war völlig egal, was wir machen. „Ihr macht sowas wie Airbnb und das ist eure Bewertung? Okay, dann lasst uns reden.“ An vielen Vorurteilen, die man über Spacs hört, ist also schon ein Körnchen Wahrheit dran. Nichtsdestotrotz waren da auch einige sehr ernst zu nehmende Spacs dabei, die entweder schon eine relevante Transaktion gemacht hatten oder schon im erweiterten Reisesegment aktiv waren oder auch Spacs wie der Lakestar Spac I, deren handelnde Personen wir schon kannten.

Und damit war Ihr Interesse geweckt?

Einige dieser Spacs kamen mit sehr konkreten Angeboten auf uns zu, dann haben wir mit unserem Board und unseren Investoren besprochen, dass wir das ernsthaft verfolgen wollen. Wir haben Morgan Stanley mandatiert, um einen Wettbewerbsprozess aufzusetzen und sicherzustellen, dass wir in keine falsche Richtung laufen. Am Ende dieses Prozesses stand der Lakestar Spac I.

Sie sagen, der Sponsor gab den Ausschlag. Was macht für Home To Go denn die Qualität von Klaus Hommels aus?

Was uns am Lakestar Spac I so gut gefallen hat, war zunächst, dass Klaus Hommels gesagt hat, dass er Unternehmen in unserer Größenordnung in Europa halten und sie unterstützen will. Er hat auch frühzeitig klargemacht, dass seine Interessen als Sponsor an denen des Unternehmens ausgerichtet sind. Schließlich hat der Lakestar Spac I von Anfang an den Kapitalmarkt im Blick gehabt und auf eine Bewertung geachtet, die am Markt durchgehen wird. Wir haben teilweise sehr hohe Bewertungen gesehen. Da hatte irgendjemand wohl den Multiple von Airbnb genommen. Es geht hier aber nicht darum, wie bei einem Verkaufsprozess den Preis zu maximieren, sondern eher, eine Balance zwischen einer attraktiven Bewertung heute und Wertzuwachs morgen zu schaffen. Das hat der Lakestar Spac I gut verstanden.

Sehen das die Altinvestoren von Home To Go genauso?

Das ist ja erst der Anfang. Auch unsere Investoren sagen, wir verkaufen nicht, wir sind jetzt drin und dementsprechend wollten wir einen guten Aufsatzpunkt haben.

Hat es geholfen, dass Lakestar seit 2018 bei Home To Go investiert ist, oder hat das die Entscheidung für den Zusammenschluss eher komplizierter gemacht?

Wir kennen das Team um Klaus Hommels jetzt schon seit einigen Jahren – und umgekehrt. Man baut über die Jahre ein Vertrauensverhältnis auf und weiß, dass man sich darauf verlassen kann, wenn jemand etwas zusagt. Das hat sicher auch eine Rolle gespielt. Wir haben im Übrigen sichergestellt, dass es während der Gespräche keine Interessenkonflikte zwischen dem Lakestar Spac I und dem Lakestar Fund gibt. Das war auch den anderen Investoren wichtig.

Andere Start-ups aus dem Reisesegment haben ihre Börsenpläne zuletzt verschoben und stattdessen noch eine private Finanzierungsrunde gedreht. War das für Sie keine Option?

Wir hatten vor der Mandatierung von Morgan Stanley auch mit anderen Banken gesprochen und sie gebeten, alle Alternativen durchzudeklinieren. Es gab nur eine einzige Bank, die eine Finanzierungsrunde mit institutionellen Pre-IPO-Investoren ins Gespräch gebracht hat. Wir haben uns das überlegt, haben uns dann aber dagegen entschieden. Wir haben mit dem Lakestar Spac I einen Partner gefunden, der zum jetzigen Zeitpunkt wunderbar zum Unternehmen passt. Das wurde von den Gesellschaftern über den gesamten Prozess einstimmig getragen.

Derzeit liegt der Kurs der Aktie von Lakestar Spac I etwas unter dem Rückgabepreis von 10 Euro. Muss man das als Misstrauensvotum gegenüber den Aussichten für Home To Go werten?

Das Volumen in der Aktie ist de facto nicht vorhanden. Mir wäre natürlich lieber, ich hätte wenig Volumen und der Kurs würde bei 10,70 statt bei 9,70 Euro stehen, weil das einfach schöner aussieht. Aber der Kurs sagt wenig aus. In den USA ist der Kurs nach Bekanntgabe der Transaktion bei vielen Spacs nach oben gesprungen. Das ist in den meisten Fällen sehr stark Retail-getrieben und nicht von institutionellen Investoren. Das sieht man auch in Europa, nur dass sich hier keine Retailinvestoren an Spacs beteiligen. Hinzu kommt, dass ohnehin relativ wenig passiert, solange der Name der Aktie noch der Name des Spac ist. In dem Moment, in dem der Name umgestellt ist, geht der Kurs oft stark nach oben. Wir haben viele Signale von Investoren bekommen, die nicht in einen Spac investieren dürfen, aber dabei sein wollen, sobald „HTG“ auf dem Ticker steht. Seeing is believing, aber ich bin da ganz entspannt.

