Markus Auer

Fachkräfte­mangel beschert Hays Sonder­konjunktur

In Zeiten von Fachkräftemangel muss die Personalsuche kreativer werden, findet Hays-CFO Markus Auer. Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung berichtet er, welche Wachstumshoffnungen der aktuelle Nachfrageschub auslöst.

Fachkräfte­mangel beschert Hays Sonder­konjunktur

Von Sabine Reifenberger, Frankfurt

Vom Handwerksbetrieb bis zum Forschungslabor, vom Hotel bis zur Strategieberatung – Unternehmen aus allen Branchen klagen derzeit über Fachkräftemangel. Doch eine Branche profitiert: Die Personalberatung boomt. Der Personalvermittler Hays verkündet in seinen vorläufigen Zahlen für das Ende Juni abgelaufene Geschäftsjahr 2022 ein Rekordergebnis für Deutschland. Das Betriebsergebnis (Operating Profit) legte um 152 % auf mehr als 75 Mill. Pfund zu, vermeldete das Unternehmen mit britischem Heimatmarkt.

Neben dem Fachkräftemangel beschert auch die Corona-Pandemie den Personalberatern einen Nachfrageschub. Viele Unternehmen haben in der Pandemie Mitarbeiter abgebaut und tun sich nun schwer, zu früherer Teamstärke zurückfinden. „Die Personalsuche läuft häufig noch nach dem Prinzip ‚Post & Pray‘: Man schaltet eine Anzeige und betet, dass sich ein geeigneter Kandidat oder eine Kandidatin melden möge, beobachtet Hays-Finanzchef Markus Auer.

Doch in Zeiten des Fachkräftemangels reiche dies nicht mehr aus. „Personalsuche muss kreativer werden und stärker danach schauen, welche Skills gefragt sind – und in welchen anderen Bereichen man diese finden könnte.“ Oft gehe es um grundlegende Kompetenzen wie Kommunikationsfähigkeit, Service-Mentalität oder Organisationsgeschick, die auch Kandidaten aus anderen Bereichen mitbringen.

Für den Personaldienstleister ist Deutschland nach wie vor ein Wachstumsmarkt: „Mehr als 80 % der Unternehmen setzen hierzulande noch allein auf interne Ressourcen, um vakante Stellen zu besetzen“, sagt der Finanzchef.

Er sieht allerdings Anzeichen dafür, dass sich Unternehmen in Deutschland stärker für professionelle Vermittlungen öffnen – und das Thema Personal auch grundsätzlich höher gewichten. „Personalsuche wurde in der Vergangenheit oft sehr kurzfristig betrachtet. Langsam wächst die Erkenntnis, strategischer und langfristiger vorzugehen.“

Projektarbeit erhält Zulauf

Wer mehr Vorlauf hat, hat auch höhere Chancen, die Wunschbewerber an Land zu ziehen – gerade bei Interim- und Projektkräften. Die Freelance-Arbeit, bei der Kandidaten für eine überschaubare Zahl von wenigen Monaten oder Jahren für ein Unternehmen oder Projekt arbeiten, beispielsweise um ein Digitalisierungsprojekt zu begleiten, liegt derzeit im Trend: „Wir sehen, dass immer mehr Kandidatinnen und Kandidaten so arbeiten möchten“, sagt Auer. Der Bereich Contracting, in dem Hays die Vermittlung von Freelancern für Projekte verbucht, stand 2022 für etwa 57 % der in Deutschland erzielten Umsätze. Das war ein Wachstum von 28 % gegenüber dem Vorjahr. Der Effekt wäre für den Personalvermittler sogar noch größer, wenn nicht eine wachsende Zahl der Freelancer in Teilzeit arbeiten würde.

Rund 26 % der Umsätze erzielte Hays hierzulande zuletzt mit der Vermittlung im Rahmen von Werkverträgen, 17 % entfielen auf die Besetzung dauerhafter Anstellungsverhältnisse. Dass immer mehr Bewerber auf Projektbasis arbeiten möchten, weckt bei Auer Wachstumshoffnungen: „Im Bereich Contracting gibt es am meisten geschäftliche Fantasie.“

Die Personalberatung hat sich zum Ziel gesetzt, sich alle fünf Jahre zu verdoppeln. 2027 soll über alle Länder hinweg ein Betriebsgewinn von insgesamt 400 Mill. Pfund erzielt werden (2022: 210 Mill. Pfund). Deutschland soll dazu einen überproportional großen Teil beitragen: „Der Markt für Personalvermittlung ist etwa in Großbritannien oder Aus­tralien deutlich stärker gesättigt. Deutschland wächst daher stärker als der Rest der Gruppe.“

Dabei war die Corona-Phase für Hays selbst eine Belastung: Während der ersten Lockdowns im Jahr 2020 lagen die neuen Umsätze teils um 50 % unter dem Vorjahr, berichtete Auer damals im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Die Zahl der Mitarbeiter ist in Deutschland während der Hochphase der Pandemie um rund 10 % gesunken, dem Unternehmen zufolge durch natürliche Fluktuation. „Es war gut, dass wir damals nicht überreagiert haben. Jetzt brauchen wir die Leute“, sagt Auer.

Beraterstamm wächst 

Zuletzt hat der Personaldienstleister selbst wieder eingestellt: Die Zahl der Consultants ist in Deutschland im vergangenen Jahr um 24 % gestiegen, viele fangen gleich nach der Uni bei Hays an oder kommen über Empfehlungen bestehender Mitarbeiter.

Was aber tun, wenn der Wunschkandidat nicht in Sicht ist – lieber eine freie Stelle noch länger vakant lassen oder doch besser jemanden einstellen, der nicht alle gewünschten Kompetenzen mitbringt?

„Eine vakante Stelle bedeutet immer auch eine Know-how-Vakanz“, findet Auer. Wenn die Kernkompetenzen gegeben seien, würde er deshalb eine freie Stelle lieber besetzen, als auf eine perfekt passende Bewerbung zu warten, die möglicherweise nie kommt.

„Einem Kandidaten oder einer Kandidatin berufsbegleitend noch fehlendes Wissen beizubringen ist besser, als durch einen Personalmangel mögliches Wachstum abzuschneiden.“

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