Börsennotierung

EU Listing Act – Ehrgeizige Ziele der Kommission

Mit dem Vorschlag zum EU Listing Act will die Europäische Kommission eine Börsennotierung an den EU-Kapitalmärkten wieder attraktiver machen. Ob dies gelingt, hängt auch vom deutschen Gesetzgeber ab.

EU Listing Act – Ehrgeizige Ziele der Kommission

Am Mittwoch vergangener Woche hat die Europäische Kommission ihren lang erwarteten Vorschlag zum sog. EU Listing Act vorgelegt. Dieser soll – neben weiteren Maßnahmen zur Stärkung der Clearingsysteme und zur Harmonisierung der Insolvenzregelungen – ein entscheidender Baustein zur angestrebten Weiterentwicklung der europäischen Kapitalmarktunion sein.

Angestrebtes Ziel ist es, die europäischen Kapitalmärkte attraktiver zu machen und für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern. Damit will die EU insbesondere dem Trend zur Abwanderung europäischer Wachstumsunternehmen in die Vereinigten Staaten und andere Nicht-EU-Staaten entgegenwirken, der in den letzten Jahren zunehmend zu beobachten war.

Mehrfachstimmrechte

Der vorgelegte Kommissionsentwurf besteht aus einem dreiteiligen Maßnahmenpaket. Mit dem ersten Teil soll KMUs im Rahmen einer gesellschaftsrechtlichen Mindestharmonisierung ermöglicht werden, Aktien mit Mehrfachstimmrechten auszugeben, sofern sie einen Börsengang in einem KMU-Wachstumsmarkt vollziehen. Insbesondere Gründern und Familienunternehmen soll so die Möglichkeit eingeräumt werden, bereits frühzeitig Wachstumskapital über einen Börsengang einzuwerben, ohne die Kontrolle über ihr Unternehmen zu verlieren.

Eine solche Flexibilisierung des Aktienrechts ist aus deutscher Sicht zu begrüßen: Denn während einzelne Rechtsordnungen, wie u.a. Luxemburg, Schweden, Finnland oder Dänemark, die Einräumung solcher Mehrstimmrechte schon länger kennen, verbietet insbesondere das deutsche Aktienrecht eine solche Möglichkeit bis heute.

Die Chancen stehen jedoch gut, dass der deutsche Gesetzgeber dieser Harmonisierung aufgeschlossen ge­genübersteht. Hatte doch das Bundesministerium für Finanzen bereits im Juni angekündigt, insbesondere für Wachstumsunternehmen und Start-ups Mehrstimmrechtsaktien ermöglichen zu wollen.

Mit dem zweiten Teil des Maßnahmenpakets soll durch gezielte Änderungen der Mifid-II-Richtlinie dem Umstand entgegengewirkt werden, dass sich die Erstellung von Finanzanalysen (Research) für KMUs kaum noch lohnt und daher vornehmlich auf Werte mit höherer Marktkapitalisierung beschränkt. Hier sollen Anreize zur Abdeckung von KMU-Wachstumsmärkten geschaffen werden, um die Sichtbarkeit von KMUs gegenüber (internationalen) Investoren zu erhöhen und deren Chancen auf das Einwerben von Finanzierungsmitteln zu stärken.

Um transparente und unabhängige Analysen zu fördern, soll zudem ein Regelwerk für Research geschaffen werden, das durch die Emittenten beauftragt und bezahlt wird. Man darf gespannt sein, ob diese Änderungen ausreichen, um hier tatsächlich zu einer Trendwende zu führen.

Den dritten und wohl weitgehendsten Teil des Maßnahmenpakets bildet schließlich der Vorschlag, durch Änderung der Prospekt- und der Marktmissbrauchsverordnung den Zeit- und Kostenaufwand für Emittenten sowohl bei Börsengängen (IPOs), weiteren Kapitalaufnahmen (Sekundäremissionen), aber auch bei der Erfüllung der Zulassungsfolgepflichten deutlich zu verringern.

Im Hinblick auf die Prospektverordnung sieht der Kommissionsentwurf zunächst erhebliche Erleichterungen für Sekundäremissionen bereits börsennotierter Unternehmen vor. Unternehmen, deren Aktien zum Handel an einem regulierten Markt zugelassen oder zum Handel in einem KMU-Wachstumsmarkt einbezogen sind, sollen jedes Jahr eine oder mehrere Kapitaler­höhungen im Volumen von bis zu 40% des bereits zugelassenen Ak­tienka­pitals prospektfrei durchführen ­können.