Im ersten Halbjahr hat Home To Go das Buchungsvolumen und den Umsatz auf seiner Plattform kräftig gesteigert, weil in immer mehr Ländern die Reisebeschränkungen gelockert wurden. Hat sich das Geschäft mit der Vermittlung von Aufenthalten in Ferienhäusern und Ferienwohnungen in der Pandemie geändert?

Der Wunsch der Menschen, trotz der anhaltenden Unsicherheit wegzufahren, ist sehr groß. Viele wollen in ihrem Urlaub aber nicht mit der Maske rumlaufen und der Komfort in einem Hotel ist überschaubar, wenn das Spa geschlossen ist. Viele Leute haben in der Pandemie deshalb zum ersten Mal ein Ferienhaus oder eine Ferienwohnung genutzt und gemerkt, dass das viele Vorteile hat. Und auch der Trend zur „Workation“, also dem Arbeiten von einem Urlaubsort aus, spielt uns in die Hände. Für viele, die jetzt im Homeoffice arbeiten, ist es egal, ob sie dabei in Berlin sitzen oder auf Madeira. Das haben viele vor allem über den Winter gemacht. Auch das hat die Entwicklung im ersten Halbjahr angetrieben.

Im nächsten Jahr traut sich Home To Go ein noch höheres Wachstumstempo zu. Heißt das, Sie rechnen mit einem pandemiefreien 2022?

Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob wir es pandemiefrei hinbekommen, aber man wird sich so weit daran gewöhnt haben, dass die Menschen wieder ganz normal in den Urlaub fahren werden. In diesem Jahr fußt das Geschäft hauptsächlich auf dem Sommerurlaub mit ein bisschen Pfingsten und Herbstgeschäft. Für die nächsten Jahre gehen wir davon aus, dass die Leute auch wieder in den Winterurlaub fahren. Viele haben außerdem viele Urlaubstage aufgestaut. Das ändert sich gerade. Wachstumsimpulse erwarten wir auch von dem Trend zur genannten Workation. Dafür buchen die Leute in den nächsten Jahren vielleicht drei oder vier Wochen, statt wie bisher eine oder zwei. Alle diese Faktoren treiben das Wachstum des Gross Booking Value.

Der Umsatz soll noch deutlich schneller zulegen als das Buchungsvolumen.

Ja, mit Blick auf den Umsatz gehen wir außerdem von rückläufigen Stornoraten aus, die während der Pandemie um 11 Prozentpunkte nach oben gegangen sind. In diesem Jahr sehen wir hier noch ein ähnlich hohes Niveau und planen auch vorsichtig. Wenn es am Ende mehr Umsatz wird, wird sich keiner beschweren. Wenn es weniger ist, ist es nicht gut, vor allem wenn wir dann börsennotiert sind. Ein Treiber für den Umsatz ist auch unser Softwaregeschäft, das sich an Hausbesitzer richtet, die ihr Haus immer noch analog mit Telefon und Buchungsbuch vermarkten. So viel Angebot wie heute schon online verfügbar ist, ist noch einmal offline verfügbar.

Der Verlust auf Ebene des bereinigten Ebitda hat sich im ersten Halbjahr verdreifacht. Was hat dafür den Ausschlag gegeben?

Das hat unter anderem mit den Vorbereitungen der Spac-Transaktion zu tun. Das geht mit der Umstellung auf IFRS los. Die hatten wir zwar ohnehin geplant, das hat aber viel Aufwand bedeutet. Auch die ganz normale Jahresabschlussprüfung wird in dem Moment aufwendiger, in dem die Prüfer wissen, dass die Zahlen in einem Prospekt zu einer Kapitalmarkttransaktion landen werden. Da kommen alle möglichen Experten dazu. Da geht es schon um eine ordentliche siebenstellige Summe.

Die Marketingausgaben sind ebenfalls deutlich gestiegen. Was steckt dahinter?

Wir sind auf der Marketingseite wieder aktiv. Wir investieren unter anderem in den Shift zu mehr Buchungen „On Site“, direkt auf unserer Plattform. Wir haben in den Diskussionen mit den Investoren gesehen, dass sie vor allem auf 2022 und 2023 schauen. Sie wollen, dass wir das Wachstum nach dem Übergangsjahr 2021 sicherstellen. Deshalb haben wir uns als Management ganz bewusst darauf fokussiert, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, die Guidance für die nächsten Jahre zu erreichen. Ein weiterer Aspekt für den höheren Verlust sind relativ hohe Rückstellungen für potenzielle Stornos. Wenn die sich nicht materialisieren, könnte das noch für einen positiven Effekt sorgen.

