Reporting

Erhöhte Anforderungen an ESG-Berichterstattung

Unternehmen sind mit einer Vielzahl neuer Standards im Nachhaltigkeitsreporting konfrontiert. Das Sustainability Statement ist in den Anforderungen vergleichbar mit einem finanziellen Jahresabschluss.

Erhöhte Anforderungen an ESG-Berichterstattung

Im ersten Quartal 2022 sind eine Reihe an neuen Reportingstandards für die nichtfinanzielle Berichterstattung veröffentlicht worden. Diese befinden sich derzeit noch im Status eines „Technical Working Paper“, bieten aber einen guten Einblick, wie in der EU ansässige Unternehmen in einem in den Lagebericht zu integrierenden „Sustainability Statement“ Rechenschaft über Environmental-, Social- und Governance-(ESG)-Themen ablegen müssen – und zwar voraussichtlich für Berichtsjahre ab 2023 deutlich umfangreicher. Mit Inkrafttreten dieser neuen Berichtsanforderungen ist das Sustainability Statement in Bezug auf Art und Umfang deutlich auszuweiten und vergleichbar mit dem finanziellen Jahresabschluss.

Mehr Pflichten

Die aktuellen in der EU geltenden regulatorischen Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung (Richtlinie 2014/95/EU) sind aus unterschiedlichsten Gründen von verschiedenen Parteien als unzureichend bewertet worden. Voraussichtlich mit Wirkung auf Geschäftsjahre beginnend ab 2023 soll die im April 2021 im Entwurf veröffentlichte Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) die ESG-Berichterstattung für in der EU ansässige Unternehmen deutlich ausweiten. Künftig werden – unabhängig von einer Kapitalmarktorientierung und Konzernzugehörigkeit – alle Unternehmen berichtspflichtig, die mindestens zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen: mehr als 250 Mitarbeiter, mehr als 40 Mill. Euro Umsatz oder 20 Mill. Euro Bilanzsumme. In Deutschland sind schätzungsweise mehr als 15000 Unternehmen betroffen, in der EU mehr als 60000 Unternehmen. Die Berichterstattung ist zwingend als „Sustainability Statement“ in den Lagebericht zu integrieren und nach den derzeit in Entwicklung befindlichen European Sustainability Reporting Standards (ESRS) inklusive Anwendung der EU-Taxonomie vorzunehmen. Zudem wird diese Berichterstattung mit einer eigenen Bescheinigung prüfungspflichtig. Diese Prüfungspflicht wiederum ist faktisch nur erfüllbar, wenn die betroffenen Unternehmen die neuen Prozesse dokumentieren und die Datenermittlung durch ein nichtfinanzielles Internes Kontrollsystem (nfIKS) revisionssicher gestalten.

Die neuen ESRS werden aktuell von der European Financial Advisory Group (Efrag) im Auftrag der EU erarbeitet und sollen EU-weit zur Anwendung kommen. Ziel ist es, eine vergleichbare Berichterstattung über nichtfinanzielle Informationen zu erreichen. Die nichtfinanzielle Be­richterstattung soll gleichwertig neben die finanzielle Berichterstattung treten und für verschiedene Interessengruppen entscheidungsrelevante qualitative und quantitative Informationen zusammentragen. Die Standards sind grundsätzlich vergleichbar mit bekannten Rechnungslegungsstandards wie den International Financial Reporting Standards (IFRS). Die Efrag hat im Januar und Februar die ersten Entwürfe veröffentlicht, die die Umsetzung der CSRD konkret ausgestalten und hinsichtlich ihrer Umsetzung für viel Diskussionsbedarf sorgen.

Gegenwärtig liegen 22 ESR-Standards in Form eines Technical Working Papers als Vorschlag auf dem Tisch. Diese Standards unterteilen sich zum einen in übergreifende („crosscutting“) Standards, die verstärkt qualitative Themen wie Strategie, Steuerungs- und Überwachungsmaßnahmen, Einflüsse des Ge­schäftsmodells sowie Risiken und Chancen in Bezug auf ESG adressieren sollen. Darüber hinaus werden die Kategorien („topics“) Environmental, Social und Governance mit zahlreichen Standards konkret und sehr detailliert angesprochen.

Diese Standards fokussieren sich neben qualitativen Themen wie Strategie, Risiko und Steuerungsmaßnahmenimplementierung vor allem auf den Bereich „Performance Measurement“. Das bedeutet konkrete und sehr umfangreiche Kennzahlen (Key-Performance-Indikatoren – KPIs) zu ESG. Dabei wird die Anwendung und Ausgestaltung nochmal in drei Ebenen unterteilt, und zwar in Kennzahlen, die sektoragnostisch von jedem Unternehmen zu berichten sind, ergänzt um sektorspezifische sowie unternehmensspezifische Kennzahlen. Derzeit ist davon auszugehen, dass die Anzahl der anzugebenden Kennzahlen deutlich über 100 liegen wird. Dieser Schätzwert dürfte eher am unteren Ende liegen, da einige Standardentwürfe noch gar nicht veröffentlicht sind.

Unterlegt sind diese Standards noch von sogenannten „Conceptual Guidelines“ von denen gegenwärtig sechs angedacht sind, darunter eine konkrete Vorgabe zur neuen doppelten Wesentlichkeitsanalyse (Materiality Analysis).

Für die betroffenen Unternehmen ergeben sich vielfältige Herausforderungen. Initial und grundlegend sind die neuen Berichtsanforderungen zügig zu würdigen und deren Auswirkungen auf das eigene Unternehmen zu analysieren, um eine Strategie für diese neue Art der gruppenweiten Berichterstattung und deren Prüfungspflicht festzulegen. Diese Herausforderung ist deswegen sehr groß, weil einerseits noch nicht alle Standardentwürfe vorliegen und andererseits die Anwendung voraussichtlich schon sehr kurzfristig ab 2023 verpflichtend wird. Auf Grundlage dieser Berichtsstrategie ist es dann erforderlich, die Governance-Grundsätze und Maßnahmen zur ESG-Steuerung und -Überwachung zu konzipieren und zu implementieren. Darüber hinaus gilt es, die Datenermittlung und -aufbereitung mittels Prozessidentifikation, Dokumentation und Berichterstattung zu beginnen. Dabei muss davon ausgegangen werden, dass gegebenenfalls bestehende Nachhaltigkeitsberichterstattungen nicht ausreichen und kaum verwendet werden können, da einige der von der Efrag vorgeschlagenen Standards Berichtspflichten enthalten, die über die Unternehmensgrenze hinausgehen. Der Dokumentation ist eine angemessene und wirksame Kontrollumgebung beizufügen, um der Prüfungspflicht standhalten zu können.

Enger Zeitrahmen

Unternehmen werden in den bestehenden Accounting- und ESG-Abteilungen zügig neue Ressourcen und Reportingsysteme aufbauen müssen. Wobei der Aufbau von qualifiziertem Personal mit den größten Herausforderungen verbunden ist. Vor dem Hintergrund der Vielzahl der betroffenen Unternehmen, dem Umfang der für viele gänzlich neuen Berichterstattungsanforderungen und der immer noch unklaren regulatorischen Situation erscheint die gegenwärtige Frist, 2024 für 2023 berichts- und prüfungsfähig zu werden, unrealistisch. Für eine fachgerechte Umsetzung wäre es wünschenswert, die Anforderungen ausreichend zu diskutieren und den Unternehmen durch eine Verschiebung von ein bis zwei Jahren mehr Zeit zu geben.

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