Der Fall Indus macht Schule

Gerichtlich erzwungene Mitbestimmung im Aufsichtsrat wird mit 50 Statusverfahren angestrebt

Der Fall Indus macht Schule

Eine Reihe von Privatklägern zwingt rund 50 Unternehmen in Deutschland vor Gericht. Es geht in den sogenannten Statusverfahren um die Frage, ob die Aufsichtsräte erweitert und paritätisch mit Arbeitnehmervertretern besetzt werden müssen. Ein Urteil des Kölner Landgerichts könnte nun Schule machen.cru Düsseldorf – Immer mehr Unternehmen müssen sich Gedanken darum machen, ob die Zusammensetzung ihrer Aufsichtsräte den geltenden Gesetzen entspricht. Dazu gezwungen werden sie von einer kleinen Gruppe von Privatklägern, die dies per Statusverfahren vor Gericht klären lassen. Erstmals durchgesetzt mit seiner Forderung nach einem paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat hat sich jüngst der Kleinaktionär Alexander Ruthemeier bei der Bergisch Gladbacher Beteiligungsgesellschaft Indus.Der Fall könnte nun Schule machen. Denn im Bundesanzeiger finden sich rund 50 Statusverfahren mit ähnlichen Themen, die die Zusammensetzung des Aufsichtsrats betreffen. Indus muss das Kontrollgremium nun von sechs auf zwölf Personen erweitern, die Hälfte davon Arbeitnehmervertreter.Damit verknüpft ist die Befürchtung, dass Entscheidungen nur noch schwerfälliger getroffen werden. “Indus ist so stark, dass man das locker wegstecken wird”, sagte der scheidende Indus-Chef Jürgen Abromeit der Börsen-Zeitung. Die Zusammenarbeit im erweiterten Aufsichtsrat werde genauso intensiv bleiben wie bisher. Am Geschäftsmodell ändere sich gar nichts. Trotz des Gerichtsurteils konzentriere sich die Holding mit nur 34 Beschäftigten für die 44 deutschen Tochtergesellschaften mit ihren rund 7 500 Beschäftigten in Deutschland auf einige wenige Kernaufgaben. Das operative Geschäft werde weiterhin dezentral von den Töchtern geführt. Kölner EntscheidungAm 28. April 2017 hatte das Landgericht Köln entschieden, dass der Aufsichtsrat von Indus nach § 7 Mitbestimmungsgesetz mit je sechs Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer zu besetzen ist. Dagegen hatte Indus beim Oberlandesgericht Düsseldorf Beschwerde eingelegt, wurde aber abgewiesen. “Nun werden wir das Urteil umsetzen”, sagte Abromeit.Die Kölner Kammer war bei ihrem Urteil davon ausgegangen, dass die Mitarbeiter der Beteiligungsunternehmen gem. § 5 Mitbestimmungsgesetz der Indus Holding zuzurechnen sind. Die Holding verfügt zwar selbst nicht über mehr als 2 000 Arbeitnehmer, insoweit sind jedoch die 8 330 Mitarbeiter der 44 Beteiligungsgesellschaften der Indus Holding als Konzernleitungsgesellschaft hinzuzurechnen. Daher ergibt sich die Anzahl der Mitarbeiter von mehr als 10 000, welche zur Anwendung des § 7 Mitbestimmungsgesetz führt. Zu der Frage, ob die Indus Holding als Konzernleitung anzusehen ist, gilt grundsätzlich zunächst eine “Konzernvermutung” bei einer mehrheitlichen Beteiligung an anderen Gesellschaften (§ 18 Abs. 1 S. 3 Aktiengesetz). Diese hat im hier entschiedenen Fall gegriffen und konnte von der Indus Holding nicht widerlegt werden, dies unter anderem auch deswegen, weil sich aus ihrem Geschäftsbericht 2015 andere Verhältnisse ergaben, als die Indus Holding im Kölner Verfahren vorgetragen hatte.Ob das Kölner Urteil und die Düsseldorfer Beschwerdeabweisung dagegen nun auch andere Verfahren im Sinne der Kläger beeinflussen, bleibt abzuwarten. Die Feststellung, ob ein Unternehmen einen Aufsichtsrat haben muss oder nach welchen gesetzlichen Vorschriften der Aufsichtsrat eines Unternehmens zusammenzusetzen ist, kann für alle Gesellschaftsformen seit dem Aktiengesetz von 1965 nur in einem förmlichen Verfahren, dem “Statusverfahren”, getroffen werden. Die einschlägigen Rechtsvorschriften sind die Paragrafen 96 bis 99 des Aktiengesetzes. Viele Konzerne betroffenMehr als 50 weitere “Statusverfahren” sind derzeit in Deutschland anhängig, wie dem Bundesanzeiger zu entnehmen ist. Aufgeführt sind dort die Namen von durchaus großen Unternehmen: Unter anderem finden sich die Axel Springer SE, die Beiersdorf AG und die Vossloh AG.Etliche der Verfahren hat der Kläger Konrad Erzberger aus Berlin angestrengt. Erzberger erwarb einige wenige Aktien und damit das Recht, die Zusammensetzung des Aufsichtsrats gerichtlich überprüfen zu lassen.