Welchen Unterschied macht es für Home To Go, ob die Kunden On Site oder Off Site buchen?

Bei On-Site-Buchungen übernimmt Home To Go automatisch mehr Services und Verantwortungen für den Buchungsprozess. Dies geht von der Buchung über die Bezahlung bis hin zum anschließenden Kundenservice. Gleichzeitig verdienen wir durch diese Services auch mehr an jeder Buchung und bauen eine langfristige Kundenbeziehung auf. Der Schwenk von Cost per Click zu Cost per Action und weiter zu Cost per Action On Site treibt also die Verbesserung der Take Rate und dieser Trend hält jetzt schon seit ein paar Jahren an. Das wird immer ein bisschen schwanken, aber der Trend geht nach oben. Das hängt allerdings auch von der Destination ab. An der Ostsee sind die Take Rates eher ein bisschen niedriger, weil man die sowieso voll kriegt, gerade in den Sommermonaten.

Cost per Click und Cost per Action, können Sie das kurz erläutern?

Wir haben 2014 als Plattform für die Metasuche von Ferienhäusern und Ferienwohnungen angefangen, das war die Gründungsidee von Home To Go. Ab 2018 wurde das Geschäftsmodell in Richtung Marktplatz weiterentwickelt, auf dem die Kunden auch direkt On site buchen können. Während in der Vergangenheit noch das Geschäft mit Cost per Click dominiert hat – unsere Partner zahlen dafür, dass sie über uns gefunden werden –, macht es heute nur noch einen kleinen Teil aus. Der größte Teil ist das Geschäft mit Cost per Action – die Partner zahlen, wenn eine Buchung erfolgt –, wobei wir wie gesagt das beste Geschäft machen, wenn die Buchung On Site, also direkt auf unserer Seite erfolgt.

Was hat der Kunde davon, On Site zu buchen?

Die Buchungsmöglichkeit On Site ist vor allem für Partner interessant, die über uns den Click bekommen, den sie selbst nicht bekommen würden. Das sind kleinere Partner, die teilweise ein tolles Angebot haben, aber keine große Aufmerksamkeit bekommen, weil der Kunde zwei Mal überlegt, ob er zum Beispiel auf einer kroatischen Webseite ohne eine gute Übersetzung die Details seiner Kreditkarte hinterlegen will. Dieses Angebot kann er viel einfacher On Site bei uns buchen. In der Kombination mit den Angeboten der großen Online Travel Agencies haben die Leute bei uns die größte Auswahl, die es aktuell weltweit gibt.

Die Investoren des Lakestar Spac I stehen bei einer außerordentlichen Hauptversammlung im September vor der Wahl, der Fusion zuzustimmen oder den Zusammenschluss mit Home To Go abzulehnen. Kann da noch etwas schiefgehen?

Es kann natürlich immer etwas schiefgehen, aber nicht unter normalen Umständen. Nach dem Feedback, das wir von den Investoren erhalten haben, sind wir zuversichtlich, die erforderliche Mehrheit zu bekommen. Man soll niemals nie sagen, aber ich wäre sehr überrascht, wenn etwas schiefgehen sollte.

Je mehr Investoren ihre Anteile im Rahmen ihres Rechts zur Redemption zurückgeben, desto geringer die Erlöse für Home To Go, richtig?

Ja, aber eine gewisse Redemption-Quote ist ganz normal, weil auch Investoren mit dabei sind, die gar keine Aktieninvestoren sind, sondern das Geld im Spac parken und dann den Warrant mitnehmen. Die spielen das zum Teil wie einen Convertible und gehen über den Markt oder die Redemption raus. Wir können in allen Szenarien sehr gut mit den Erlösen aus der Transaktion arbeiten und unsere Strategie umsetzen.

Ohne Redemption spielt die Transaktion 350 Mill. Euro ein. Was machen Sie mit dem Geld?

Wir wollen den Business-Plan beschleunigen, also verstärkt in On-Site-Angebot investieren, Märkte wie beispielsweise Nordamerika aus- und unsere Marke aufbauen. Wir sehen auch immer wieder interessante und attraktive Unternehmen im Markt, die zu unserer Strategie passen. Gerne würden wir hier nach dem Abschluss der Spac-Transaktion die Gespräche wieder aufnehmen. Und dann behalten wir einen Kapitalpuffer, um auch in eine größere M&A-Transaktion einsteigen zu können, wenn sich die Chance bietet, ohne kurzfristig auf den Kapitalmarkt zurückkommen zu müssen.

Das Interview führte

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