Nikolaos Paschos

Indexfonds zurückhaltend mit Zusagen bei Übernahme-Angeboten

Vonovia unternimmt einen letzten Versuch, Deutsche Wohnen zu übernehmen. Der Gesellschaftsrechtler Nikolaos Paschos erläutert, welche Rolle dabei das Verhalten beteiligter Indexfonds spielt.

Indexfonds zurückhaltend mit Zusagen bei Übernahme-Angeboten

Die Fragen stellte Helmut Kipp.

Herr Paschos, warum sind die Mindestannahmeschwellen bei Übernahmeangeboten heute häufig viel niedriger als früher?

Übernahmeangebote rücken in letzter Zeit in der Tat in zunehmendem Maße von Mindestannahmeschwellen von 75% oder mehr ab. Das liegt zum einen am Respekt von Bietern vor dem Taktieren der Hedgefonds: Diese versuchen nach Ankündigung des Übernahmeangebots häufig, durch Marktzukäufe eine wesentliche Position in den Aktien der Zielgesellschaft aufzubauen, um den Bieter, der diese Aktien tatsächlich oder vermeintlich zum Erreichen der Mindestannahmeschwelle benötigt, zu einer Erhöhung des Angebotspreises zu zwingen, auch Bumpitrage genannt. Des Weiteren spekulieren eine Reihe von Hedgefonds darauf, dass es nach dem Erfolg des Übernahmeangebots mittelfristig zu einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen Bieter und Zielgesellschaft oder sogar einem Squeeze-out kommt, sogenannte Back-end Speculation. Da hierbei andere Bewertungsmethoden zur Anwendung gelangen (IDW S1), ergeben sich häufig gesetzliche Abfindungsbeträge, die den Angebotspreis des Übernahmeangebots übersteigen. Zudem besteht die Chance, dass die Abfindung in einem nachlaufenden Spruchverfahren hochgesetzt wird. Zum anderen wird das Festlegen der „richtigen“ Mindestannahmeschwelle in jüngerer Zeit durch Unwägbarkeiten im Zusammenhang mit börsengehandelten Indexfonds erschwert, wie etwa die Stada- oder die Osram-Übernahme zeigen.

Nach welchen Regeln gehen indexorientierte Investoren vor?

Das Investmentmandat der physisch replizierenden Indexfonds ist auf die bloße Replizierung des Index beschränkt. Indexfonds-Anbieter müssen in der Lage sein, Veränderungen der Zusammensetzung und Gewichtung des Index nachzuvollziehen. Dabei verfolgen die Indexfonds das Ziel, den zugrunde liegenden Index möglichst genau nachzubilden.

Kann ein Bieter die Entscheidung der Indexfonds bei Übernahmeangeboten beeinflussen?

Eine Einflussnahme ist nur sehr eingeschränkt möglich, da die passiven Indexfonds-Anbieter strikt an die internen Anlage-Richtlinien gebunden sind, die sich dem Verkaufsprospekt entnehmen lassen. Eine Besonderheit besteht bei den eher seltenen Tauschangeboten: Eine rege Annahme eines Übernahmeangebots kann zu einer Indexumstellung führen. Eine solche Indexumstellung ist etwa für Dax und MDax vorgesehen, sobald die unter dem Übernahmeangebot eingelieferten Aktien der Zielgesellschaft nach den sogenannten Wasserstandsmeldungen mehr als 50% des Grundkapitals der Zielgesellschaft ausmachen. Die bis dahin im Index enthaltenen Aktien der Zielgesellschaft werden dann durch die eingelieferten und mit separater Wertpapierkennnummer versehenen Aktien der Zielgesellschaft ersetzt, wenn bestimmte weitere Voraussetzungen des Index erfüllt sind – etwa die zu erwartende Indexaufnahme der Tauschaktien. Indexfonds müssen bei Tauschangeboten also erst dann das Übernahmeangebot annehmen, wenn so viele andere Aktionäre dies ebenfalls getan haben, dass die eingereichten Aktien zur liquidesten Gattung werden. Um diese Annahme durch Indexfonds abzusichern, kann versucht werden, mit den Indexfonds aufschiebend bedingt auf diesen Fall unwiderrufliche Annahmeerklärungen – sogenannte Irrevocable Undertakings –  abzuschließen, nach denen sie sich verpflichten, das Übernahmeangebot tatsächlich anzunehmen. Die unwiderruflichen An­nahmeerklärungen werden bereits ab Abschluss auf die Mindestannahmequote angerechnet. Wie die Erfahrung gezeigt hat, lassen sich Indexfonds hierauf allerdings nur zurückhaltend ein.

Sind die exakten Anteilshöhen der Indexfonds transparent?

Mitunter lassen sich Rückschlüsse über die Anteilshöhe aus den Stimmrechtsmitteilungen ziehen; jenseits dessen ist eine transparente Übersicht zu den exakten Anteilshöhen der jeweiligen Indexfonds an börsennotierten Gesellschaften jedoch nicht verlässlich öffentlich verfügbar.

Welche Vorkehrungen kann ein Bieter mit Blick auf ETF-Investoren treffen, damit seine Offerte nicht scheitert?

Für den Sonderfall der Umtauschangebote kann er durch den Erwerb von Aktienpaketen von Hauptaktionär und/oder Großaktionären und das Überschreiten der 50-Prozent-Schwelle erreichen, dass auch Indexfonds die von ihnen gehaltenen Anteile andienen müssen. Insbesondere bei Barangeboten bleibt den Bietern nur, sich durch Bestimmung einer möglichst niedrigen Mindestannahmeschwelle nicht von Indexfonds abhängig zu machen.

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