Für den Fall, dass dieses Volumen überschritten oder erschöpft sein sollte, soll den Unternehmen bereits 18 Monate nach Notierungsaufnahme ermöglicht werden, Kapitalerhöhungen in beliebiger Höhe lediglich durch Veröffentlichung eines zusammenfassenden zehnseitigen Dokuments durchzuführen. Ob sich ein solches Dokument in der Praxis durchsetzt, ist vor dem Hintergrund noch offener Haftungsfragen und des regelmäßigen Bedürfnisses nach weitergehenden Informationen fraglich. Insbesondere bei größeren Transaktionen dürfte die freiwillige Prospekterstellung eine weiterhin genutzte Alternative bleiben.

Zur Förderung kleinerer Emissionen schlägt die Kommission auch eine Erhöhung der Höchstschwelle für prospektfreie Angebote von derzeit 8 Mill. Euro auf 12 Mill. Euro über einen Ein-Jahres-Zeitraum vor. In Deutschland ist für solche Angebote ab einem Volumen von 100 000 Euro die Erstellung eines dreiseitigen Wertpapier-Informationsblattes erforderlich, dessen Veröffentlichung durch die BaFin zu gestatten ist. Von diesem Erfordernis wird man auch in Zukunft ausgehen können.

Mit Blick auf die innerhalb der EU bestehenden Unterschiede bei Länge und Aufbau eines Wertpapierprospekts soll zudem ein einheitlicher Standard für Format und Aufbau von Prospekten entwickelt und deren Länge grundsätzlich auf maximal 300 DIN-A4-Seiten gedeckelt werden. Dies soll helfen, den Aufwand bei der Prospekterstellung weiter zu reduzieren. Bei den standardisierten Prospektinhalten soll zudem erstmals berücksichtigt werden, ob Emittenten der Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß der künftigen Corporate Sustainability Reporting Directive unterliegen.

Folgeprospekt

Mit der Einführung des sog. EU-Folgeprospekts (EU Follow-On prospectus) sowie des EU-Wachstumsemissionsdokuments (EU Growth Issuance Document) möchte die Kommission schließlich den sog. vereinfachten Prospekt für Sekundäremissionen bzw. den EU-Wachstumsprospekt ersetzen. Der EU-Folgeprospekt kann für alle Sekundäremissionen genutzt werden, die keiner Prospektausnahme unterfallen. Er folgt einem standardisierten Format und Aufbau und ist auf maximal 50-DIN-A4 Seiten begrenzt.

Das EU-Wachstumsemissionsdokument ist dagegen für öffentliche Angebote von Wertpapieren und/oder deren Zulassung zum Handel am regulierten Markt zu erstellen, die von KMUs oder Emittenten, die zwar keine KMUs (mehr) sind, aber deren Aktien in den Handel an einem KMU-Wachstumsmarkt einbezogen sind oder werden sollen, ausgegeben werden. Auch das EU-Wachstumsemissionsdokument soll einem standardisierten Format und Aufbau folgen und im Umfang maximal 75-DIN-A4-Seiten nicht übersteigen.

Flankiert werden die prospektrechtlichen Erleichterungen durch eine Reihe von vorgeschlagenen Veränderungen im Marktmissbrauchsrecht. Hierzu zählen insbesondere (i) Erleichterungen bei der Veröffentlichung von Insiderinformationen im Rahmen gestreckter Sachverhalte (z.B. Transaktionen), (ii) die Ver­öffentlichung von Regelbeispielen für mögliche Insiderinformationen durch die Kommission, (iii) eine Erhöhung der Schwellenwerte für Directors-Dealings-Meldungen, (iv) Erleichterungen bei der Veröffentlichung von Informationen im Rahmen von Aktienrückkaufprogrammen sowie (v) die Einführung einer permanenten (statt anlassbezogenen) Insiderliste.

Vieles bleibt Stückwerk

Bemerkenswert und zugleich diskutabel erscheint indes der Vorstoß der Kommission, Emittenten bereits mit Beschluss über den Aufschub der Veröffentlichung einer Insiderinformation zu einer Übersendung der Aufschubgründe an die zuständige Aufsichtsbehörde verpflichten zu wollen. Dies und der weiterhin erhebliche Sanktionsrahmen, gerade bei Formalverstößen, dürften nicht zu einer echten Verbesserung der Attraktivität der europäischen Kapitalmärkte führen.

Insgesamt beinhaltet der Kommissionsentwurf damit eine Reihe sinnvoller Ansätze, um die bestehende Rechtslage zu vereinfachen. Zwar bleibt vieles Stückwerk, dessen Erfolg nicht zweifelsfrei ist. Die Bemühungen zur besseren Ausbalancierung des Rechtsrahmens sind dennoch zu begrüßen. Insbesondere für KMU eröffnen sich damit Chancen, eine deutlich bessere und frühzeitigere Finanzierung über den Kapitalmarkt zu erzielen.