IPOs

Europas Börsenneulinge 2021 unter Druck

Für Investmentbanker waren die Aktienemissionen im Jahr 2021 ein besseres Geschäft als jemals zuvor. Aus Sicht der Investoren haben sich die Börsengänge im abgelaufenen Jahr allerdings durchaus nicht immer erfreulich entwickelt: Die Hälfte der zehn größten Kursverlierer 2021 im Stoxx Europe 600 sind IPOs.

Europas Börsenneulinge 2021 unter Druck

cru Frankfurt

2021 wird mit weltweit rund 2400 Börsengängen und mehr als 450 Mrd. Dollar Emissionsvolumen das stärkste IPO-Jahr seit dem Dotcom-Boom im Jahr 2000. Inklusive Spacs (Special Purpose Acquisition Companies) und Kapitalerhöhungen beläuft sich das Aktienemissionsvolumen laut Bankhaus Berenberg sogar auf den Rekordwert von 1,6 Bill. Dollar. Davon entfallen 168 Mrd. Euro auf Europa (+39%), ein Drittel davon aus IPOs.

Aus Sicht der Investoren haben sich die Börsenneulinge im abgelaufenen Jahr allerdings durchaus nicht immer erfreulich entwickelt: Die Hälfte der zehn größten Verlierer des Jahres im Index Stoxx Europe 600 sind laut Bloomberg in den vergangenen 15 Monaten neu an die Börse gekommen.

Schlechter als der Markt

Dabei handelt es sich um die britische E-Commerce-Firma THG (The Hut Group), den deutschen Online-Gebrauchtwagenhändler Auto1 aus dem Softbank-Portfolio, den polnischen Online-Marktplatz Allegro.eu sowie den britischen Lieferdienst Deliveroo und den in Amsterdam notierten polnischen Paketzusteller Inpost. Die Kurse dieser Börsenneulinge sind allesamt um 39% oder mehr eingebrochen, obwohl der Referenzindex um 19% gestiegen ist. Bei den mehr als 550 Unternehmen, die 2021 in Europa an die Börse gegangen sind, ist bei etwa der Hälfte der Kurs gegenüber dem Emissionspreis gefallen. Im Durchschnitt verzeichnen die europäischen IPOs dieses Jahres laut Berenberg aber ein Kursplus von 5,7% und schneiden damit um 1,3% besser ab als ihre jeweiligen Vergleichsindizes.

In Deutschland dagegen notieren zwei Drittel der Börsenneulinge unter Wasser. Bis Ende November wiesen nur vier der zwölf Unternehmen, die 2021 im Prime Standard in Frankfurt an die Börse gekommen sind, eine positive Kursentwicklung auf – bei einem Kursrückgang von durchschnittlich 10%. Das ist das Ergebnis der jährlich durchgeführten IPO-Studie der Hamburger Agentur für Finanz- und Unternehmenskommunikation Kirchhoff Consult.

Auto1 ganz hinten

Am schlechtesten schnitt seit dem IPO bis dato der vom Technologie­investor Softbank gestützte Online-Gebrauchtwagenhändler Auto1 mit einem Kursminus von 55% bis Ende November ab. Die Aktien des Online-Optikers Mister Spex – Großaktionär ist der Brillenkonzern EssilorLuxottica – verloren bislang 51%. Und der Kurs des Rohrverlegers Friedrich Vorwerk aus dem Besitz der Berliner Familienholding MBB büßte bislang 29% ein. In einigen Fällen wurden die Unternehmen zum Opfer der Sektorrotation – weg von Corona-Gewinnern und hin zu bisherigen Corona-Verlierern. In einigen anderen Fällen lag es aber auch an den eigenen schlechten Wachstumszahlen.

Das sind angesichts der sich gleichzeitig abzeichnenden Zinswende schwierige Vorzeichen für die nächsten deutschen IPO-Kandidaten – darunter sehr große Unternehmen: Es ist noch keine zwei Jahre her, da wurde die Thyssenkrupp-Aufzugssparte für 17 Mrd. Euro an die Finanzinvestoren Advent und Cinven sowie die RAG-Stiftung verkauft. Schon wird aus Finanzkreisen berichtet, dass TK Elevator, wie das Unternehmen mit 50 000 Beschäftigten inzwischen heißt, für Ende 2022 den Börsengang vorbereiten könnte.

Seit etwa einem Jahr gibt es zudem Überlegungen, Porsche an die Börse zu bringen. Gemeint ist damit nicht die im Dax notierte Porsche Auto­mobile Holding SE, über welche die Familien Porsche und Piëch ihre Anteile an Volkswagen halten, sondern die Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG, die die Sportwagen baut. Laut Finanzkreisen bereiten die beiden Familien nun einen Börsengang des Sportwagenbauers vor – und könnten sich im Zuge dessen sogar von nennenswerten Teilen an Volkswagen trennen. Die Überlegung: Eine separat börsennotierte Porsche könnte eine Bewertung ähnlich wie Ferrari mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 54 erzielen – und damit deutlich mehr als die VW-Vorzüge mit einem KGV von 36. Laut einer Schätzung von Bloomberg Intelligence könnte Porsche bis zu 105 Mrd. Euro wert sein – verglichen mit aktuell rund 115 Mrd. Euro Börsenwert des Mutterkonzerns VW.

Eine andere Konzernabspaltung in der Autoindustrie ist bereits abgeschlossen: Die Daimler-Aktionäre erhielten jeweils eine Aktie der Lastwagensparte Daimler Truck für jeweils zwei Daimler-Aktien in ihre Depots eingebucht. Damit wurde eine der größten Börsennotierungen des Jahres in Europa vollzogen.

Anfang 2022 könnte dann das Pharmaunternehmen Cheplapharm als Eisbrecher für den seit dem Herbst ruhenden deutschen IPO-Markt fungieren und seine Aktien an der Frankfurter Börse notieren lassen – laut Finanzkreisen womöglich schon im Januar oder Februar. Eine Bewertung von mehr als 10 Mrd. Euro wird für möglich gehalten.

Pipeline für 2022 gut gefüllt

In Deutschland warten mehr als ein Dutzend Unternehmen, die mit mehr als 1 Mrd. Euro bewertet werden, auf eine gute Gelegenheit für ihr Börsendebüt. Volkswagen denkt neben einem Börsengang von Porsche wohl auch im Batteriebereich über einen Börsengang nach. Auch die US-Roboterautofirma Argo AI, die unter anderem von VW finanziert wird, könnte an die Börse gehen.

Thyssenkrupp will die Stahlsparte abspalten und die Wasserstoffsparte Uhde Chlorine Engineers an die Börse bringen. Ein eigener Kapitalmarkttag soll am 13. Januar darüber informieren. Lufthansa erwägt Finanzkreisen zufolge neben dem Verkauf eines Minderheitsanteils an der Wartungssparte Lufthansa Technik auch einen Börsengang – die Rückzahlung der Staatshilfen macht das inzwischen aber weniger dringlich.

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